PIRATEN: Deutschland – ein Überwachungsstaat. Virtuelle Rasterfahndung schon heute möglich
Während sich Regierung und parlamentarische Oppositionsparteien am Überwachungsprogramm der NSA abarbeiten, fordert die Piratenpartei Deutschland eine umfassende Aufklärung der deutschen Überwachungspraxis. Hier geht es nicht allein um die Zusammenarbeit der Polizei und Geheimdienste mit ausländischen Behörden, sondern auch um das Netz an innerdeutschen Überwachungssystemen. Dazu Katharina Nocun, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland:»Seit Tagen und Wochen empören sich Regierung und Opposition und zeigen je nach Interessenslage abwechselnd mit dem Finger auf den unzuverlässigen ›amerikanischen Freund‹ oder die zubewahlkämpfenden Koalitionsparteien. Eine Mitwisserschaft wird von allen Seiten beflissentlich abgestritten. Doch bei den Enthüllungen von Edward Snowden geht es nicht um Einzelmaßnahmen. Trotz seiner Monstrosität ist das US-Überwachungssystem PRISM nur ein winziges Puzzleteil in einer riesigen Überwachungsgesamtrechnung, die unser Leben stillschweigend durchleuchtet und rastert. Spätestens seit 2001 wird im ›Krieg gegen den Terror‹ die Privatsphäre der Bürger für nichtig erklärt, und Grundrechte werden reihenweise außer Kraft gesetzt. Und dies über Partei- und Staatsgrenzen hinweg.
Ein Blick in die jüngste Geschichte verrät, dass die Überwachung auch in Deutschland System hat. Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden arbeiten enger zusammen als vom Grundgesetz einst vorgesehen. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten, unsere Lehre aus dem Nazi-Terror und der Stasi-Überwachung wurde von Rot-Grün, Großer Koalition und Schwarz-Gelb systematisch ausgehöhlt. Bei Grundrechtseingriffen haben alle an deutschen Regierungen beteiligten Parteien einander die Hände gereicht. Der internationale Datenaustausch zwischen Polizeien und Geheimdiensten ist mit Abkommen wie den Prümer Verträgen, dem Bankdatenabkommen SWIFT und dem Fluggastdatenabkommen längst politisch gewollter Normalzustand. Die Daten privater Anbieter werden systematisch von Behörden angezapft, und die Zurückhaltung bei der Regulierung privater Sammelwut spricht in diesem Zusammenhang Bände. Wenn Überwachungsgesetze zurückgepfiffen wurden, dann nicht von Berlin, sondern vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Unsere Finanzen und unser sozialer Status, unsere Gespräche, unsere Bewegungen, unser Leben: Der Staat will all das auf Vorrat speichern und in Datenbanken konservieren. Wir Bürger drohen nicht gläsern zu werden, wir sind es bereits zu großen Teilen. Virtuelle Rasterfahndungen sind schon heute möglich.
Der BND ist der Kanzlerin unterstellt. Um sich in ihrem Führungsanspruch nicht komplett lächerlich zu machen, darf sie sich nicht länger hinter ihrem Regierungssprecher verstecken. Wir PIRATEN verlangen eine detaillierte Auflistung, wann und wie oft der BND welche Daten von US-Diensten angefragt hat und welche Informationen dem BND über die Überwachungsprogramme anderer Länder vorlagen. Dafür braucht es noch keinen Untersuchungsausschuss, dafür braucht es einfach nur Courage und einen Blick in die Akten. Bei der Aufklärung innerdeutscher Überwachungsprogramme helfen kann sicher auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Als Leiter der dienstaufsehenden Behörde für die Bundesnetzagentur kann er alle Unterlagen darüber beisteuern, welcher Internetverkehr durch deutsche Dienste überwacht werden kann.
Was wir brauchen, ist ein öffentlich tagender und transparent arbeitender ständiger Ausschuss unter Beteiligung der Zivilgesellschaft, der die Überwachungsgesetze seit 2001 auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft. Und viel mehr noch: Wir brauchen eine politische und gesellschaftliche Kehrwende – weg vom Präventionsstaat, der seine Bürger allseits beobachtet und rastert, hin zu einem Rechtsstaat, der Freiheit und Bürgerrechte über Kontrolle und Überwachung stellt. Dafür stehen die PIRATEN und dafür werden wir uns einsetzen.«