Reform der Kommunalverfassung – Innenminister Klaus Schlie im Landtag: Kommunale Grundstrukturen erhalten und stärken – Mehr Entscheidungsfreiheit
Rede von Innenminister Klaus Schlie in der Debatte des Landtags über eine Reform des kommunalen Verfassungsrechts am Donnerstag (22. März) in Kiel – „Nach intensiver Diskussion der Fraktionen im Innen- und Rechtsausschuss sind wir nun endlich mit dem Änderungsgesetz kommunalverfassungs- und wahlrechtlicher Vorschriften auf der Zielgeraden. Ich möchte heute noch einmal betonen – und insofern komme ich auf die hier am 24. August letzten Jahres geführte Debatte zurück –, dass ich weiterhin der Auffassung bin, dass das Gesetz in weiten Teilen von einem verbands- und parteienübergreifenden Konsens getragen wird. Das hat sowohl die im Innen- und Rechtsausschuss durchgeführte schriftliche sowie mündliche Anhörung der Verbände als auch die Diskussion in den Fraktionen gezeigt.
Im Rahmen dieser Diskussion sind sowohl der Gesetzentwurf der Landesregierung wie auch die Fraktionsentwürfe von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN eingehend geprüft und abgewogen worden. Die kommunalen Landesverbände, die von Anfang an, das heißt von den ersten Vorüberlegungen zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts bis hin zur Vorlage des Gesetzentwurfs, ununterbrochen eingebunden waren, haben ihre Stellungnahmen ausführlich vorbereiten und vortragen können. Dabei sind auch ihre Vorschläge und Ideen in den Gesetzentwurf eingeflossen oder auch Änderungen wieder gestrichen worden.
Externe Sachverständige haben im Rahmen der schriftlichen und mündlichen Anhörung dargelegt, dass die vorgeschlagene Lösung den Anforderungen aus dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2010 an einer verfassungskonforme Ausgestaltung des Aufgabenbestands der Ämter dem Grunde nach gerecht wird und jedenfalls keine ernstzunehmenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Lassen Sie mich dies kurz näher erläutern:
Ganz und gar nicht nachvollziehen konnte ich die im Rahmen der Ausschussberatungen geäußerten Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen Zulassung von amtsinternen Zweckverbänden. Ich halte weiterhin nachdrücklich an der Auffassung fest, dass diese verfassungsrechtlich unproblematisch ist. Schon die im Gesetz über kommunale Zusammenarbeit vorgesehene beschränkte Möglichkeit der Aufgabenübertragung verhindert, dass sich Zweckverbände zu Gemeindeverbänden entwickeln können.
Das hatte auch das Landesverfassungsgericht unter Bezug auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1979 berücksichtigt. Es hatte den Zweckverband als „Gegenmodell“ der Gebietskörperschaft Kreis herausgestellt und ihn ausdrücklich nicht als Gemeindeverband eingestuft.
Ich teile auch nicht die Befürchtungen, dass sich die Gemeinden durch die Gründung einer Vielzahl von Zweckverbänden ihres Aufgabenbestandes und damit ihrer Verantwortung und Pflicht zur Selbstverwaltung entledigen wollen. Die kommunalen Vertreter vor Ort sind vielmehr gewillt, ihre politischen Entscheidungen selbst zu treffen. Daran bestehen aus meiner Sicht keine Zweifel.
Auch die im Zusammenhang mit der Diskussion um die Zweckverbände geäußerte Kritik an der Verpflichtung, dass Zweckverbände amtsangehöriger Gemeinden eines Amtes die Verwaltung des Amtes in Anspruch nehmen müssen, läuft ins Leere. Es wird dabei verkannt, dass lediglich die Durchführung der übertragenen Aufgaben dem Amt obliegt. Und das ist genau die Aufgabe, die die Ämterverfassung originär vorsieht. Insofern bin ich froh, dass diese Vorschläge erhalten geblieben sind.
Der Vorschlag der Landesregierung, im Rahmen der Änderung der Amtsordnung auch die Zusammensetzung des Amtsausschusses mit dem Ziel die Anzahl der Mitglieder stärker zu begrenzen und Stimmkontingente einzuführen, hat in der weiteren Diskussion keine Mehrheit gefunden. Damit bleibt es bei der bisherigen Zusammensetzung der Amtsausschüsse.
Ich verhehle nicht, dass ich mit Blick auf die Praxis und unter Berücksichtigung der zukünftig begrenzten Aufgabenübertragungsmöglichkeit nach wie vor die vorgeschlagene Änderung für sinnvoll und gut erachte; gleichwohl trage ich den Kompromiss natürlich mit.
Im Laufe der eingehenden Beratung des Gesetzentwurfs ist auch deutlich geworden, dass die Kritik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an der kommunalen Struktur in unserem Land unberechtigt ist. Auch die Vorstellung, quasi im Rahmen einer Gebietsreform die Strukturen auf kommunaler Ebene völlig neu ordnen zu müssen, wird parteiübergreifend mit breitester Mehrheit abgelehnt. Ein klares zukunftsfähiges Konzept war jedenfalls für keinen Beteiligten hinter dieser Vorstellung erkennbar.
Dies war auch den Hinweisen der Gutachter im Rahmen der mündlichen Ausschussanhörung zu entnehmen. Dort wurde ebenso deutlich, dass sich die kommunalen Strukturen in unserem Land bewährt haben. Der Verlauf der zahlreichen von mir angestoßenen Regionalkonferenzen zur Erarbeitung des Gesetzentwurfes hat zudem deutlich bestätigt, dass eine Strukturveränderung großen Umfanges von den Menschen vor Ort nicht gewollt ist. Angesichts dessen bin ich schon sehr überrascht, dass Bündnis 90/Die Grünen und der SSW an ihren gebietsreformerischen Vorstellungen festhalten wollen.
Das Gesetz, das wir heute verabschieden wollen, wird getragen von unserem Willen, die bewährten kommunalen Grundstrukturen im Land im Konsens mit der Kommunalpolitik vor Ort zu erhalten und stärken. Wir wollen die Ämter in ihrer bisherigen Aufgabenstellung unterstützen und haben dazu entsprechend der Vorgaben des Landesverfassungsgerichts einen praktikablen Weg gefunden, die Möglichkeit der Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter in quantitativer sowie in qualitativer Hinsicht einzuschränken und damit die Entwicklung der Ämter zu Gemeindeverbänden zu unterbinden.
Der Gesetzentwurf führt insgesamt – und das ist ein wesentliches Anliegen der Koalition gewesen – zu mehr Entscheidungsfreiheit der Kommunalpolitik vor Ort. Beispielhaft hierfür ist, dass Gemeinden über 4.000 Einwohnerinnen und Einwohner ohne eigene Verwaltung künftig selbst darüber entscheiden können, ob sie einen hauptamtlichen Bürgermeister haben wollen. Damit wird gerade den Bedürfnissen zentraler Orte entsprochen. Ich sage dies ganz bewusst, weil die SPD in einer Presseerklärung unmittelbar nach der Sitzung des Innen- und Rechtsausschuss am 14. März einen gegenteiligen Eindruck erwecken wollte.
Dass ein so umfangreiches Änderungsgesetz in einzelnen Punkten politisch unterschiedlich beurteilt und hinterfragt wird, liegt in der Natur der Sache. Ich möchte aber noch einmal herausstellen, dass wir einen übergreifenden Konsens gefunden haben und Sie vor der Abstimmung über ein Gesetzesvorhaben stehen, dass die Eigenverantwortung der Kommunalpolitik stärken wird und der kommunalen Verwaltungspraxis Erleichterungen bringt.
Und auch wenn vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch Dissens besteht, so appelliere ich an Sie: Stellen Sie diese Bedenken nicht über eine Zustimmung zu den zum jetzigen Zeitpunkt so wichtigen Änderungen des Kommunalverfassungsrechts!“