Lübeck: IHK-Ausschuss für Industrie und Energie: Regulatorik bremst Klimawende
Schleswig-Holstein soll das erste klimaneutrale Industrieland werden. Die Unternehmen im Land wollen den Weg mit innovativen Geschäftsmodellen ebnen und maßgeblich prägen. Vor welchen Herausforderungen die Wirtschaft bei diesem Vorhaben allerdings steht, diskutierte der Ausschuss für Industrie und Energie der IHK zu Lübeck mit Tobias Goldschmidt, Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein.„Das Land Schleswig-Holstein hat beim Ausbau der erneuerbaren Energien bereits gute Fortschritte gemacht. Dennoch gibt es bei der Erweiterung und Bereitstellung der Erneuerbaren noch Luft nach oben“, sagte der Ausschussvorsitzende Jochen Brüggen in den Räumen der PAV Card GmbH in Lütjensee. Viele Unternehmen wollen vorangehen, in erneuerbare Energien investieren und sind dafür bereit, ihre Produktionsprozesse umzustellen. Komplizierte Regeln und lange Genehmigungsverfahren würden klimafreundliche Investitionen allerdings häufig ausbremsen, so Brüggen. Außerdem sei es ungerecht, dass Unternehmen in Schleswig-Holstein durch die hohen Netzentgelte benachteiligt sind – obwohl gerade hier der meiste grüne Strom entsteht.
IHK-Ausschussmitglied Olaf Eggers von der Eggers Druckerei & Verlag GmbH in Heiligenhafen forderte, dass Überschussstrom von schleswig-holsteinischen Windrädern der Wirtschaft zu günstigen Preisen zur Verfügung stehen muss, damit die Klimawende gelingen könne. „Bei der nachhaltigen Nutzung von Erneuerbaren macht die bundespolitische Regulatorik viele innovative Vorhaben der Wirtschaft unmöglich. Wir müssen weg von einer Verbotskultur und hin zu einer Anreizkultur bei der Nutzung klimafreundlicher Energie in Kombination mit Speichertechnologie“, sagte Eggers.
Energiewendeminister Tobias Goldschmidt hob vor den Mitgliedern des IHK-Ausschusses die Schlüsselposition Schleswig-Holsteins bei der Klimawende hervor. „Die Industrie der Zukunft wird nicht aus rauchenden Schloten bestehen. In unserem Bundesland nehmen wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien bereits eine Vorreiterrolle ein. Diese wollen wir gemeinsam mit der Wirtschaft verteidigen. Hierfür brauchen wir einen starken Veränderungswillen, auch im Unternehmertum“, appellierte er an den Ausschuss. Goldschmidt wolle sich bei der Bundesregierung für die Einführung unterschiedlicher Strompreiszonen innerhalb Deutschlands sowie der direkten und günstigen Nutzung lokaler Windenergie einsetzen. Damit soll erreicht werden, dass auch die Industrie im Norden vom hier kostengünstig erzeugten Windstrom stärker profitiere. Er kündigte zudem an, den Leitungsbau für Strom- und Wasserstoffnetze voranzubringen. Ziel sei der Ausbau hin zu einem sogenannten Klimaneutralitätsnetz.
Auch die PAV Card GmbH, Gastgeberin der aktuellen IHK-Ausschusssitzung, ist auf eine effiziente und nachhaltige Energieversorgung angewiesen. Das familiengeführte Traditionsunternehmen ist auf Herstellung und Vertrieb von Druckerzeugnissen sowie Chip- und Transponderkarten spezialisiert und hat in den vergangenen Jahren bereits umfangreich in die digitale Transformation und CO2-Redutkion investiert. „Das Heizen und Kühlen etwa bei der Kartenproduktion nutzen wir zur Energierückgewinnung. Neben Investitionen in Dach und Fenster haben wir in diesem Bereich bereits viel unternommen“, sagte PAV-Entwicklungsleiter Dierk Früchtenicht.
Außerdem habe PAV kürzlich zwei große Fotovoltaikanlagen auf dem Dach installiert, die jährlich rund 800.000 Kilowattstunden Strom erzeugen können. Ärgerlich sei, dass PAV den grünen Strom aufgrund bürokratischer Hürden noch nicht verwenden kann. „Wir hätten bereits mehrere Monate Strom produzieren können, warten aber noch auf die Zertifizierungen. Wir brauchen mehr Schwung in den Verwaltungen und Behörden, um regenerative Energien effizient und wirtschaftlich zu nutzen“, so Früchtenicht.
Der Ausschuss für Industrie und Energie der IHK zu Lübeck diskutierte über die Nutzung von klimafreundlichen Energien. Von rechts: Kathrin Ostertag (IHK zu Lübeck), Ausschussvorsitzender Jochen Brüggen (H. & J. Brüggen KG), Minister Tobias Goldschmidt, Isabel Höftmann-Toebe (PAV Card GmbH) und Jan Eschke (Worleé-Chemie Lauenburg).