Kultur-Streit in Timmendorfer Strand: Künstler fordern Rücktritt von Kulturausschuss-Vorsitzenden Joachim Nickel
Diese Aussagen haben die Timmendorfer Künstler Peter Strothmann, Jörn Langbehn, Andreas Wallbruch, René Kleinschmidt und Dietrich Fritz, Vorsitzender vom Shanty-Chor Timmendorfer Strand, kurz nach der Sitzung zum Anlass genommen, zu einem Pressegespräch einzuladen. Peter Strothmann sagte dazu gegenüber der Presse: “Irgendwann ist auch einmal genug, denn zu solchen Äußerungen ist es schon zuvor gekommen, als u.a. auch die Namen der Kollegen Langbehn und Wallbruch fielen. Grundsätzlich geht es um den Begriff Kultur! Was ist Kultur? Shantys zum Beispiel gehören mit Sicherheit zur deutschen Kultur, wird hier doch Liedgut gepflegt, dem sich der deutsche Sängerbund in seinen Satzungen verpflichtet hat. Und unser Shanty-Chor ist Mitglied dieses Bundes.” Dies bestätigte auch Dietrich Fritz als Vorsitzender des örtlichen Chores. Strothmann weiter: “Plattdeutsch z.B. ist auch deutsches Kulturgut und wird inzwischen sogar wieder an Schulen unterrichtet, damit es nicht in Vergessenheit gerät und eben auch, weil es wichtiges Kulturgut ist, das nicht verloren gehen sollte. Und viele Shantys haben plattdeutsche Texte.”
Um die Frage, was Kultur ist, zu beantworten, zitierte Peter Strothmann als Redensführer der anwesenden Künstler die Bedeutung von Kultur, wie sie in der Enzyklopädie „Wikipedia” zu finden ist. Dort steht: “Kultur ist im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik oder der Bildenden Kunst, aber auch geistige Gebilde wie etwa Recht, Moral, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft.“
Peter Strothmann erklärte: „Jeder, der von Herrn Nickel namentlich genannten und hier anwesenden Künstler ist also folglich in Sachen Kultur unterwegs, denn hier wird zum Teil vorhandenes oder eigenes selbst gestaltet hervorgebracht, ob ich also nun moderiere, singe, male oder was auch immer.“
Dies trifft auch auf den „Tanztee mit René an der See“ zu, den Musikmoderator René Kleinschmidt 2012 bereits im vierten Jahr erfolgreich im Hotel Atlantic in Niendorf/Ostsee durchführt. „Und diese Veranstaltung wird noch nicht einmal aus den zur Verfügung gestellten Mitteln der Kulturzeit finanziert,“ weiß René Kleinschmidt und meint, dass Herr Nickel sich da wohl etwas schlecht informiert hat und vorher überlegen sollte, was er öffentlich kundgibt. „Und Tanz ist definitiv und schon lange Kultur – in allen Ländern dieser Welt.“
Peter Strothmann macht es etwas deutlicher: „Ich selbst fühle mich und mein Schaffen beleidigt, denn Kulturdarbietungen – wie eben von mir geschildert und die von mir und meinen anwesenden Kollegen dargeboten werden – verlangen von den darbietenden Künstlern auch Können, denn Kunst kommt von Können.“
Dazu zählen neben den Auftritten des Shanty-Chores und den Tanztee-Veranstaltungen von DJ René auch Musical-Darbietungen von Andreas Wallbruch sowie das maritime Musikprogramm von „Holsteiner Allerlei“, das von Peter Strothmann, Jörn Langbehn und Andreas Wallbruch gemeinsam präsentiert wird.
Peter Strothmann ergänzt: „Es wäre doch traurig, wenn wegen Aussagen und Meinungen eines Joachim Nickel unsere Konzerte hier im Ort ausfallen müssten, obwohl sie immer sehr gut angenommen und gerade von Urlaubern besucht werden.“
Die Timmendorfer Künstler sind bisher auch immer bereit gewesen bei karitativen Veranstaltungen ohne Gage aufzutreten. „Das machen wir gerne, aber man muss uns auch leben lassen,“ so der Entertainer und Teufelsgeiger. „Man kann sicher sagen, dass, was der eine oder andere Künstler macht, gefällt mir persönlich nicht, denn über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber das ist auch alles. Einen Stab zu brechen über Menschen, die ehrlichen Herzens kulturell tätig sind, ist schlichtweg eine Frechheit.“ Und zum Ende seiner Ausführungen wird Peter Strothmann, der auch im Namen seiner Kollegen spricht, sehr deutlich: „Ich bin persönlich der Meinung, dass so eine Person mit diesem verwirrten Blick auf Kunst und Kultur auf keinen Fall einem Kulturausschuss vorsitzen dürfte! Herr Nickel, treten Sie zurück!“
Die regionalen Künstler sind geschlossen der Meinung, dass Joachim Nickel mit seinen gemachten Aussagen und Ansichten der Kultur in der Gemeinde mehr schädigt als fördert. René Kleinschmidt betont, dass es nicht nur darum geht, dass der Kulturausschuss-Vorsitzende die einheimischen Künstler beleidigt hat und ihre Arbeit nicht genügend honoriert, sondern es geht auch um den Erhalt der Veranstaltungen in der Gemeinde Timmendorfer Strand – zum Wohl und zur Unterhaltung der zahlreichen Urlaubsgäste.
Joachim Nickel antworte darauf mit einem Katalog von Gegenfragen, ohne eine konkrete Antwort auf Kleinschmidts Frage zu geben. Diese lautete: „Meine Tätigkeit als Discjockey und Musikmoderator in der Gemeinde Timmendorfer Strand wird nicht aus den Mitteln der „Kulturzeit“ honoriert (Um diese Geldmittel geht es u.a. bei dem Streit, Anmerkung der Redaktion). Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen und warum Sie dies fälschlicherweise auch noch öffentlich verbreiten?“ In seiner Antwort auf Kleinschmidts Mail schreibt Joachim Nickel u.a. „Wie kommen Sie zu der Annahme, ich hätte Sie persönlich in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses AKBS angegriffen? (…) Sie waren nicht dabei.“
Inzwischen liegen aber bereits zwei Stellungnahmen von Gemeindevertretern und Ausschussmitgliedern vor, die anwesend waren und die Vorwürfe der regionalen Künstler bestätigen.
Ulrich Herrmann von der FDP Timmendorfer Strand sagt, dass Nickel nicht länger als Vorsitzender eines „Kulturausschusses“ tragbar ist.
In seiner Stellungnahme vom 24. Februar schreibt Herrmann:
„Obwohl mit der Verwaltung und Herrn Jaletzke (Geschäftsführer der TSNT GmbH, Anm. d. Red.) und Herrn Nickel vorab vereinbart war, den TOP „Kulturzeit“ auf der nächsten Sitzung zu behandeln, verlas Herr Nickel dennoch im Kulturausschuss zum Thema „Kulturzeit“ eine von ihm selbst verfertigte Liste von Veranstaltungen mit ihren Kosten, die sich beim Nachprüfen als fehlerhaft erwies. Außerdem mokierte er sich über die Abwesenheit von Herrn Jaletzke.
Mit den Beispielen aus seiner Liste stellte er dar, dass solche Veranstaltungen wohl besser nicht aus den Mitteln der „Kulturzeit“ bestritten werden sollten. Oder man müsse grundsätzlich über den Begriff „Kultur“ diskutieren.
Dieses Vorgehen ist eine persönliche Kampagne von Herrn Nickel gegen Herrn Jaletzke und schadet dem Ansehen unserer lokalen Künstler enorm. Diese fühlen sich zu recht diskriminiert. Sie müssen zu der Einsicht kommen, dass ihre Veranstaltungen sich nicht mit dem Begriff von „Kultur“ im Sinne von Herrn Nickel vereinbaren lassen und folglich auch nicht aus den Zentralitätsmitteln der „Kulturzeit“ bezahlt werden sollen.
Solche unqualifizierten Äußerungen über „Kultur“ und regionale Künstler machen deutlich, dass Herr Nickel nicht länger als Vorsitzender eines „Kulturausschusses“ tragbar ist. Er muss schleunigst abtreten! Oder will er uns etwa ein Wulff-Spektakel im Kleinen liefern?“
Zum Schluß zitiert Ulrich Herrmann den Ausschussvorsitzenden Joachim Nickel: „Gesagt habe ich lediglich, dass der Ausschuss darauf achten muss, die von der Gemeinde ausschließlich für das Format „Kulturzeit“ bereit gestellten Steuergelder von ca. 41.000,- € auch dafür verwandt werden sollen.“
Am 27. Februar äußerte sich auch Dieter Boeden, Ausschussmitglied und Timmendorfer CDU-Fraktionsvorsitzender, gemäß seinen Aufzeichnungen als Teilnehmer der Sitzung zu dem Thema:
„Herr Nickel hat unter Verschiedenes der Kultur und Bildung Sitzung ohne zunächst erkennbaren und nachvollziehbarem Grund moniert, dass die Kulturzeit in dieser Sitzung nicht von der TSNT vorgestellt wird und bei Recherchen dabei herausgefunden haben will, dass dafür lediglich 28.000,- € aufgewendet wurden. Wobei noch fraglich ist, ob lokale Künstler wie der Teufelsgeiger (Peter Strothmann), der Shanty-Chor und Herr René Kleinschmidt (er zählte hierzu auch die Anzahl der Auftritte vor) zu unserem Anspruch von Kultur zählen und dafür namhafte Summen ausgegeben werden.
Er halte es für unerträglich, dass weder Herr Jaletzke noch Frau Lender (Veranstaltungsleiterin der TSNT-GmbH, Anm. d. Red.) oder Frau Szymoniak (Marketingleiterin der TSNT-GmbH, Anm. d. Red.),die sich (rechtzeitig) wegen anderer Termine abgemeldet hatten, obwohl sie von diesem Termin gewusst hätten, nicht erschienen sind. Er hätte noch viele Fragen gehabt.
Herr Herrmann hat sich inhaltlich dazu geäußert, das ein Geschäftsführer einer Wirtschaftsgesellschaft seine Termine wohl vorrangig seinem Auftrag zu widmen hat, die möglicherweise so gebunden sind, dass sie nicht wiederholbar sind und damit eine Verschiebung auch begründet ist.
Meine Stellungnahme beinhaltete die negative Wertung darüber was oder wer sich jetzt darüber erheben will, was und für wen welche Kultur richtig ist. Ich bin dafür, dass jeder für seine Kultur zuständig ist.
Fakt ist auch eindeutig, dass zu den Veranstaltungen unserer einheimischen Künstler deutlich mehr Besucher kommen, wie zu den eher kärglichen Besuchszahlen bei den sogenannten Prominenten – Künstlern.
Von der TSNT verlangen die Dorfpolitiker auch neben dem sorgsamen Umgang mit den Ausgaben auch wirtschaftlich sinnvolle Einnahmen und unser Gast entscheidet darüber was ihm gefällt und was gefragt ist.
Ich werde auch sehr darauf achten, dass dieses inhaltlich in der Niederschrift so zum Ausdruck kommt.
Persönlich kann ich Herrn Nickel – und ich glaube nicht, dass hier die Grünen dahinter stehen – nur so verstehen, dass er die hervorragende Arbeit der TSNT weiterhin behindern will, um seine erkennbaren anderen Wertungen und Interessen nicht ausreichend gewürdigt sieht.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Boeden
CDU – Fraktionsvorsitzender“
Ob Joachim Nickel sich nun erneut zu Wort meldet und wiederholt versucht, sich rauszureden, oder sogar seinen Rücktritt als Ausschussvorsitzender erklärt (er ist vor zwei Jahren schon einmal zurückgetreten, Anm. d. Red.), bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall bestätigen die Aussagen von Boeden und Herrmann, dass Strothmann, Kleinschmidt & Co. sehr wohl von Nickel namentlich erwähnt wurden. (Text: TiNi24.de/R.K./Foto: Gehrke/der reporter)