Pakistan: Tod auf dem Karussell
Pakistan: Tod auf dem Karussell – Sowohl Zeit und Ort als auch die Opfer waren sehr bewusst gewählt: Am Nachmittag des vergangenen Ostersonntags riss im pakistanischen Lahore ein Selbstmordattentäter 74 Menschen mit sich in den Tod. Der Park gilt als beliebtes Ausflugsziel und wird am Ostersonntag traditionell von vielen christlichen Familien für ein Feiertagspicknick aufgesucht.
Anschlagsziel: Christen umbringen, die Ostern feiern
Eine Splittergruppe der Taliban namens Jamaat-ul-Ahrar bekannte sich zu dem blutigen Anschlag und gab als Ziel an: „Christen treffen, die Ostern feiern“. Premierminister Nawaz Sharif stattete einigen der über 300 Verletzten einen Besuch im Krankenhaus ab. Behörden und Militär führten zahlreiche Razzien gegen verbotene Organisationen im betroffenen Bundesstaat Punjab durch und nahmen Tausende fest. Der zuständige Provinzgouverneur, Mian Shahbaz Sharif, rief eine dreitägige Trauerzeit für Punjab aus.
Bei den Beerdigungen spielten sich ergreifende Szenen ab. Ein kleiner Junge klammerte sich an einem Sarg fest und wollte verhindern, dass dieser in die Erde gelassen wurde. Helfer wollten ihn wegziehen, doch ein Pastor wies sie an, dem Jungen noch etwas Zeit zu geben, worauf der ihn dankbar anblickte und tonlos sagte: „Er war doch mein Bruder!“
Beerdigung in Pakistan
Andernorts trug ein Vater seinen 10-jährigen Sohn zu Grabe. Journalisten versuchten, durch das in Pakistan übliche Sichtfenster im Sarg ein Bild von dem entstellten Gesicht des Verstorbenen zu machen. Der verzweifelte Vater bemühte sich daraufhin, mit seiner Hand das Fenster zu verdecken, und schrie die Fotografen an: „Hütet euch, ihn der Welt so zu zeigen!“ Anschließend wiederholte er immer wieder dieselben Worte: „Mein Sohn starb auf dem Karussell. Er saß auf dem Karussell. Er saß auf dem Karussell …“
Neuer Tiefpunkt in einer Reihe tödlicher Anschläge
Während das Land sich von dem Schock des neuerlichen Anschlags erholte, drangen in der Hauptstadt Islamabad über 1.000 Demonstranten in die diplomatische Sperrzone ein. Sie forderten, den kürzlich hingerichteten Mumtaz Qadri als Märtyrer anzuerkennen, seine Zelle zu einer Gedenkstätte und Moschee umzufunktionieren und die wegen angeblicher Blasphemie zum Tod verurteilte Asia Bibi hinzurichten. (Der ehemalige Leibwächter Mumtaz Qadri hatte den damaligen Provinzgouverneur Salman Taseer getötet, weil dieser sich für Asia Bibis Freilassung und gegen das berüchtigte Blasphemiegesetz ausgesprochen hatte [Open Doors berichtete]). Erst vor kurzem fanden Gedenkfeiern für die Opfer des Doppelanschlags auf zwei Kirchen in Lahore am 15. März 2015 statt; auch das Attentat auf eine Kirche in Peshawar im Jahr 2013 mit 78 Todesopfern wirkt bis heute nach.
Nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung Pakistans sind Christen. Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors steht das Land zurzeit an 6. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten verfolgt werden.
Quelle: World Watch Monitor, Open Doors