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Kultur & Wissenschaft

Lesung von Jan Stressenreuter in Lübeck

tbf211010_Lutz Gallinat_Freywald_004aAutor: Lutz Gallinat – Es war eine eindrucksvolle und mitreißende Lesung im Rahmen der CSD-Kulturwoche. Am 12.August 2013 las Jan Stressenreuter, Köln, auf Einladung der „Lübecker AIDS-Hilfe e.V.“im gut gefüllten Kneipencafe des CVJM Lübeck, Große Petersgrube 11,  aus seinem jüngst im Querverlag, Berlin,  erschienenen Roman „Wie Jakob die Zeit verlor“. 
Als sich Jakob und Marius in den achtziger Jahren ineinander verlieben, regiert in Deutschland gerade viel belächelt Helmut Kohl; in der Sowjetunion versucht Michail Gorbatschow mit Perestroika und Glasnost einen politischen Wandel herbeizuführen. In der schwulen Szene dagegen ist dies die Zeit der schnauzbärtigen Ledermänner, von „Frankie Goes to Hollywood“ und ungehemmter Promiskuität, bis plötzlich und unerwartet eine tödliche Epidemie alles ändert: Aids. Mehr als zwanzig Jahre später droht Jakobs Beziehung zu seinem Freund Arne zu scheitern: Nach einem Streit, in dem Arne Jakob vorwirft, den Tod von Marius nicht verarbeitet zu haben, verlässt er die gemeinsame Wohnung und verschwindet aus Jakobs Leben. Also begibt sich Jakob auf Spurensuche. Unerwartete Hilfe bekommt er dabei von dem 23-jährigen Philip, der ihm zeigt, dass man im neuen Jahrtausend auch anders mit einem positiven Testergebnis umgehen kann. In seinem neuen Roman „Wie Jakob die Zeit verlor“ erzählt Stressenreuter eine Liebesgeschichte aus einer Zeit, deren Schrecken lange tabuisiert worden sind, schonungslos, ehrlich und außerordentlich berührend.
Der Auor schreibt anschaulich und lebendig und überzeugt durch einen intensiven und fokussierten Erzählsog. Er überzeugt im Deskriptiven und durch gute Beobachtung. Begonnen mit Naivität und der Unwissenheit bis hin zu Krankheit und Tod, umspannt der Roman eine Entwicklung, hat aber nicht nur traurige, sondern auch romantische, erotische und wirklich komische Passagen. Das authentische und dokumentarische Buch, das an filmische Sequenzen erinnert, ist in einer präzisen Sprache partiell in Rückblenden verfasst, ohne Schnörkel und Schnickschnack und gut strukturiert. Es ist aber kein trockener Geschichtsunterricht, sondern ein spannender und fesselnder Roman, der einen nicht mehr so leicht loslässt. Jan Stressenreuter liefert ein tolles, ergreifendes und erschütterndes Buch zum Thema Aids ab, das sich auf sensible und zugleich unterhaltsame Weise mit diesem diffizilen Thema befasst, ohne weinerlich zu sein. Man hätte sich allerdings an einigen Stellen noch etwas genauere Blicke in Jakobs Seelenleben gewünscht.
Der Autor wurde schließlich von den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern nach einer regen Diskussion mit sehr viel Beifall bedacht.