Das interaktive Online-Magazin seit 1999

Aktuelle Nachrichten, lokale Themen aus Kultur, Wissenschaft, Sport, Politik, Wirtschaft, Rezensionen und Veranstaltungen

Politik & Wirtschaft

Petra Nicolaisen zu TOP 6: Das neue FAG ist schlicht unbrauchbar

Der Ansatz der Landesregierung, einen kommunalen Finanzausgleich zu schaffen, der transparenter, effizienter und besser erklär- und nachvollziehbarer ist, genau das hätten wir uns gewünscht! Und das Problem ist im Gesetzentwurf richtig beschrieben. Ich zitiere: „Dringend erforderlich war deshalb eine umfassende Gesamtschau. Zum Beispiel war zu untersuchen, ob das Verhältnis der Gemeindeaufgaben zu den Aufgaben der Kreise und kreisfreien Städte noch angemessen berücksichtigt wird. Auch die Maßstäbe für die Mittelverteilung innerhalb dieser großen Blöcke gehörten auf den Prüfstand.“

Die Reform des kommunalen Finanzausgleich ist eines der zentralen Gesetzgebungsverfahren dieser Legislaturperiode und ohne Frage nötig, das bestreitet auch die Opposition nicht. Das, was der ehemalige Innenminister hier jedoch vorgelegt hat, ist schlicht unbrauchbar.

Und genau dieses hat die mündliche Anhörung am 17.
September 2014 sehr eindrucksvoll gezeigt. Mängel wurden von den Anzuhörenden aufgedeckt und ich kann mich an keinen der Anzuhörenden erinnern, der keinen Kritikpunkt genannt hat! Die Gesichter der Abgeordneten von Rot, Grün und Blau haben Bände gesprochen. Sie haben sehr genau erkannt, welches Risiko mit diesem Entwurf eingegangen wird.

Ein wesentlicher Mangel des Gesetzentwurfes sind die nicht erhobenen Aufgaben, es wurden einfach die Ausgaben aus den Statistiken übernommen. Diese wurden jedoch nicht auf Erforderlichkeit und Notwendigkeit überprüft – sprich auf Wirtschaftlichkeit. Eine Finanzbedarfsanalyse ist verfassungsrechtlich geboten.

Der Hessische Staatsgerichtshof führt hierzu aus:
„Der Gesetzgeber muss daher den Finanzbedarf der Kommunen im Hinblick auf die pflichtigen Aufgaben realitätsgerecht ermitteln und unterliegt insofern auch einer Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht.“

Bereits hieran fehlt es.

Die große Vergleichsgruppe, die der NIW-Gutachter gewählt hat, hilft hier nicht. Entgegen Ihrer Behauptungen betrachten Sie nur die Ausgaben.
Damit werden Sie Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht.

Die Stellungnahme des Landesrechnungshofes spricht für sich, ich zitiere:
„Die zuletzt genannten Verteilungsverzerrungen hinsichtlich der Kreise als Ergebnis eines aufgaben-adäquaten bzw. „gerechten“ FAG sind für den Landesrechnungshof nicht nachvollziehbar! Der Gesetzentwurf zeigt, dass von Annahmen ausgegangen wurde, die nicht ausreichend oder bestmöglich geeignet sind, die Realität widerzuspiegeln.“ Der Landesrechnungshof rät ebenfalls mit Blick auf das Ziel eines aufgabengerechten Finanzausgleichs dringend dazu, vom Abzug der Grundsicherungsentlastung bei der Berechnung der Teilschlüsselmassen für die Kreisaufgaben Abstand zu nehmen.

Das kann man doch nicht einfach ignorieren!

Sehr geehrter Herr Minister, 10 von 11 Kreisen erhalten weniger Geld, obwohl 6 von ihnen zu den Konsolidierungsempfängern gehören.
Konsoldidierungshilfen bekommen Kommunen, die sich in einer besonders schwierigen Haushaltslage befinden. Und Sie werden bereitgestellt, damit die Möglichkeit besteht, den Haushalt in Ordnung zu bringen.

Es kann doch nicht Ziel eines reformierten FAGs sein, dass den Kreisen die Möglichkeit genommen wird, Konsolidierung zu betreiben! Wofür haben wir denn Konsolidierungsverträge geschlossen? Oder Sie müssen den Mut haben zu sagen, dass Sie die Kreise für überfinanziert halten. Dass Sie der Meinung sind, die Kreise würden das Geld zum Fenster raus schmeißen.

Die Jubelschreie bei den kreisfreien Städten halten sich im Übrigen auch in Grenzen. Es wird zum Beispiel in der Stellungsnahme der Stadt Kiel darauf hingewiesen, dass die vertikale Dimension des kommunalen Finanzausgleichs besser abgebildet sein könnte und insbesondere die kreisfreien Städte nicht allein dadurch in die Lage versetzt werden, ihre struktur- und aufgabenbedingten Finanzprobleme zu lösen. Wohl wahr!

Der Gesetzentwurf ist darüber hinaus viel zu optimistisch geplant. Die Ausgabenentwicklung wird mit 5 Prozent angenommen. Wie entwickeln sich die Kosten der Jugendhilfe, im Bereich der Altenpflege, Kosten im Bereich der Flüchtlinge.

Gerade im Landesteil Schleswig sind sowohl die beiden Landräte aus Nordfriesland und dem Kreis Schleswig-Flensburg , die Vorsitzenden der Gemeindetage sowie die Bürgermeister der Stadt Niebüll und Kappeln in großer Sorge, dass die erhebliche Schlechterstellung (5.070.000,– €) des Landesteils unmittelbar auf die gemeindliche Ebene durchschlägt. Dieses haben sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz deutlich gemacht. Das kann auch durch die finanziellen Zuwächse der Stadt Flensburg nicht aufgefangen werden. Ich zitiere Landrat Dr. Buschmann : „Wir sitzen alle in einem Boot – nur nicht auf dem Sonnendeck“.

Ich erkenne an, dass es aufgrund der
Stellungnahmen der Anhörung durch die
regierungstragenden Fraktionen einen
Änderungsantrag gegeben hat. Zusätzliches Geld für Infrastrukturlasten, eine Erweiterung der Mindestgarantie, eine Erhöhung des Faktors für Bedarfsgemeinschaften, die Rücknahme der Verschärfung bei der Erhöhung der Kreisumlage und die Einführung einer Progression. Das alles ist nachvollziehbar.

Es bleibt aber dabei:
Auf einem brüchigem Fundament baut man kein Haus!
Diese Aussage trifft weiterhin auf den
Gesetzentwurf zur Neuordung des kommunalen Finanzausgleichs zu. Über 60 Informationsveranstaltungen der Landesregierung ergeben noch keine transparente Reform. Und das mit sich selbst reden, ergibt noch keinen Dialog.

Um der Landesregierung die Möglichkeit zu geben, die erforderliche Datenbasis zu schaffen und auf dieser einen neuen und tragfähigen Gesetzentwurf zu erstellen, sollte daher das geltende Gesetz in seiner Geltungsdauer bis zum 31.12.2017 befristet werden. Der Landtag wird die fehlende Aufgabenerhebung nicht durchführen können. Daher gibt unserem Änderungsantrag der Landesregierung 3 Jahre Zeit, die Versäumnisse des ersten Gesetzgebungsverfahrens nachzuholen.

Gleichzeitig sollte zunächst für den Zeitraum der Fortgeltung des bestehenden Gesetzes der Betrag für die Konsolidierungshilfen aufgestockt werden.
Dies käme insbesondere den kreisfreien Städten mit ihrer finanziell schwierigen Situation zugute.

Die Aufstockung der Mittel für die
Konsolidierungshilfen sollte dabei erfolgen, indem der Finanzausgleichsmasse ein zusätzlicher Betrag von 36 Millionen Euro zugeführt wird, der zweckgebunden ist. Damit wird eine weitere Konsolidierungshilfe zur Verfügung gestellt, von denen ca. 80 Prozent der Mittel den kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins zugute kommen.

Der Betrag von 36 Millionen Euro entspricht in etwa dem Betrag, um den der Bund die Kommunen durch die Übernahme der Grundsicherung entlasten wollte. Das Gesetz hieß: „Gesetz zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen“ und nicht Gesetz zur Entlastung der Landeskasse!

Die Abstimmung der Resolution des Landkreistages am 06.11.14 hat eindrucksvoll bewiesen, dass hier überparteilich bis auf 3 Gegenstimmen, der Wille besteht, das Gesetzgebungsverfahren zu verschieben. Wir als Landtag werden aufgefordert, einen breiten Konsens aller Kommunen für einen verfassungsgemäßen und aufgabenorientierten Finanzausgleich zu sorgen.

Durch den Haushaltserlass mit eingepreistem FAG haben Sie im uns als Parlament ignoriert. Ein noch nicht verabschiedeter Gesetzentwurf findet in den Haushalten der Kommunen bereits Anwendung.
Regierung kommt ja häufig besser ohne Parlament aus!Durch erneut veränderte Zahlen wird es also überall relativ schnell zu Nachtragshaushalten kommen müssen, Arbeitsbeschaffung für unsere Kämmerer!

Sehr geehrte Landesregierung, ich fordere Sie auf, beseitigen Sie diesen wirtschaftlichen Totalschaden, ein Rechtsstreit zwischen dem Land und Mitgliedern der kommunalen Familie wäre durch unseren Kompromissvorschlag vermeidbar, er schafft den Konsolidierungsempfängern Luft zum Atmen, schafft Zeit zur Analyse und zur Erstellung eines zukunftsfähigen Finanzausgleichsgesetzes für Schleswig-Holstein.