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Politik & Wirtschaft

Johannes Callsen zu TOP 11A, 11B und 43: Verfassungsentwurf ist ein Kompromiss

Unsere Landesverfassung ist das zentrale Fundament unserer Demokratie. Sie gibt den Rahmen vor, in dem wir uns bewegen. Eine demokratische Verfassung sichert Freiheiten und setzt dort Grenzen, wo die Freiheit des Einzelnen beschnitten wird. Eine demokratische Verfassung regelt das Zusammenspiel zwischen den Verfassungsorganen. Und sie gibt Rechte und Pflichten vor!

Als demokratisches Fundament muss sie beständig sein. Aus gutem Grund sind darum die Hürden für eine Verfassungsänderung so hoch gesetzt. Wenn dieser Landtag über eine neue Landesverfassung abstimmt, dann ist dies ein Schritt, der wohl bedacht sein muss. Es muss ein Schritt sein, der unser demokratisches Fundament stärkt. Und ich denke, es gibt sehr gute Gründe dafür, dass sich dieser Landtag den Auftrag gegeben hat, eine Verfassungsreform auf den Weg zu bringen. Ich möchte an dieser Stelle allen Mitgliedern, die im Sonderausschuss den Verfassungstext erarbeitet haben, für Ihre Arbeit ausdrücklich danken!

Mehr als ein Jahr lang hat der Sonderausschuss getagt. Selbst Bismarck, der ganz gewiss kein verdächtiger Freund parlamentarischer Demokratien war, hat damals erkannt: „Keine Verfassung kann ohne Kompromiß existieren.“ Auch der heutige Verfassungsentwurf ist ein Kompromiss.

Wir haben in den letzten Monaten viel miteinander um die Inhalte gerungen. Und auch wenn der Verfassungsausschuss mehrheitlich zu einem anderen Ergebnis gekommen ist: Eine Aufnahme des Gottesbezuges in unsere Verfassung würde Schleswig-Holstein und auch diesem Landtag gut zu Gesicht stehen.

Dafür gibt es viele Gründe:

Erstens:
Wir haben in unserer deutschen Geschichte leidvoll erleben müssen, wie Diktaturen Macht auf schreckliche Weise missbraucht haben und meinten, Gott spielen zu können.

Die vier Worte „in Verantwortung vor Gott“ erinnern an die Begrenztheit und die Fehlbarkeit menschlichen Handelns. Und sie sind eine Mahnung daran, dass  über allem eine höhere Instanz steht, der wir mit unserem Handeln gegenüber eine besondere Verantwortung tragen.

Dabei ist es gleich, welche Religion dieser Gott hat. Und es geht bei diesen vier Worten  nicht um eine Verantwortung für die eine und gegen die andere Religionsgemeinschaft. Und es geht auch nicht darum, eine Religionsgemeinschaft über alle anderen zu stellen. Nein, es geht uns einzig und allein um die Verantwortung, die wir (alle
miteinander) gegenüber einer höheren Instanz haben.

Zweitens:
Die Mehrheit der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner eint der Glauben an Gott.

Das Argument, der Gottesbezug sei nicht mehr zeitgemäß, kann ich angesichts der 70 bis 80 Prozent Gläubigen in unserer Gesellschaft nicht nachvollziehen.

Im Übrigen:
Die Freiheit jedes Einzelnen, sich für oder gegen eine Religion zu entscheiden, bleibt von einer Aufnahme des Gottesbezuges völlig unberührt.

Drittens:
Andere Religionsgemeinschaften haben nicht die geringsten Bedenken gegen die Aufnahme eines Gottesbezuges angemeldet!

Darum verstehe ich die Bedenken aus den anderen Fraktionen nicht. Und ich werbe an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich dafür, Gott nicht außen vor zu lassen.

Die CDU tritt ganz klar für die Aufnahme des Gottesbezuges ein. Wir werden aber der Verfassung unsere Zustimmung nicht verweigern. Es finden sich in der Verfassung einige Punkte wieder, die meine Fraktion und ich durchaus begrüßen:

In dem digitalen Zeitalter, in dem wir leben, ist es folgerichtig, die Verfassung um die digitale Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zu erweitern. In Zeiten von E-Mail und Internet muss jeder Bürger das Recht haben, den Austausch mit Behörden und Gerichten auch elektronisch zu führen. „Niemand darf wegen der Art des Zugangs benachteiligt werden“ – so steht es im Verfassungsentwurf. Und das begrüßen wir ausdrücklich!

Mit den vielen neuen Möglichkeiten, die die digitalen Medien unserer Gesellschaft eröffnet haben, kamen aber auch negative Begleiterscheinungen  – gerade mit Blick auf die Privatsphäre. Diese zu schützen, ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Darum ist es richtig, mit Artikel 15 die digitale Privatsphäre unter den besonderen Schutz der Landesverfassung zu stellen.

Auch die Aufnahme der Inklusion in die Landesverfassung ist ein wichtiges Signal:  Wir setzen uns für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und ihre gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ein. Das ist im übrigen nicht nur ein Auftrag für das Land, sondern für die ganze Gesellschaft.

Immer wieder haben wir in diesem Landtag über den Abbau von Bürokratie diskutiert.

Weil wir uns als CDU immer dafür eingesetzt haben, Bürokratie auf  das Nötigste zu reduzieren, freue ich mich, dass dieser Grundsatz nun auch fest in die Verfassung Einzug halten soll: Die Verwaltung muss bürgernah, effizient und wirtschaftlich gestaltet werden. Das sorgt für Transparenz und spart unnötige Kosten.

Und auch das Bekenntnis zur Zusammenarbeit der norddeutschen Länder sowie zur grenzüberschreitenden Partnerschaft der Regionen ist für Schleswig-Holstein mehr als eine Selbstverständlich. Deswegen war uns auch dieser Punkt wichtig.

Auch der besonderen Rolle Schleswig-Holsteins in der Minderheitenpolitik wird mit dieser Landesverfassung Rechnung getragen: Nicht nur die kulturelle und sprachliche Vielfalt wurden aufgenommen, sondern auch die Gleichstellung der Schulen der dänischen Minderheit . Das ist nach den Bonn-Kopenhagener Erklärungen ein wichtiger Meilenstein in der Politik diese Landes.

Die CDU sagt auch explizit ja zu der Öffnung des Petitionsausschusses!  Es ist richtig, dass der Petitionsausschuss zukünftig mehr in der Öffentlichkeit arbeiten kann und seine Sitzungen öffentlich abhalten darf. Sofern keine persönlichen und schützenswerten Interessen dem entgegenstehen!

Und eine weitere wesentliche positive Neuerung in der Landesverfassung sehe ich in Artikel 30. Bei Streitigkeiten zwischen Bund und Land, die legislative Rechte berühren, wird die Landesregierung verpflichtet, die Interessen des Landes auch juristisch zu vertreten und Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Dies stärkt die Rechte des Parlaments und festigt seine Stellung im Verfassungsgefüge.

Eine Stärkung des Parlamentes bringt auch der neue Artikel 62: Nicht allein die Landesregierung kann Nachtragshaushalte einbringen. Zukünftig kann auch aus dem Landtag heraus ein Nachtragshaushalt vorgelegt werden.

Trotz der positiven Punkte, die ich genannt habe – ein Ergebnis der Verhandlungen bereitet mir aber besondere Bauchschmerzen. Und das ist die Absenkung der Quoren bei Volksentscheiden. Das Ja von 15 Prozent aller Wahlberechtigten soll künftig ausreichen, um ein Gesetz zu ändern. Statt 560.000 Ja-Stimmen – wie bislang – sollen künftig etwas mehr als 300.000 ausreichen. Mit anderen Worten:
Im Falle einer sehr geringen Wahlbeteiligung soll der Wille von etwas mehr als 300.000 Menschen für alle Schleswig-Holsteiner gelten.

Nicht nur die repräsentative, auch die direkte Demokratie verlangt Legitimation. Ich bezweifle, dass 15 Prozent aller Wahlberechtigten ausreichen, um eine Gesetzesänderung zu legitimieren! Leider nicht in die Verfassung aufgenommen wird das Ehrenamt als Staatsziel. Wir als Union hätten uns sehr gewünscht, dass die Bedeutung des Ehrenamtes als Grundlage der aktiven Zivilgesellschaft sich auch in unserer Verfassung entsprechend wiederfinden würde.

Gleiches gilt für die Themen „Wirtschaft und Arbeit“. Mittelstand und Handwerk und die dort arbeitenden Menschen sind eine wichtige Grundlage unserer Gesellschaft in Schleswig-Holstein. Vor diesem Hintergrund hätten wir als Union auch hier eine Aufnahme in die Verfassung begrüßt und ich werbe weiterhin dafür!

Der Verfassungsentwurf enthält trotz dieser Bedenken eine Reihe von Punkten, die wir als CDU uneingeschränkt begrüßen. Weil sie eine tatsächliche Bereicherung für unsere Verfassung sind und wir auch eine Notwendigkeit für ihre Aufnahme sehen.

Die CDU sagt Ja zu dieser modernen Verfassung für Schleswig-Holstein .