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Bauen & Wohnen

Moore statt CCS – auch in Dithmarschen/ Steinburg

Symbolfoto Moorlandschaft_Bullenkuhle_Christian-Fischer

  • BUND SH fordert: CO2-Emissionen insgesamt reduzieren, statt Millionen in Pipeline-Infrastruktur zu stecken
  • Moore, Wälder und Grünland können CO2 nachhaltig und günstig speichern
  • CO2-Pipeline von Lägerdorf nach Brunsbüttel: BUND SH vermutet Planung von CCS-Infrastruktur

Brunsbüttel/Kiel. „Warum investieren wir Millionen in eine risikobehaftete technische Infrastruktur, um fünf Prozent angeblich unvermeidbare CO2-Emissionen zu verklappen? Stattdessen sollte die Politik Anreize schaffen, dieselbe Menge CO2 durch weniger Energieverbrauch zu vermeiden. Wenn man dafür sorgt, dass mit Steuergeldern in gleicher Höhe mehr Moore, Weiden und Seegraswiesen Emissionen auf natürliche Weise speichern können, hat man einen doppelten Nutzen ohne Flächenverbrauch.“ So die Position von Ole Eggers, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e. V. (BUND SH). Auch bundesweit setzt sich der Naturschutzverband gegen die Technik der Kohlendioxid-Abscheidung und -Verpressung, englisch „Carbon Capture and Storage“ (CCS), ein.

In Schleswig-Holstein ist die Lagerung von CO2 unter der Erde durch einen Landtagsbeschluss aus dem Jahr 2014 aus guten Gründen verboten. Die Deponierung in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Nordsee, für die die Bundesregierung zuständig ist, wird jedoch aktuell debattiert. Ein CO2-Speichergesetz soll die milliardenteure CCS-Technologie zukünftig ermöglichen und dem dafür notwendigen Pipelinebau ein überragendes öffentliches Interesse zubilligen. Auch die aktuelle schwarz-grüne Landesregierung zeigt sich offen für diese Technik und bricht damit den langjährigen überparteilichen Konsens im Norden. CCS wird von Politiker*innen der Regierungsparteien als sicher bezeichnet, obwohl es gegenteilige wissenschaftliche Veröffentlichungen gibt und keine der bisherigen Deponien die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt (https://ieefa.org/resources/norways-sleipner-and-snohvit-ccs-industry-models-or-cautionary-tales).

In Deutschland wird der Bau von CO2-Leitungen geplant. Ein Teilstück soll von Lägerdorf in Steinburg nach Brunsbüttel in Dithmarschen führen. „Wir fürchten, dass damit die Verpressung von CO2 in der Nordsee vorbereitet werden soll“, sagt Lothar Wittorf, der für den BUND SH eine Stellungnahme zum Bau der Pipeline verfasst hat. „Es werden keine Vorgaben zur Reinheit des transportierten Kohlenstoffdioxids gemacht. Dadurch ist das Gas in der chemischen Industrie Brunsbüttels kaum verwendbar. Wir müssen also davon ausgehen, dass das Klimagas nach dem Bau der Pipeline von Brunsbüttel aus in die CO2-Deponien in Dänemark oder Norwegen verschifft wird.“

Eigentlich war ein „Carbon Capture and Usage“ (CPU)-Projekt geplant, bei dem CO2 aus der Zementherstellung zur Produktion von synthetischen Kraftstoffen für den Flughafen Hamburg verwendet werden sollte. Doch diese Planungen wurden offenbar zu den Akten gelegt, denn statt einer CO2-Leitung vom Zementwerk in Lägerdorf zur Raffinerie in Hemmingstedt ist nun die Pipeline von Lägerdorf nach Brunsbüttel geplant.

Das sogenannte „Londoner Protokoll“ von 2006, ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag zum Schutz der Meere, verbietet derzeit eine Verbringung von Klimagasen in andere Länder zum Zweck der Entsorgung. Die Planungen der Pipeline nach Brunsbüttel nehmen somit die geplanten Änderungen im Kohlendioxidspeichergesetz vorweg, in dessen vorliegendem Entwurf entsprechende Passagen gestrichen wurden.

Der BUND und andere Naturschutzverbände befürchten zudem, dass CO2 aus den Pipelines austritt. Der Bruch einer Erdöl-Pipeline in Brunsbüttel von Weihnachten 2022 ist dafür ein warnendes Beispiel. Kohlendioxid ist schwerer als Luft und sammelt sich in Bodensenken. Bei Bodenlebewesen, im Extremfall auch bei Menschen kann ein Unfall zu Erstickungen führen. Mit Wasser verbindet sich CO2 zu Kohlensäure. Gasaustritte bei der geplanten Deponierung unter der Nordsee würden die Kalkgehäuse von Muscheln, Schnecken und Kaltwasserkorallen angreifen und das ohnehin geschädigte Ökosystem der Nordsee weiter belasten.

„Die Abscheidung und Verflüssigung von CO2 verbraucht mehr Energie, als sich durch ein einfaches Tempolimit einsparen ließe. Der Bau der Rohrleitungen und Pumpstationen verbraucht wertvolle Flächen. Wer es wirklich ernst meint mit dem Klimaschutz, sucht Lösungen, die der Natur und nicht der Industrie nützen“, stellt Ole Eggers abschließend fest.

Hier finden Sie die Stellungnahme zum Vorhaben des Neubaus einer Kohlenstoffdioxid-Transportleitung zwischen Lägerdorf und Brunsbüttel:
https://www.bund-sh.de/publikationen/