Menschlich gesehen

Interview mit dem Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann

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Das Interview führten Dr. Christoph Gaudecki (Text) und Wolfgang Freywald (Fotos) TBF Presseagentur

Am 27. April 2005 ist in Schleswig-Holstein eine neue Landesregierung unter Leitung von Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen zusammen getreten. Seit diesem Tag leitet Minister Dietrich Austermann das Wirtschaftsressort. Das Haus führt die neue Bezeichnung „Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr“.

Dietrich Austermann wurde im Oktober 1941 geboren. Der Jurist ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Nach der Zweiten Juristischen Staatsprüfung (1971) war Austermann zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter der CDU-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg und anschließend Rechtsanwalt und Notar in eigener Praxis. Ab 1974 bekleidete er Positionen als Wahlbeamter, unter anderem ab 1981 die des Stadtdirektors in Göttingen. Seit 1982 gehörte der gebürtige Berliner dem Deutschen Bundestag an. Hier war er Vorsitzender der Landesgruppe Schleswig-Holstein und haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.Mit Ernennung zum Wirtschaftsminister des Landes Schleswig Holstein schied Dietrich Austermann aus dem Deutschen Bundestag aus.

„hier-luebeck.de: Herr Minister Austermann welche Schwerpunkte setzen Sie anlässlich Ihrer Amtszeit im Bereich der Wirtschaftspolitik?

Antwort: An erster Stelle halte ich ein deutliches Wachstum für nötig. Die erforderlichen Rahmenbedingungen werden wir schaffen. Dieses gilt insbesondere für eine Verbesserung der Infrastruktur im Bereich des Verkehrs, der Bildung sowie der Forschung.

„hier-luebeck.de: Welche Maßnahmen sind Ihrerseits nach erforderlich, um die Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein zu senken?

Antwort: Hier müssen Bürokratien abgebaut werden. Dieses betrifft unter anderem Genehmigungsverfahren. Die Verbesserung im Bereich der Infrastrukturen wird auch zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit beitragen. Es sind aber auch Maßnahmen auf Bundesebene erforderlich.

Besonders deutlich nenne ich als Grund für die hohe Arbeitslosigkeit eine falsche Umweltpolitik in Schleswig-Holstein in der Vergangenheit. Auch hier haben sich vor allem die langen Genehmigungsverfahren in allen Bereichen als Bremsklotz für die Wirtschaft erwiesen.

„hier-luebeck.de: Was kann der Schleswig-Holsteinsche Wirtschaftsminister unternehmen, um ausländische Investoren in das Land zu holen?

Antwort: Den Investoren kann ich die hervorragenden Rahmenbedingungen nennen, die jetzt in Schleswig-Holstein herrschen. Wir verfügen über eine Industrie und ein Handwerk mit einer breiten Angebotspalette. Hier nenne ich besonders die Medizintechnik, den Maschinenbau und die Elektrotechnik.

Der Standort Schleswig-Holstein hat auf Grund seiner Lage und seiner sich verbessernden Infrastrukturbedingungen viele Vorteile, die ich als Minister potenziellen Investoren gern erläutere.

„hier-luebeck.de: In welchem Bereich der Unternehmensbesteuerung sehen Sie einen Reformbedarf? Ich stelle hier auf den hohen Besteuerungssatz einerseits sowie auf die Abschreibungsmöglichkeiten andererseits ab.

Antwort: Der gegenwärtige Besteuerungssatz für Unternehmen gibt nicht die Realitäten wider und kann auf ausländische Investoren zunächst abschreckend wirken.

Hier plädiere ich für einen einheitlichen Satz in Höhe von z.B. 25% bei Verzicht auf Abschreibungen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass viele Unternehmen bereits jetzt nur wenig bis gar keine Steuern zahlen.

„hier-luebeck.de: Was halten Sie von Subventionen in unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft?

Antwort: Grundsätzlich bin ich kein Befürworter von Subventionen. Nur dort, wo der internatonale Wettbewerb dieses erfordert, sehe ich Handlungsbedarf. Dieses galt in der Vergangenheit für den Schiffbau in Deutschland. Hier haben asiatische Staaten durch intensive Subventionen Dumpingpreise verursacht, die zu einer nachhaltigen Wettbewerbsverzerrung führten. In diesem Zusammenhang betone ich, dass Subventionen in diesen Ausnahmesituationen gleichwohl nur degressiv und befristet gewährt werden dürfen.

„hier-luebeck.de: Welche Infrastrukturmaßnahmen halten Sie in Schleswig-Holstein für besonders wichtig?

Antwort: Hier nenne ich den Ausbau der Autobahn A 20 als Ost-West-Querung und die A 21 – A 24. Die Häfen Lübeck und Brunsbüttel gilt es zu erweitern. Dieses gilt ferner für die Flughäfen in Kiel und in Lübeck.

Für besonders wichtig halte ich den Bau einer festen Elbquerung im Bereich Glückstadt. Der Bau einer Fehmarnbelt-Brücke ist frühestens 2015 realisierbar. Hieran hat besonders die dänische Regierung ein nachhaltiges Interesse, um Transitzeiten zu verkürzen. Eine Finanzierung kann nur auf privater Basis erfolgen, wobei ich öffentliche Bürgschaften nicht ausschließe.

Sollten private Investoren an der Realisierung einer Fehmarnbelt-Querung kein Interesse haben, wird es keine Finanzierung mit Steuergeldern geben. Die Erfahrungen mit den großen Brückenprojekten in Dänemark und Schweden haben jedoch gezeigt, dass sich diese Projekte nach anfänglichen Schwierigkeiten nunmehr rechnen. Der Warnow-Tunnel kann als Vergleich nicht herangezogen werden. Bedingt durch zahlreiche Ausweichmöglichkeiten weist dieser Tunnel eine zu geringe tägliche Frequentierung auf.

„hier-luebeck.de: Wie stehen Sie zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Antwort: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer kann nur ein letztes Mittel sein. Sie dient zur Reform des Sozialsystems, um die Lohnnebenkosten zu senken. Der halbierte Satz bei bestimmten Produkten, z.B. bei Lebensmitteln, muss jedoch bleiben.

„hier-luebeck.de: Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit Schleswig-Holsteins mit der Metropolregion Hamburg?

Antwort: Hier gibt es einerseits einen munteren Wettbewerb, den ich nicht verleugnen möchte. Wir arbeiten aber in zahlreichen Bereichen zusammen. Auf staatlicher Ebene nenne ich als Beispiel die Landesbank. Dieses gilt auch für zahlreiche Bereiche der Privatwirtschaft. Es gibt gemeinsame Projekte im Bereich der Medizintechnik, die ein Volumen von mehr als 150 Millionen ¤ aufweisen. Insgesamt handelt es sich somit um eine sehr erfreuliche Zusammenarbeit mit Hamburg.

„hier-luebeck.de: Welche wirtschaftliche Bedeutung hat für Schleswig-Holstein der Tourismus?

Antwort: Der Tourismus ist für uns eine sehr wichtige Branche. Hier bestehen 130.000 Arbeitsplätze, die ganzjährig noch keine durchgängige Beschäftigung gewährleisten.

Um dieses umzusetzen, werden wir die Bäderregelung überarbeiten. Dieses gilt besonders für eine Veränderung von Öffnungszeiten, vereinfachte Online-Buchungen und eine nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur. Die Hotelbranche in Schleswig-Holstein muss mehr Qualität bieten. Es liegen 20 Anträge für die Errichtung von Hotelneubauten vor. Hierbei handelt es sich um 3- bis 4-Sterne-Plus Hotels.

An der Fachhochschule Heide halte ich die Einrichtung einer Stiftungsprofessur für Tourismusforschung in absehbarer Zeit für realisierbar.

„hier-luebeck.de: Welche wirtschaftliche Bedeutung hat für Sie die Zusammenarbeit mit den Ostseeanrainerstaaten?

Antwort: Die Zusammenarbeit ist wichtig. Gleichwohl sollte sie nicht überschätzt werden. Die Baltischen Staaten tragen zu einer wirtschaftlichen Entwicklung Schleswig-Holstein bei. Hierbei handelt es sich um Wachstumsmärkte mit einem erheblichen Potenzial. Gleichwohl sollte die Nordseeregion nicht vergessen werden. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Großbritannien und den Niederlanden ist von erheblicher Bedeutung.

„hier-luebeck.de: Wie können Sie sich als Wirtschaftsminister dieses Landes hier einbringen?

Antwort: Hier halte ich gemeinsamen Konferenzen sowie gegenseitige Besuchsreisen für besonders geeignet. In diesem Zusammenhang nehmen wir gemeinsam mit Vertreten der Hansestadt Hamburg aus Wirtschaft und Politik an derartigen Veranstaltungen und Reisen teil.

„hier-luebeck.de: Wie wirkt sich die große Koalition zwischen CDU und SPD auf die Wirtschaftspolitik des Landes aus?

Antwort: Die Zusammenarbeit mit unserem Koalitionspartner bewerte ich als sehr positiv. Wir arbeiten gemeinsam an der Umsetzung der Vereinbarungen des Koalitionsvertrages.

„hier-luebeck.de: Welche Bedeutung hat für Schleswig-Holstein der Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel?

Antwort: Ich halte diesen Flughafen für außerordentlich wichtig. Aus diesem Grunde begrüße ich es sehr, dass ich in den Aufsichtsrat des Hamburger Flughafens gewählt wurde, um die Interessen des Landes Schleswig-Holstein wahrzunehmen.

Herr Minister Austermann, wir bedanken uns für das Gespräch.

Im Foto: Dr. Christoph Gaudecki, Minister Dietrich Austermann und Wolfgang Freywald