Politik & Wirtschaft

Petra Nicolaisen zu TOP 56: Die Landesregierung macht ihre Hausaufgaben nicht

Das zentralörtliche System ist ein wichtiger Strukturbaustein. Vor allem in einem Land wie Schleswig-Holstein. Siebzig Prozent der Menschen in schleswig-Holstein leben in Städten und Gemeinden mit zentralörtlichen Funktionen. Die zentralen Orte sind Schwerpunkte der Versorgung, der Infrastruktur und der Wirtschaft.

Den letzten Bericht zum zentralörtlichen System gab es in der 16. Wahlperiode im Jahr 2008. Seit dem hat es einige, auch für dieses System relevante Änderungen gegeben. Insoweit wundert es mich, dass die Landesregierung keine Veranlassung gesehen hat, das System zu überprüfen.

Anfang dieses Jahres hat die Regierungskoalition eine Änderung des Landesplanungsgesetzes durchgedrückt.

Dies wäre nicht nur eine Gelegenheit gewesen, das bestehende System zu überprüfen. Es wäre zwingend erforderlich gewesen. Man hätte die Einstufungskriterien auf ihre Zukunftsfestigkeit überprüfen müssen. Man hätte evaluieren müssen, ob das gesetzlich geregelte abstrakte Modell noch mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Passiert ist nichts.

Ihr sogenannter Gesetzentwurf zur Reform des kommunalen Finanzausgleichs hat ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf das zentralörtliche System.

Auch hier wäre vorher eine Überprüfung angezeigt gewesen. Aber auch hier haben Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Dies passt zu der Nachlässigkeit, die sie bei diesem Gesetzentwurf insgesamt an den Tag gelegt haben.

Jetzt hat die Landesregierung einen Bericht vorgelegt. Hierzu ist sie von Gesetzes wegen verpflichtet. Allerdings gab es diesen Bericht auch erst nach einer Aufforderung durch den Landtag. Ich bezweifle, dass Sie sich in der Kürze der Zeit wirklich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Ihr Bericht vermittelt diesen Eindruck jedenfalls nicht.

Ich stimme der Aussage in dem Bericht zu, dass sich das zentralörtliche System als solches bewährt hat. Nur mit einem starken zentralörtlichen System kann auch in den ländlich geprägten Gebieten eine ausreichende strukturelle Versorgung gewährleistet werden. Und ich stimme auch der Aussage zu, dass es wesentlich ist, das zentralörtliche System in Schleswig-Holstein zu stärken und zu stabilisieren.

Dazu passt ein Zitat aus dem Raumordnungsbericht der 16. WP des damaligen Ministers Hay:“ Unser Ziel ist es vielmehr, das zentralörtliche System in seiner heutigen Form zu stabilisieren und langfristig zu sichern. Es hat sich bewährt und ist ein Garant, dass es sich überall in Schleswig-Holstein gut leben lässt. Das soll auch bei sinkenden Einwohnerzahlen noch möglich sein.“

Was nicht zu dieser Aussage und dem jetzigen Bericht passt, ist das Handeln der Landesregierung. In ihrem Bericht heißt es: „Zentrale Orte und Stadtrandkerne sind die zentralen übergemeindlichen Versorgungsschwerpunkte im Land und damit wichtige Ankerpunkte, um langfristig die Daseinsvorsorge zu sichern, insbesondere in den ländlichen Räumen.“

Nach Ihrem Gesetzentwurf zum FAG sind aber gerade die ländlichen Zentralorte und Stadtrandkerne deutliche Verlierer.

Ebenfalls keinen Blick haben Sie auf das Phänomen der faktischen Zentralorte gelegt. Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag hat in seiner Stellungnahme zum FAG-Entwurf dieses Problem angesprochen. Lösungsvorschläge gibt es keine. Und auch der Bericht enthält hierzu nichts. Kein Änderungsbedarf. Das ist ihr Ergebnis.

Der Bericht spricht völlig zu Recht die Herausforderungen des demografischen Wandels an. Der Bericht spricht insoweit von „absehbaren demographischen Veränderungen“.

Aber: Der demografische Wandel wartet nicht! Er ist kein zukünftiger Prozess. Wir befinden uns schon mitten darin!

Bevor die Landesregierung im September die bestehende Verordnung verlängert, sollte Sie sich mehr Gedanken machen, als sie es im Vorfeld des Berichtes getan hat. Valide Daten und Fakten könnten helfen.