TOP 24/29 – Netzausbau Ostholtstein
Dazu sagt der Sprecher für Energiepolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Detlef Matthiessen: Leitungsbau geht nicht gegen die Menschen, Leitungsbau geht nur mit den Menschen Wir wollen die Energiewende. Dazu gehört die Leistungsabführung der dezentral erzeugten Energie. Dazu gehört auch eine 380-KiloVolt-Leitung in Ostholstein, also 380.000 Volt Spannung. Das ist ziemlich viel, daher redet man bei 380 und 220-kV-Leitungen von dem Höchstspannungsnetz oder auch dem Übertragungsnetz. Der Betreiber ist der Übertragungsnetzbetreiber, abgekürzt ÜNB. Von der Länge des deutschen Stromnetzes von ca. 1,78 Millionen Kilometer insgesamt entfallen auf die Höchstspannungsebene immerhin ca. 35.700 km. Die Leitungslänge von Göhl in Ostholstein nach Siems in Lübeck beträgt ca. 50 km.
Energiewende: Das bedeutet einen wesentlichen Umbau des Stromnetzes in Deutschland. Die Netzstrukturen müssen weitgehend der neuen dezentralen Erzeugungsstruktur angepasst werden.
Bisher sind die Strukturen von großen zentralen Kraftwerken im Gigawattbereich geprägt. Davon gehen 380 kV-Leitungen aus, die sich über die Mittelspannungsebene von 110 kV Rauf- und Runtertransformieren und in die Peripherie ausdünnen – bis zum Bauernhof an der dänischen Grenze oder auf der Insel Fehmarn. Dort wird in der Regel mit einem 30 kW Leistung tragenden Leitungsquerschnitt die Landwirtschaft versorgt.
Aber statt Ferkellampen und Getreidetrocknung, die sich mit den 30 Tausend Watt begnügen, steht plötzlich eine Windenergieanlage (WEA) mit 2,5 Millionen Watt Leistung auf dem Acker. Und nicht nur eine sondern beim Landnachbarn steht noch eine. In Nordfriesland erwarten wir 2,5 Gigawatt – wie zwei Atomkraftwerke –, in Dithmarschen 2 GW in Ostholstein 1 GW. Insgesamt wollen wir uns von derzeit ca. 3,6 GW Leistung onshore-Windenergie auf ca. 9 Gigawatt steigern.
Alle im Landtag vertretenen Parteien tragen diese Politik mit, wir alle wollten die Erweiterung der Windeignungsflächen. Wer A zur Windenergie sagt, muss auch B zur Leistungsabführung sagen. Die Bundesnetzagentur hat den Bedarf für eine 380 kV-Leitung an der Ostküste festgestellt und auch meine Fraktion trägt dies mit, zumal wir in unserem grünen Stromplan genau dies bereits im April 2011 gefordert haben. Ebenso haben wir die Leitung Göhl-Kiel kritisch gesehen. Beide Positionen wurden jetzt nach eingehender technischer Prüfung bestätigt.
Das, meine Damen und Herren, ist die eine Seite der Medaille. Den CDU-Antrag können wir jedoch nicht mittragen. Er ist in der Tonalität zu vollmundig. „Keine weiteren Prüfungen“. „Basta“. Das ist Brechstangenpolitik, Gutherrenart, das ist Politik der Vergangenheit.
Akzeptanzpolitik sieht anders aus. Minister Habeck hat das an der Westküste vorgemacht. Die Energiestaatssekretärin hat in Sachen der 380 kV-Leitung Hamburg Nord–Dollern direkt mit Bürgerinitiativen verhandelt. Sie saß bei LandeigentümerInnen in der Wohnstube. Es sind dann trotz des damals schon fortgeschrittenen Verfahrens einige Veränderungen und Verschwenkungen gelungen.
Wir haben doch gerade erst gelernt, dass es keinen Flächenanspruch gibt, der rechtlich alle anderen beiseiteschiebt: Siehe die A 20 bei Segeberg. Und ich sage: Das ist gut so in unserem Rechtsstaat!
Es ist doch auch nachvollziehbar, dass die Nachbarschaft von Autobahnen, Einkaufszentren, Windanlagen oder eben auch Stromleitungen nicht durchgängig als angenehm empfunden wird.
Da müssen wir die soeben gelernte und erprobte Dialogkultur hochhalten. Wir müssen auf vorgezogene Bürgerbeteiligung setzen, die Ochsentour auf uns nehmen, zahlreiche Fragen beantworten die Belange der Menschen ernst nehmen. Das müssen wir auch in Ostholstein machen.
Liebe CDU, nehmen sie doch ihre Parolen aus ihrer Naturschutzpolitik: Leitungsbau geht nicht gegen die Menschen, Leitungsbau geht nur mit den Menschen.
Ob es Versorgungssicherheit ist, ob es Erdkabelalternativen sind, ob es nicht doch mit 110 kV-Leitungen geht und, und, und…
Das wollen die Menschen wissen, Alternativen, die vorgeschlagen werden, sollen geprüft werden. Raumordnung oder Planverfahren, das wollen die Menschen wissen. Die Antworten sind wir ihnen schuldig.
Sorgfältige Planung ist auch erforderlich, weil das Stromnetz und Leitungen technisch sehr lange halten und genutzt werden. Wir haben teilweise 80 Jahre alte Technik, die immer noch funktioniert.
Die Energiewende kommt. Das ist sicher. Besser und schneller kommt sie jedoch mit der Akzeptanz der Menschen, für die wir alle sehr hart arbeiten müssen.