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Politik & Wirtschaft

Massive Kritik an den Sparplänen des Landes

Die Kommunen sind nicht die Reservekasse für einen unausgeglichenen Landeshaushalt.

Die Mitgliederversammlung des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages hat am 29. November in Bad Segeberg
das Land aufgefordert, keine Konsolidierung des Landeshaushalts auf Kosten der Kommunen zu betreiben.
„Kommunales Ehrenamt braucht Gestaltungsspielraum“. Wenn das Land aber so weitermacht und zulasten der Kommunen
seinen Landeshaushalt konsolidiert, wird sich die Krise der Kommunalfinanzen zu einer gesamtgesellschaftlichen
Krise ausweiten: Vor Ort wird der Staat für die Bürgerinnen und Bürger erlebbar. Verfallende Straßen und Radwege,
fehlende ÖPNV-Angebote und immer wieder neue Diskussionen, wie Kita, Ganztag und andere soziale Daseinsvorsorge
organisiert werden können, erschüttern das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates.“ so kommentiert
der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages, Landrat Dr. Henning Görtz, die Beschlüsse der Mitgliederversammlung
am 29.11.2024 in Bad Segeberg.

Die Mitgliederversammlung ist das höchste Gremium des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages. Ihr gehören die Landrätin und die zehn Landräte, die elf Kreispräsidentinnen und Kreispräsidenten sowie weitere 41 gewählte Delegierte aus den Kreistagen der elf Kreise an.
Die schleswig-holsteinischen Kreise planen für das Haushaltsjahr 2025 jeweils ein zweistelliges Millionendefizit, in Summe der elf Kreise mehr als 250 Mio. Euro. Damit stehen die Kreise nicht allein: Die Finanzsituation aller Kommunalgruppen wird sich nachhaltig verschlechtern und durch die geplante Konsolidierung des Landes zu Lasten der Kommunen weiter unter Druck geraten.

Es zeichnet sich ab, dass die Finanzlage der Kreise dramatischer sein wird als im Jahr 2012, dem Jahr, in dem die
Schulden der Kreise ihren Höchststand erreicht hatten. In der Folge ist es nur mit harten Einschnitten und Einschränkungen
der Leistungen, mit Konsolidierungshilfen und aufgrund einer robusten Konjunkturentwicklung gelungen, die Defizite wieder abzubauen. „Die Kommunen sind am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, weil Bundes- und Landesgesetzgeber den Kommunen in den vergangenen Jahren immer mehr Pflichtaufgaben aufgebürdet haben, ohne diese ausreichend zu finanzieren. Andere, ebenso notwendige Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger können dahernicht mehr oder nur noch durch neue Schulden erbracht werden, bei der Infrastruktur besteht bereits heute ein erheblicher Investitionsstau. Diese Politik geht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger und zu Lasten der nachfolgenden Generationen.“ erläutert Hans-Jörg Lüth, stellvertretender Vorsitzender des Landkreistages und Kreistagsabgeordneter
im Kreis Rendsburg-Eckernförde.

Vor diesem Hintergrund hat die Mitgliederversammlung des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages mit einer Resolution
(Anlage) ihre Forderungen an Landesregierung und Landtag bekräftigt. U. a. fordern die schleswig-holsteinischen
Kreise,
▪ dass die für das Jahr 2025 und die Folgejahren geplanten Kürzungen, die die Kreise unmittelbar betreffen –
Streichung der Dynamisierung im ÖPNV: rd. 31,7 Mio. Euro bis 2030, und Reduzierung der Straßenbau-Mittel:
84 Mio. Euro bis 2030 – angesichts der Haushaltslage der Kreise nicht realisiert werden,
▪ dass das Land stattdessen seine eigenen Einsparpotenziale nutzt, indem ein Abbau von Landesaufgaben erfolgt
und der Aufwuchs des Personalbestandes beim Land – mit Ausnahme von Justiz, Polizei und Schule –
endlich gestoppt wird,
▪ und dass Eingriffe in den Kommunalen Finanzausgleich jetzt und zukünftig unterbleiben.
PM 17/2024 2

Die Schaffung eines Vorwegabzugs in Höhe von 20 Mio. Euro zur Kofinanzierung der Städtebauförderung ist nichts
anderes als ein Griff in kommunale Kassen. Bisher vom Land bereitgestellte Mittel sollen zukünftig allein von der kommunalen
Solidargemeinschaft finanziert werden. Damit wird sehenden Auges der vom Landesverfassungsgericht vorgegebene
Pfad einer symmetrischen Finanzverteilung von Land und Kommunen verlassen.
Die Mitgliederversammlung erwartet zudem, dass Ansprüche an staatliches Handeln dringend mit den vorhandenen
Ressourcen zusammengeführt werden. Bund und Länder sind gehalten, keine weiteren Aufgaben und individuelle Leistungsansprüche
zu schaffen sowie vorhandene Aufgaben kritisch zu hinterfragen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf
den massiven Anstieg im Bereich der sozialen Transferleistungen sowie sozialrechtlicher Leistungsansprüche.
So ist beispielsweise der Ganztagsanspruch für Schülerinnen und Schüler nicht finanzierbar; gleichwohl halten Bund
und Länder zu Lasten der Kommunen, die diese Angebote schaffen sollen, daran fest. Das Land Schleswig-Holstein ist
daher in der Pflicht, die Vereinbarung mit den Kommunalen Landesverbänden zur Betriebs- und Investitionskostenfinanzierung
einzuhalten und auszufüllen sowie endlich einen verlässlichen Rechtsrahmen für alle Beteiligten zu schaffen.
„Dass das Land keine Regelungen zu Elternbeiträgen, zur Sozialstaffel und zu Schließzeiten treffen will, grenzt an
Arbeitsverweigerung.“, erläutert PD Dr. Sönke E. Schulz, Geschäftsführer des Landkreistages, zur aktuellen Diskussion
zum Ganztagsausbau. „Die Sorge vor Konnexitätsansprüchen der Kommunen ist vorgeschoben: Land und Kommunen
haben sich bereits verständigt. Wenn das Land nun aber aufgrund der finanziellen Lage des Landeshaushalts versucht,
die zugesagten 75 Prozent der Betriebskosten kleinzurechnen, und die Ausgestaltung allein den Schulträgern überlassen
will, wird bisher Geeintes infrage gestellt.“ Es bestehe die reale Gefahr, dass der Rechtsanspruch zum Teil nicht
erfüllt werden könnte. „Die Kreise werden dann gerichtlich feststellen lassen, dass die erforderliche landesrechtliche
Übertragung der Aufgabe an die Kreise fehlt und damit das Land in der Pflicht steht, etwaige Ersatzansprüche der Eltern
zu bedienen.“
Abschließend kommentiert Ute Borwieck-Dethlefs, stellvertretende Vorsitzende des Landkreistages und Kreispräsidentin
des Kreises Dithmarschen: „Die Kreise sehen mit Sorge, dass die Landesregierung und der Haushaltsgesetzgeber
offenbar nicht in der Lage sind , einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, und werden sich entschieden dagegen
zur Wehr setzen, dass das Land seine hausgemachten Finanzprobleme auf Kosten der Kommunen lösen will. Die
Kommunen haben eigene, wichtige Aufgaben zu erfüllen und sind direkt für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort tätig,
sie sind nicht die Reservekasse für einen unausgeglichenen Landeshaushalt.“