Nachbericht zum 23. „Internationale Lübecker Kammermusikfest“
Es war ein glanzvoller Auftakt. Am Himmelfahrtstag wurde das 23. „Internationale Lübecker Kammermusikfest“, das unter dem Motto „1871 bis 1918. Das Zeitalter wird besichtigt“ steht, nach einführenden Worten Prof. Evelinde Trenkners im gut gefüllten Lübecker Kolosseum feierlich eröffnet.
Am Anfang stand der 5.Satz von Gustav Mahlers (1860-1911) Sinfonie Nr.2 c-moll (1895) in der vierhändigen Bearbeitung Bruno Walters, präsentiert vom Klavierduo Trenkner & Speidel.
Mit der lange Zeit populärsten Sinfonie Mahlers, der 1888 bis 1894 in Prag, Hamburg und Attersee entstandenen Zweiten, nach ihrem Schlusschor „Auferstehungssinfonie“ genannt, hebt die Trias der Sinfonien an, die in engster Verbindung zu Mahlers Liedern zu Gedichten aus „Des Knaben Wunderhorn“ stehen. Das Menschheitsproblem von Tod und Auferstehung wird in einem gewaltigen sinfonischen Fresko, das nach Beethovens Vorbild die menschliche Stimmung als ultima ratio musikalisch-eschatologischer Verkündigung aufruft, beschworen. Die Dimensionen weiten sich zur Fünfsätzigkeit und zu einer Spieldauer von achtzig Minuten.
Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel, die mit sehr viel Beifall bedacht wurden, spielten dabei virtuos, brillant, mit viel Verve und Esprit und höchster Konzentration und großem Einfühlungsvermögen. Zwei höchst verschiedene Temperamente, spielt Speidel doch „aus dem Kopf“ und Trenkner „aus dem Körper“, beide jedoch aus tiefster Seele- harmonisch, hinreißend. Mit exzellenter Technik bewältigten sie die vielen Probleme der Partitur, differenziert in Ausdruck und Dynamik.
Es folgten Xaver Scharwenkas (1850-1924) Scherzo für Klavier G-Dur op.4 (1872) und Variationen für Klavier d-moll op.48 (1879), geboten von Alexander Markovich.
Scharwenkas Universalität machte ihn zu einer der erfolgreichsten Künstlerpersönlichkeiten des ausgehenden 19.Jahrhunderts. Über sein Klavierspiel urteilte Eduard Hanslick 1880, er sei ein ganz ausgezeichneter Pianist, blendend ohne Scharlatanerie. Insgesamt verblieb Scharwenka als Komponist in der konservativen Mendelssohn-Schumann-Nachfolge, wenngleich ihm in seinen vier Klavierkonzerten auf der Basis konventioneller Formmodelle neue, äußerst effektvolle Lösungen von stupender Virtuosität gelangen.
Alexander Markovich, der mit Feuer, Leidenschaft und Hingabe spielte und dem auch die leisen und langsamen Passagen glückten, zählt zu den herausragenden Pianisten, der mit Spitzenorchestern gespielt hat. Vom 5.Mai bis 9.Mai spielte er in Genf mit dem Dirigenten Neeme Järvi und dem Orchesta de la Suisse Romande die Scharwenka Klavierkonzerte Nr.1 und 4 für Chandos auf CD ein.
Hermann Boie moderierte das anspruchsvolle, aber auch abwechslungsreiche Konzert mit zeitgeschichtlichen Hintergründen und Zusammenhängen kenntnisreich, engagiert und humorvoll.
Der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm hatte am Anfang anlässlich des 25jährigen Bestehens der Scharwenka-Gesellschaft die Verdienste Evelinde Trenkners und Hermann Boies gewürdigt. Sie gereichten der Hansestadt Lübeck zur Ehre.
Alexander Markovich erhielt schließlich sehr viel Beifall, für den er sich mit drei reizvollen Zugaben bedankte, die er ausdrucks- und kraftvoll, monumental, mit großer Vitalität und viel Elan präsentierte.
Nach dem Konzert fand der „Treffpunkt Foyer“ für Publikum und Mitwirkende bei Getränken und zu Gesprächen statt.