Katja Rathje-Hoffmann zu TOP 26: SPD, Grüne und SSW tun in Schleswig-Holstein genau das, was sie heute kritisieren
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. GG Artikel 3, Absatz 1.
In keinem anderen europäischen Land ist laut OECD-Statistik das Lohn- und Gehaltsgefälle zwischen Männern und Frauen so groß wie in Deutschland. In der Bundesrepublik ist der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen um 22 Prozent geringer als der von Männern. Dieses stellt das Statistische Bundesamt seit Jahren wiederholt fest. In Zahlen heißt das: Frauen erhalten pro Stunde im Schnitt 15,83 Euro brutto, Männer erhalten dagegen 20,20 Euro.
Die Differenz von 22 Prozent bedeutet in Euro und Cent: 4,37 Euro weniger für jede Arbeitsstunde einer Frau. Umgerechnet auf das Arbeitsjahr bedeutet das, dass Frauen im Jahr 2015 bis zum 20. März umsonst arbeiten müssen, um das gleiche Entgelt zu erzielen wie die Männer am 31.12. des Vorjahres. Da lohnt es sich doch, diese Lohndifferenz genauer zu betrachten.
Das renommierte Hamburger Weltwirtschaftsinstitut begründet einen Abzug von 15 Prozentpunkten von den besagten 22 Prozent damit, dass sich aus monetärer Sicht Frauen viel zu häufig für einen sehr ehrenhaften, aber eher dürftig bezahlten Sozialberuf entscheiden. Typische Frauentätigkeiten werden schlechter bewertet.
Eigentlich sollte man an dieser Stelle erwarten, dass sich die Landesregierung diesem Prinzip nicht anschließt – wollen die regierungstragenden Fraktionen doch, dass die Landesregierung mit gutem Beispiel vorangeht. Doch stattdessen wird eine „typische Frauentätigkeit“ – ja, das ist die Grundschullehrerin mit 90 Prozent weiblichen Lehrkräften in Schleswig-Holstein immer noch – schlechter bezahlt. Sie wird faktisch schlechter gestellt!
Und das ist von dieser Landesregierung bewusst so gewollt!
Künftig erhalten alle Gemeinschaftsschul- und Gymnasiallehrkräfte eine Besoldung nach A13, während die Grundschullehrerinnen weiterhin nur eine Besoldung nach A12 erhalten. Dabei sind die Ausbildungszeiten und die Abschlüsse inzwischen gleich. Wie mit dieser Ungleichbehandlung jetzt auch noch mehr männliche Lehrer in die Grundschule geholt werden sollen, das bleibt mir ein Rätsel!
Ich kann nicht einerseits von anderen Entgeltgleichheit fordern und andererseits genau das Gegenteil tun.
Mit der ungleichen Besoldung der Lehrkräfte tun sie aber genau das, was sie in ihrem Antrag kritisieren. Sie wollen dieser Ungleichbehandlung „mit allen Mittel“ entgegentreten. Hier ist Potenzial dazu. Es geht um ungefähr 400 Euro pro Lehrerin pro Monat. Dass frauendominierte Tätigkeiten in sozialen Bereichen niedriger eingruppiert sind als in technischen Bereichen, das führt uns auch der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung klar vor Augen. Zudem wird ein großer Teil der Frauenarbeitsplätze nicht von Tarifverträgen erreicht.
Geschlechterunterschiede haben bei der Berufswahl eine Tradition – das mag man schlecht finden – es ist aber einfach noch so. Die Berufswahl ist noch jeder oder jedem selbst überlassen. Während Männer häufig in technischen oder naturwissenschaftlichen Berufen beschäftigt sind, fällt die Berufswahl bei Frauen oft in den Bereich der Pflege, Sorge, Gesundheit und Bildung.
Zudem spielt die Teilzeitbeschäftigung bei Frauen, die sich auch immer noch in erster Linie mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auseinandersetzen müssen, eine immer noch viel größere Rolle. Die Teilzeitquote bei Männern liegt bei gerade mal 10 Prozent und bei den Frauen liegt sie bei 46 Prozent (Daten von 2013). Hier brauchen wir ein Rückkehrrecht nach befristeter Teilzeitarbeit zur früheren Arbeitszeit. Zudem muss der berufliche Wiedereinstieg gefördert werden. Nach der Bereinigung des 22 prozentigen Lohnunterschieds durch nicht vergleichbare Faktoren, bleibt es bei einer Lohndifferenz von circa 7 Prozent.
Und auch das ist nicht zu akzeptieren.
Eine weitere Ursache für diese Entgeltungleichheit, neben den geringer bezahlten Berufsfeldern, sind die nicht ausreichenden Strukturen und fehlende Strukturveränderungen für Frauen. An erster Stelle steht hier immer noch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir stellen fest, dass der Bedarf an Ganztagsbetreuung im Bereich der Krippen-, der Elementarkinderbetreuung und auch bei der Betreuung von Schulkindern permanent steigt und immer wichtiger wird.
Vorreiter sind hier die Städte und der urbane Bereich. Wir wissen aber auch, dass diese Bedarfssteigerungen etwas zeitverzögert auch im eher ländlichen Bereich so eintreten wird.
Die Erwerbsquote von Frauen steigt kontinuierlich – und das ist auch gut so. Eine verlässliche Kinderbetreuung ist das A und O für die Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern. In den allermeisten Fällen kommt diese positive Betreuungsentwicklung den Frauen zugute. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass wir alle den Karrierekiller Nr. 1 kennen: Die Elternzeit – die zumeist von Frauen in Anspruch genommen wird.
Seit der Einführung des Elterngeldes lässt sich nun zudem aber auch erkennen, dass dieser Karriereknick auch Männer befällt, die länger als zwei Monate ihr Kleinkind innerhalb der Elternzeit betreuen.
Ab einer dreimonatigen Elternzeit bei Vätern, so hat es die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden, kommt es auch bei Vätern zu Ansehens- und Einkommensverlusten und zudem zu schlechteren Aufstiegschancen. Jahrelang bekannte und große Probleme von Frauen treffen nun auch auf die Männer.
Hinzu kommt noch ein weiterer struktureller Faktor, der sich negativ auf die Bezahlung auswirkt: Es ist die Bewertung und die Wertung von Berufsfeldern. Wir brauchen mehr denn je eine geschlechtergerechtere Berufswahl. Hier müssen wir, parallel zu den weiteren Maßnahmen zur Entgeltgleichheit, auch dazu beitragen, die traditionelle Berufswahl von jungen Frauen und Männern zu verändern.
Hierzu sind neben den Eltern auch vor allem die Schulen und die Berufs- und Studienberatungen gefordert, neue Wege zu gehen. Zudem muss auch hier vorher offen und ehrlich über die anstehenden Verdienstmöglichkeiten geredet und informiert werden.
Die Initiative, Mädchen für MINT Berufe zu begeistern und zu gewinnen, braucht eine viel deutlichere und wirkungsvollere Unterstützung und Werbung. Noch immer sind die traditionellen Berufsziele in Deutschland viel ausgeprägter als bei unseren europäischen Nachbarn.
Lassen wir uns nicht täuschen, auch ein bereinigter Einkommensunterschied von 7 Prozent lässt sich nicht über Jahre wegdiskutieren, sondern dieser muss wirkungsvoll beseitigt werden.
Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und der SPD gibt hierzu ganz klare Vorgaben und Absichten. Bei der auf Bundesebene angekündigten Gesetzesinitiative muss die Tarifautonomie unangetastet bleiben und der mögliche bürokratische Aufwand zur Durchführung der gerechten Entlohnung darf nicht zu einem überbordenden Bürokratismus à la Mindestlohngesetz nebst Dokumentationspflicht werden. Negative Erfahrungen aus anderen Gesetzen müssen von vorne herein verhindert und unterbunden werden.
Nun, wie soll das aussehen?
Die Personalabteilungen von Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, davon haben wir in Schleswig-Holstein genau 100 Stück, werden verpflichtet, Übersichten über die Gehälter im Unternehmen zu erstellen und Qualifizierungsmerkmale besser vergleichbar zu machen. Das heißt aber nicht, dass jetzt jeder das Recht hat, zu erfahren, was der Kollege oder die Kollegin von nebenan exakt verdient. Ich glaube, dass wir mit diesem Augenmaß an Offenheit erfolgreich sein werden.
Vorreiter hier sollte hier der Öffentliche Dienst mit seiner nachvollziehbaren und transparenten Vergütungsstruktur sein. Bestehende Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern gefährden den sozialen Frieden. 99 Prozent der Frauen und 97 Prozent der Männer fordern von einer chancengerechten Politik: Frauen sollen für gleiche oder gleichwertige Arbeit auch den gleichen Lohn wie Männer bekommen.