Lübecker Hanseschiff-Nachbau soll im kommenden Jahr erstmals segeln – Alte und neue Münzen unterm Großmast
Text: Manfred Rüscher – Fotos: TBF/Wolfgang Freywald
Lübeck. Fast auf den Tag genau einen Monat nach dem Stapelhub des Lübecker Hanseschiffes „Lisa von Lübeck“ hat ein Autokran am Donnerstag nachmittag den 24 Meter hohen Großmast der Kraweel in Präzisionsarbeit in die so genannte Mastspur gehievt. Bevor der vier Tonnen schwere und aus einer einst 40 Meter hohen Douglasie gehobelte Mast in der mit ‚Rindertalg gefüllten Bodenwanne aufsetzte, legte Bootsbaumeister Heino Schmarje nach alter Tradition historische und neue Münzen in die Mastspur… Damit ist der von der Gesellschaft Weltkulturgut Hansestadt Lübeck initiierte weltweit einmalige Nachbau des am 31. Juli 1999 auf Kiel gelegten mittelalterlichen Hanseschiffes bis auf den noch anstehenden Innenausbau und die Besegelung komplett.
Für Kranführer Jens Rifsgaard war es das zweite Mal, dass er den mittleren der drei Masten am Haken hatte.
Bereits im Sommer 2002 hatten die Bootsbauer den Großmast zur Probe gestellt. Danach wurde der Mast wieder gezogen und auf dem Werftgelände der nördlichen Wallhalbinsel konserviert und mit dem Mastkorb komplettiert. In dem „Krähennest“ (Durchmesser: 2,50 Meter) haben zehn Personen Platz, im Innern des Mastkorbes soll zudem die moderne Radaranlage „versteckt“ werden.
Voraussichtlich in der kommenden Woche soll erstmals der Sechszylinder-Schiffsdiesel angeworfen werden, die Maschine sorgt bei Flaute und in engen Gewässern für den Antrieb der Kraweel, die über eine Segelfläche von rund 286 Quadratmetern verfügt. Allein das Großsegel hat eine Fläche von 181 Quadratmetern, vier Kilometer Tauwerk müssen verlegt werden.
„Im August gibt es die ersten Segelversuche“, sagte der Sprecher der Gesellschaft, Burkhard Bange am Donnerstag. Ein großes Fragezeichen steht allerdings noch hinter dem ersten öffentlichen Auftritt der Kraweel zur Travemünder Woche im Juli. „Der Plan ist noch nicht vom Tisch, auf keinen Fall werden wir aber unter Segeln zu der Regattawoche kommen.“
Der Nachbau des mittelalterlichen Hanseschiffes, das nach der Lübecker Mäzenin Lisa Dräger benannt ist, soll als schwimmende Botschafterin der Hansestadt Lübeck auf die Reise gehen und möglicher weise auch bei der Bewerbung der Hansestadt um den Rang der Kulturhauptstadt Europa 2010 eine Rolle spielen. Das Schiffsprojekt war zugleich eine AB-Maßnahme, rund 250 Jugendliche ohne Berufsabschluß arbeiteten, unterstützt von 100 Facharbeitern, während des Baus auf der Werft. „35 Prozent der Jugendlichen konnten anschließend weiter vermittelt werden“, zieht Burkhard Bange eine positive Bilanz. Seit Ende März vergangenen Jahres arbeiteten vorwiegend ehrenamtliche Helfer an der Fertigstellung der Kraweel, weitere Mittel für eine Fortsetzung der AB-Maßnahme waren nicht bewilligt worden.
Mit dem Nachbau wurde zugleich auch eine alte lübsche Schiffbau-Tradition wieder
lebendig: Aus dem Holz von 170 Eichen, die vor 150 bis 300 Jahren eigens für den Schiffbau gepflanzt wurden, ist der Rumpf des 35 Meter langen und 190 Tonnen schweren Hanseschiffes gefertigt. Die Lisa von Lübeck wird im kommenden Frühjahr zu ihrer ersten Segelsaison starten.
Fotos:
Bootsbaumeister Heino Schmarje (63) legte Münzen in die mit heißem Rindertalg gefüllte Mastspur, unter anderem ein original 20-Mark-Goldstück von 1872 und zwei Zehn-Euro-Sonderprägungen.
Mit Holzkeilen am Fuß des Mastes wurde der 24 Meter hohe und vier Tonnen schwere Großmast verkeilt.
Ein Autokran hievte den Großmast millimetergenau über die Öffnung des Hauptdecks.
Blick aus der Vogelperspektive auf den Hanseschiff-Nachbau „Lisa von Lübeck“.










