Lesung von Jürgen Haese in Lübeck
Es war eine lebendige und faszinierende Matinee. Am letzten Sonntag stellte Dr.Jürgen Haese (Lübeck) beim 260. „Literarischen Frühschoppen“ des „Lübecker Autorenkreises und seine Freunde e.V.“ im „Alten Zolln“ Auszüge aus seinem 2010 bei „directa-digitalprint“, Bad Schwartau, erschienenen autobiografischen Roman „Sing, Nachtigall, sing…“ – „Eine Jugend in Berlin 1948-1963“ vor, in dem er seine wilden Jahre im Berlin des Kalten Krieges beschreibt.„Sing, Nachtigall, sing..“: Ein Junge in seinen wilden Jahren- im aufregenden Berlin der Nachkriegszeit. Herbst 1948. Er kommt aus Elbing, das jetzt zu Polen gehört und Elblag heißt; dort wurde er in den letzten drei Jahren zu dem, was er ist: selbstbewusst und raffiniert, um allein, auf sich gestellt, zu überleben. Sein Vater erschossen, seine Mutter in Sibirien. Er wurde Pole, wuchs in ein geordnetes Leben hinein, vergaß Deutschland, glaubte an ein sozialistisches Polen- dort lag seine Zukunft.
Bis eines Tages, zurück aus Archangelsk, seine Mutter vor der Tür stand- fremd und fordernd: Du bist Deutscher! Du kommst mit nach Berlin!
Der Protagonist dieses Entwicklungsromans ist wesentlich beeinflusst von den Konflikten und Widersprüchen im geteilten Deutschland der Nachkriegszeit nit ihren zum Teil absurden Besonderheiten in der Vier-Sektoren-Stadt Berlin. Zwei Weltanschauungen, die gegensätzlicher nicht sein konnten, stürzten- propagandistisch-aggressiv- tagtäglich auf ihn ein.
So schildert der Roman zugleich eine brisante Periode deutscher Geschichte, hautnah erlebt durch einen Jungen, der seinen Weg sucht.
Die realistische autobiografische Prosa Jürgen Haeses ist anschaulich, lebendig und gut verständlich. Sie ist authentisch und hat dokumentarischen Charakter. Der Autor, dem hervorragende Psychogramme gelingen, hat stets sein Ohr am Pulsschlag der Zeit. Er eröffnet dabei, partiell auch fiktional, Tiefendimensionen geschichtlicher Erfahrung. Sein letztes Buch gehört zusammen mit den Romanen „Verloren in Elblag“ und „Der Lohnschreiber“ zu einer eindrucksvollen Trilogie.
Dr.phil. Jürgen Haese wurde 1934 in Elbing geboren. Nach dem Studium der Sozialphilosophie, Publizistik und Kunstgeschichte an der FU Berlin arbeitete er als Autor und Regisseur von Image- und PR-Filmen zur deutschen Frage und von kulturhistorischen Dokumentationen. Er erhielt nationale und internationale Auszeichnungen, u.a. das Bundesverdienstkreuz 1.Klasse.
Seit 1999 ist Jürgen Haese freier Autor, Fotograf und Ausstellungsmacher. Er lebt in Lübeck.
Die Lesung löste eine rege Diskussion mit den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern aus.
Lutz Gallinat