Kenia: Der lange Weg zurück zur Normalität
Nach dem Massaker an zumeist christlichen Studenten im kenianischen Garissa am vergangenen Gründonnerstag haben Open Doors Mitarbeiter Eltern einiger Opfer besucht und mit lokalen Kirchenleitern gesprochen. Sie geben Einblicke in die menschliche Tragweite des schrecklichen Geschehens. Einige Angehörige ringen um Hoffnung, andere sprechen den Tätern Vergebung zu.
Enorme Belastungen für die Hinterbliebenen
Die Anspannung nach dem grausamen Ereignis ist in Garissa noch deutlich zu spüren. Für die Nachtstunden ist eine Ausgangssperre über die Stadt verhängt worden. Am Ostersonntag nahmen einige der angereisten Open Doors Mitarbeiter an Ostergottesdiensten teil, die trotz der Androhung weiterer Gewalttaten abgehalten wurden. Die blieben Gott sei Dank aus. Andere besuchten Verletzte in den Krankenhäusern, um sie zu trösten und mit ihnen zu beten. In einem Leichenschauhaus trafen sie auf Eltern, die, von Angehörigen unterstützt, auf der Suche nach ihren vermissten Kindern waren.
Der Prozess der Identifizierung stellt die Angehörigen vor eine emotionale Zerreißprobe: Manche der Toten sind aufgrund ihrer Verletzungen praktisch unkenntlich, die enorme Hitze tut das ihrige dazu. Die Eltern eines vermissten jungen Mannes suchten bereits seit drei Tagen nach ihrem Sohn. Sein Onkel sagte: „Mir fehlen die Worte. Diese Suche nach ihm unter all den anderen Opfern ist eine seelische Tortur. Möge Gott uns helfen, ihn zu finden.“
Christen als Hoffnungsträger
Die kenianische Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer verhängt. Es wird befürchtet, dass der Anschlag den Rückzug der Christen aus Kenias Nordosten weiter beschleunigen wird. Sheik Omar Abdi Satar, islamischer Leiter des überkonfessionellen Gesprächsforums von Garissa, sieht die Entwicklung mit großer Sorge, wie er der Zeitung „Christian Science Monitor“ sagte: „Die Christen treiben die Entwicklung dieser Stadt voran. Sie bauen unsere Straßen, bilden unsere Kinder aus, kümmern sich um die Infrastruktur – wir können ohne sie nicht überleben. Das ist die schlichte Wahrheit.“
Einige der getöteten Studenten waren für ihre Familien oder sogar ganze Dorfgemeinschaften große Hoffnungsträger, denen man zutraute, mit Hilfe einer guten Ausbildung viel zur Entwicklung ihrer Kommune beizutragen. Solche Hoffnungen hatte auch John Wanyonyi Okodoi in seinen Sohn gesetzt, den er am Gründonnerstag verlor: „Von klein auf habe ich viel in mein Kind investiert, weil er so ein helles Köpfchen war. Ich habe sogar seine Brüder zurückgesetzt und ihnen gesagt: ‚Lasst ihn gehen, damit er uns später helfen kann‘. Heute sieht unsere Zukunft düster aus.“
Auch Evelyn Wakholis 18-jährige Tochter Milly Yonbo starb bei dem Angriff. Sie meint im Blick auf die Angreifer: „Die Bibel hält uns davor zurück, andere zu richten.“ Milly’s Tante Josephine Shiyuka betont: „Mein christlicher Glaube gebietet mir, den Mördern zu vergeben. Jesus selbst hat denen vergeben, die ihn ans Kreuz nagelten. Wenn die Mörder oder ihre Helfer noch leben, bleibt ihnen immer noch Zeit, sich zu ändern.“ Ähnlich äußerte sich Kardinal John Njue, Erzbischof von Garissa, der Hinterbliebene besuchte, ihnen Mut zusprach und gleichzeitig zum Gebet für die Täter aufrief. Wie schon bei vergangenen Mordanschlägen töteten die Angreifer gezielt christliche Studentinnen und Studenten, während Muslime verschont wurden.
Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors wird Kenia aktuell an 19. Stelle unter den Ländern geführt, in denen Christen um ihres Glaubens willen verfolgt werden.
Quellen: Open Doors, AP, CSM