Menschlich gesehen

Känguru-napping im Tierpark Gettorf

ZweiTammars
Eine sensationelle Entdeckung machte am letzten Freitag die Betreuerin der Kängurus, Silke Plagmann, als sie die Anlage der australischen Hüpfer betrat. Denn während die Kängurus wohlig blinzelnd in der Sonne saßen und eins nach dem anderen auch die Jungtiere ihre Köpfe aus den Beuteln steckten, wühlte sich bei einem der Tammar-Wallabies erst ein Kopf aus der mütterlichen Beuteltasche und kurz darauf erschien ein weiterer, etwas kleinerer und noch deutlich weniger behaarter zweiter Kopf in der Beutelöffnung.Nun sind Zwillingsgeburten bei Kängurus bekanntermaßen extrem selten. So sorgte eine Zwillingsgeburt im Pariser Zoo vor 5 Jahren international für Schlagzeilen. In Gettorf liegt der Fall allerdings noch ein wenig anders und fast noch unglaublicher. Die Biologin Plagmann, die bei den Kängurus täglich zweimal die Fütterung zusammen mit Besuchern durchführt und ihre Tiere daher immer gut im Blick hat, erinnerte sich nämlich, noch im Februar bei 4 der 5 Tammar-Känguru-Weibchen eine deutlich vergrößerte Beuteltasche gesehen zu haben, die auf ein Jungtier im Inneren hindeutete. Gegen Mitte Februar war die Beuteltasche des jüngsten dieser Weibchen dann plötzlich verdächtig flach, und während bei allen anderen Weibchen schon einmal hier und da ein Kopf zu sehen war, blieb der Beutel des jüngsten Weibchens nun erkennbar leer. Auffällig war allerdings, dass das jüngere, nun kinderlose Weibchen häufig in der Nähe eines der Weibchen mit besonders gut gefülltem Beutel zu sehen war, dessen Nähe es augenscheinlich suchte.

Also vermuten die Mitarbeiter des Tierparks, dass es sich hier um einen Fall von Kindesentführung bzw. Adoption handelt. Das deutlich jünger aussehende Jungtier im doppelt besetzten Beutel ist mit großer Wahrscheinlichkeit das Jungtier des nun schon seit 4 Wochen kinderlosen kleinsten Weibchens, das einfach in einem anderen, allerdings schon besetzten Beutel umgezogen ist. Die verwaiste Mutter suchte also wahrscheinlich gar nicht die Nähe des anderen Weibchens, sondern die ihres „entführten“ Jungtiers.

Beobachtungen der Beuteljungen untermauern diese These. So konnte im Innenstall der Kängurus beobachtet werden, wie Jungtiere nach einem Ausflug aus dem Beutel nicht etwa schnurstracks zur eigenen Mutter zurückhüpfen, sondern vielmehr im Vorbeigehen an jedem sich bietenden Beutel testen, ob das entsprechende Muttertier sie hineinlässt. Normalerweise erkennen die Mütter ihre Kinder und weisen fremde Jungtiere ab, indem sie die Beutelöffnung mit einem Muskel verschließen.

Warum dies im Falle des „Adoptiv-Kindes“ nicht auch geschehen ist, ist den Mitarbeitern ein Rätsel. Vielleicht hat das fremde Kind sich gleichzeitig mit dem eigenen Kind in den Beutel gedrängt, als die Mutter einen Moment unaufmerksam war. Erstaunlich ist allerdings die Tatsache, dass anscheinend weder Kind noch echte Mutter in der Lage waren, diesen Fehler rückgängig zu machen. Noch aufsehenerregender ist aber die Tatsache, dass das fremde Kind von der neuen Mutter adoptiert wurde, also auf Kosten des eigenen Kindes (das ja nun viel weniger Milch zur Verfügung hat) nun schon über Wochen mit groß gezogen wird. Dies passiert gerade bei herdenlebenden Tieren nur ganz selten, hier werden fremde Kinder meist von der Milchzitze verstoßen. Allerdings hat das kleine Findelkind nach 4 Wochen wahrscheinlich auch schon längst den vertrauten Geruch seiner Pflegemutter angenommen, die es daher mittlerweile tatsächlich als ihr eigenes ansieht.

Und da die beiden ungleichen Zwillinge mittlerweile recht groß geworden sind und immer häufiger den Kopf aus dem Beutel stecken werden, besteht gute Chance, die „Patchwork-Familie“ bei einem Besuch auf der Känguruwiese in Gettorf komplett zu Gesicht zu bekommen.

Der Tierpark ist täglich von 9-18 Uhr geöffnet, im Winter von 10 Uhr bis zum Dunkelwerden. Hunde dürfen leider nicht mit in den Tierpark. Kostenlose Parkplätze sind auf dem Gelände vorhanden.

Eintritt:
¤ 7,– für Erwachsene
¤ 4,– für Kinder (2-13 Jahre)

Tierpark Gettorf, Süderstr. 33, 24214 Gettorf, Tel:04346-41600
e-mail: info@tierparkgettorf.de, internet: www.tierparkgettorf.de