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Politik & Wirtschaft

Innenminister Klaus Schlie zur Kriminalstatistik 2010: Beste Gesamtbilanz seit 30 Jahren ist kein Grund zur Zufriedenheit und zu vorschnellen Interpretationen

Die Polizei registrierte 2010 in Schleswig-Holstein so wenige Straftaten wie seit rund drei Jahrzehnten nicht mehr. 221.000 Delikte wurden im vergangenen Jahr verübt, ein Rückgang um 8,8 Prozent im Vergleich zu 2009. Man muss bis ins Jahr 1981 zurückgehen, um einen niedrigeren Wert zu finden. Damals verzeichnete die Kriminalstatistik 213.000 Straftaten. Die Polizei klärte 2010 jede zweite Tat auf. Die Aufklärungsquote von 50 Prozent ist zugleich die höchste in Schleswig-Holstein seit 30 Jahren. Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, war auch im vergangenen Jahr wieder gering. Die so genannte Häufigkeitszahl, die Auskunft darüber gibt, wie viele Straftaten auf 100.000 Einwohner kommen, sank um 8,7 Prozent auf rund 7.800 Fälle.
Klaus Schlie: Erfreuliche Gesamtbilanz, aber dennoch Grund zur Besorgnis

Innenminister Klaus Schlie warnte bei der Vorstellung der Kriminalstatistik am Donnerstag (3. März) vor der Landespressekonferenz in Kiel vor Zufriedenheit und voreiligen Interpretationen. „Wir haben es mit der Momentaufnahme eines Jahres zu tun“, sagte der der Minister. Die Gesamtbilanz sei zwar erfreulich, hinter einzelnen Zahlen stünden jedoch Entwicklungen, die Grund zur Besorgnis gäben. Von einer Trendumkehr könne keine Rede sein.

„Die Polizei und alle Vereine und Organisationen, die in unserer Gesellschaft Verantwortung für ein friedliches und soziales Miteinander tragen, bleiben aufgerufen, ihre Anstrengungen in der Zukunft weiter zu verstärken“, sagte Schlie. Für die Polizei werde sich an den Schwerpunkten Präsenz, Prävention und Repression nichts ändern.
Gewaltkriminalität breitet sich weiter aus

Die Gewaltkriminalität ist im vergangenen Jahr nicht nennenswert weiter angestiegen. Die Polizei registrierte exakt 7.792 Fälle, fünf mehr als 2009. Für Schlie ist dieses Ergebnis jedoch kein Grund zur Beruhigung. Zwar ist der Anteil der Gewaltdelikte an der Gesamtkriminalität relativ gering, er wird jedoch von Jahr zu Jahr größer. 2001 betrug 2,8 Prozent, 2010 machte er bereits 3,5 Prozent an der Gesamtkriminalität aus.

Die gleiche Entwicklung verzeichnet die Polizei bei den Rohheitsdelikten. Die Fallzahl ging um 2,5 Prozent auf rund 31.500 Delikte zurück, weil es weniger Körperverletzungen gab. Mit 14,3 Prozent Anteil an der Gesamtkriminalität haben die Rohheitsdelikte um einen Prozentpunkt im Vergleich zum Vorjahr und um 3,4 Prozentpunkte mit Blick auf 2001 angezogen. Beunruhigend ist nach den Worten von Schlie die Zunahme von Raubüberfällen. Insgesamt schlugen Täter im vergangenen Jahr landesweit 1.900-mal zu, 114-mal mehr als 2009.
Rückgänge bei den so genannten Massendelikten

Der Grund für das vergleichsweise niedrige Niveau der Kriminalstatistik des Jahres 2010 sind teilweise stark rückläufige Zahlen bei jenen Delikten, die rund zwei Drittel aller Delikte an der Gesamtkriminalität ausmachen. So sank der Diebstahl um 11.000 Fälle oder 10,4 Prozent. Bei Sachbeschädigungen gab es ein Minus von rund 5.000 Delikten oder 13 Prozent. Der Betrug nahm um 2.350 Fälle oder 8,4 Prozent ab. „Daraus darf man keine falschen Schlüsse ziehen“, sagte der Minister. Der Rückgang der Betrugsdelikte im vergangenen Jahr beruhe auf einem „Ausreißer“ nach oben im Jahr 2009. Seinerzeit sorgten mehrere Großverfahren für einen sprunghaften Anstieg der Fallzahlen. „Betrugsdelikte nehmen in der Tendenz der vergangenen Jahre zu“, sagte Schlie.
Gewaltdelikte gehen häufig auf das Konto junger Leute – Alkohol oft im Spiel

Obwohl der Anteil Tatverdächtiger unter 21 Jahren um 1,9 Prozent leicht rückläufig war, gibt es nach Aussage von Schlie bei der Jugendkriminalität weiterhin keine Entwarnung. Von den 79.000 Tatverdächtigen waren 22.000 jünger als 21. Das entspricht immer noch einem Anteil von 27,5 Prozent. Diese Altergruppe stellt jedoch nur ein Fünftel aller Einwohner. 58 Prozent aller Raubdelikte gehen auf das Konto von Jugendlichen. Und 43 Prozent aller gefährlichen und schweren Körperverletzungen werden von Tatverdächtigen unter 21 Jahren begangen. Mit 23,4 Prozent ist der Anteil der unter 21jährigen, die mindestens eine Straftat unter Alkoholeinfluss begangen haben, auffallend hoch. Das wird im Bereich der Gewalt- und Rohheitsdelikte noch deutlicher: 41 Prozent der Jugendlichen, denen diese Taten zur Last gelegt werden, waren 2010 alkoholisiert.
Linksextremisten weiterhin gewalttätiger

2010 setzte sich die Entwicklung aus dem Vorjahr fort, dass Linksextremisten mehr politisch motivierte Gewalttaten begehen als Rechtsextremisten. Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Staatsschutz ereigneten sich im vergangen Jahr 64 linksextremistische (drei weiniger als 2009) und 37 rechtsextremistische (23 weniger als 2009) Gewalttaten. Für die sicherheitspolitische Beurteilung des politischen Extremismus sind nach Aussage des Ministers in erster Linie die Gewalttaten wichtig. „In diesem Bereich liegen wir in Schleswig-Holstein weiterhin auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau“, sagte Schlie.