Landesregierung bringt klare Forderungen für den EU-Haushalt ab 2028 auf den Weg
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat einen umfassenden Forderungskatalog zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union ab 2028 am Dienstag im Kabinett verabschiedet. Er steht unter dem Motto „Europa nach innen und außen stärken – Gemeinsam für einen zukunftsweisenden EU-Haushalt“.
Ministerpräsident Daniel Günther sagte dazu: „Zum Start der neuen Bundesregierung setzt das Land klare politische Prioritäten für eine handlungsfähige und bürgernahe Europäische Union. Mit seinen historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Verflechtungen im Nord- und Ostseeraum steht Schleswig-Holstein exemplarisch für die Vorteile eines geeinten Europas. Die europäische Friedens-, Wirtschafts- und Wertegemeinschaft steht jedoch aktuell in mehrfacher Hinsicht unter Druck. Vor diesem Hintergrund setzt sich unsere Landesregierung für einen EU-Haushalt ein, der den inneren Zusammenhalt stärkt, die strategische Souveränität ermöglicht und flexibel auf neue Herausforderungen reagieren kann.“
Europaminister Werner Schwarz ergänzte: „Europa entfaltet seine volle Wirkung nur mit starker regionaler Beteiligung. Das gilt insbesondere für den ländlichen Raum, der durch eine verlässliche Unterstützung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und regionaler Förderprogramme gestärkt werden muss. Mit unserem Forderungskatalog senden wir als nördlichstes Bundesland mit einer deutlichen europäischen Ausrichtung ein klares Signal nach Brüssel, dass wir eine EU brauchen, die sowohl die Regionen stärkt als auch auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet ist.“
Aus Sicht der Landesregierung sollte der künftige MFR vor allem drei zentrale Ziele verfolgen: den inneren Zusammenhalt der Union stärken, ihre strategische Souveränität fördern und die Flexibilität des EU-Haushalts deutlich erhöhen.
Zentrale Forderungen aus Schleswig-Holstein sind:
- Inneren Zusammenhalt sichern:
Regionen wie Schleswig-Holstein sind zentrale Akteure für die europäische Integration, da sie nicht nur die Akzeptanz der EU stärken, sondern über zahlreiche Politikfelder aktiv zum Zusammenhalt beitragen – ihre direkte Beteiligung an EU-Förderprogrammen muss daher auch künftig gesichert sein. Zudem spricht sich die Landesregierung klar für eine Fortführung der Rechtsstaatskonditionalität aus, um Demokratie und Rechtsgemeinschaft innerhalb der EU weiterhin wirksam zu schützen.
- Dezentralen Ansatz der Kohäsionspolitik erhalten:
Die Landesregierung lehnt eine Zentralisierung der Kohäsionspolitik ab und betont, dass Verantwortung und Umsetzung weiterhin in den Händen der Regionen liegen müssen. Für eine wirksame Förderung fordert sie eine ausreichende Mittelausstattung inklusive Inflationsausgleich, höhere EU-Kofinanzierungssätze und deutlich vereinfachte, harmonisierte Regularien zur Entlastung der Antragsteller.
- Grenzüberschreitende und transnationale Zusammenarbeit fortschreiben:
Die Landesregierung sieht in der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit (Interreg) ein bewährtes Instrument zur Lösung grenzüberschreitender Herausforderungen und fordert daher eine finanzielle Ausstattung mindestens auf heutigem Niveau zuzüglich Inflationsausgleich. An der dezentralen Programmumsetzung soll festgehalten werden. Insbesondere die Förderung von Bürger- und Kleinprojekten hat sich bewährt, da sie europäische Integration für die Menschen vor Ort erlebbar machen.
- EU-Ostseestrategie als wichtiges Werkzeug der Zusammenarbeit:
Die transnationale Ostseekooperation ist ein zentraler Pfeiler der Europapolitik Schleswig-Holsteins. Sie ist insbesondere angesichts der aktuellen geopolitischen Lage wichtiger denn je und wird durch die EU-Ostseestrategie sowie Interreg-Projekte aktiv vorangetrieben. Für Themen wie Umweltschutz und Biodiversität, Mobilität, Resilienz und die Beseitigung von Munitionsaltlasten fordert die Landesregierung den Erhalt der Europäische territoriale Zusammenarbeit (ETZ) mindestens auf heutigem Niveau.
- Wettbewerbsfähigkeit stärken:
Aus Sicht der Landesregierung gehen die Überlegungen der Europäischen Kommission zur Einrichtung eines Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich in die richtige Richtung. Die in den Regionen in geteilter Mittelverwaltung durchgeführten Förderprogramme dürfen dadurch jedoch nicht ersetzt werden. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel dürfen nicht reduziert werden. Um Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, fordert die Landesregierung die Zugänglichkeit zu EU-Mitteln für Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Kommunen und Bildungseinrichtungen zu verbessern – durch Bürokratieabbau und vereinfachte Antragsverfahren. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bedarf es darüber hinaus entsprechender Rahmenbedingungen für die Gewinnung und Sicherung von Arbeits- und Fachkräften. Der künftige MFR muss daher weiterhin auskömmliche finanzielle Mittel für Bildung und Qualifizierung, Beschäftigung sowie soziale Teilhabe bereitstellen, damit alle Potentiale genutzt werden können.
- Ambitionierte Förderung von Forschung und Innovation:
Die Landesregierung fordert ein eigenständiges, ausreichend ausgestattetes EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, um gezielte und planbare Investitionen in diesen Zukunftsbereich sicherzustellen. Dabei sollen bewährte Förderformate erhalten bleiben und sowohl Grundlagenforschung als auch strategische Forschung zu Zukunftstechnologien gefördert werden – mit dem Ziel, den EU-weiten Anteil am Bruttoinlandsprodukt für Forschung auf drei Prozent zu steigern.
- Digitale Souveränität sicherstellen:
Die Landesregierung fordert eine verstärkte europäische Zusammenarbeit im Bereich Künstliche Intelligenz, um die technologische Souveränität der EU zu sichern und die digitale Unabhängigkeit zu fördern. Sie betont die Notwendigkeit einer starken Cybersicherheit, offener Standards und digitalisierter Verwaltungsprozesse, um Europa in der digitalen Welt resilient und effizient zu machen.
- Klare Anreize für einen leistungsfähigen und klimafreundlichen Verkehr:
Die Landesregierung spricht sich für ein eigenständiges, langfristig tragfähiges und finanziell robust ausgestattetes europäisches Verkehrsfinanzierungsinstrument im künftigen MFR aus, das auch klare Anreize für den Ausbau klimafreundlicher Verkehrsträger setzt. Der Fokus muss weiterhin auf dem flächendeckenden Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) liegen – insbesondere entlang der Skandinavien-Mittelmeer-Achse, etwa beim Fehmarnbelt-Korridor. Darüber hinaus ist die gezielte Förderung multimodaler Verkehrsknotenpunkte erforderlich – insbesondere von Häfen mit europäischer Bedeutung wie Kiel, Lübeck und Brunsbüttel.
- Förderung von Bildung und Kultur spürbar verbessern:
Die Landesregierung betont, dass Erasmus+ als Bildungs- und Werteprogramm in Zeiten globaler und europäischer Krisen unverzichtbar ist, und fordert eine spürbare Verbesserung der finanziellen Ausstattung in der kommenden Förderperiode. Zudem spricht sich die Landesregierung für eine stärkere Berücksichtigung von Kunst und Kultur im künftigen MFR aus, da diese entscheidend zum europäischen Zusammenhalt beitragen können.
- Ländliche Entwicklung und Gemeinsame Agrarpolitik erkennbar verankern:
Die Landesregierung betont die Bedeutung des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und kohäsionspolitischer Instrumente für die Entwicklung starker ländlicher Räume und fordert eine stärkere Abstimmung aller relevanten EU-Instrumente sowie eine regionale Programmierung des ELER. Zudem setzt sich die Landesregierung für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ein, die Klimawandelanpassung, Biodiversität, Tierwohl und den Erhalt von Kulturlandschaften fördert und gleichzeitig bürokratische Hürden reduziert.
- Fischereisektor zukunftsfähig machen:
Die Landesregierung fordert eine angemessene Finanzierungskomponente für den Fischereisektor im MFR ab 2028, insbesondere zur Unterstützung des Europäischer Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF), der nachhaltige Investitionen und den Erhalt aquatischer Ressourcen fördert. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Notwendigkeit, den Sektor durch die Modernisierung der Fischereiflotte und die Schaffung von Fördermöglichkeiten für klimaneutrale Anpassungen zukunftsfähig zu machen.
- Umwelt, Klima- und Biodiversitätsschutz müssen eine Priorität bleiben:
Die Landesregierung betont, dass Umwelt-, Klima- und Biodiversitätsschutz auch im nächsten MFR ein zentrales Thema sein müssen, um den Herausforderungen des Klimawandels und der ökologischen Transformation in Schleswig-Holstein zu begegnen. Dies erfordert eine angemessene Mittelausstattung und die Einbindung der Flächennutzenden, insbesondere der Landwirtinnen und Landwirte, lokaler Akteure in einem regionalen, partnerschaftlichen Ansatz, um die EU-Verpflichtungen im Klima- und Naturschutz erfolgreich umzusetzen.
- Ambitionierte Energiepolitik fortsetzen:
Die Landesregierung betont, dass der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) eine zentrale Rolle bei der Förderung von Projekten zur Wärmewende, Energieeffizienz und Wasserstoff-Technologien spielt, um die energiepolitischen Ziele Schleswig-Holsteins zu erreichen. Um diese Ziele nicht zu gefährden, fordert die Landesregierung, dass die Mittel im nächsten MFR nicht reduziert werden und genügend Flexibilität bleibt, um die regionalen Besonderheiten bei der Umsetzung der Energiewende berücksichtigen zu können.
- Der neuen Priorität Sicherheit und Verteidigung gerecht werden:
Die Landesregierung spricht sich für die Stärkung europäischer Verteidigungskapazitäten im kommenden MFR aus, insbesondere durch eine langfristige, europäisch abgestimmte Rüstungsstrategie und die Förderung einer wettbewerbsfähigen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Als wichtiger Standort für wehrtechnische Industrie und unter Verweis auf die aktuelle Sicherheitslage im Ostseeraum unterstützt Schleswig-Holstein Initiativen wie das Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP), und fordert eine Verstetigung finanzieller Instrumente, um die maritime Sicherheit und den Schutz kritischer Infrastruktur zu verbessern.
- Katastrophenschutz stärken:
Angesichts der zunehmenden Extremwetterereignisse fordert die Landesregierung eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Katastrophenschutz, insbesondere in Küsten- und Flussregionen. Sie betont die Notwendigkeit einer ausreichenden Finanzierung der rescEU-Reserve und einer deutlichen Erhöhung der Mittel für die Solidaritäts- und Soforthilfereserve zur Unterstützung der Katastrophenbewältigung und des Wiederaufbaus nach Naturkatastrophen.
- Herausforderungen bei Migration und Integration förderpolitisch abfedern:
Die Landesregierung betont den fortlaufend hohen Bedarf an EU-Fördermitteln für Asyl, Migration und Integration im kommenden MFR und fordert eine reibungslose Inanspruchnahme der Mittel. Zudem spricht sie sich für eine weitere Vereinfachung der Förderverfahren aus, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
- Stadtentwicklung auch weiterhin in den Blick nehmen:
Die Landesregierung setzt sich für die Beibehaltung der städtischen Dimension in der Kohäsionspolitik ein, da die Förderung lokaler Stadtentwicklungsprojekte die EU in Städten und Gemeinden sichtbar macht und die Gesellschaft stabilisiert. Zudem begrüßt sie den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Nutzung kohäsionspolitischer Mittel für den sozialen Wohnungsbau zu erweitern, und fordert, dass dieser Ansatz im nächsten MFR verankert wird.