Unternehmen in Schleswig-Holstein bewerten wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen so schlecht wie ni
Die konjunkturelle Lage in Schleswig-Holstein bleibt weiter angespannt. Trotz einer leichten Verbesserung im vierten Quartal 2023 lässt sich keine Trendwende beobachten. Der Konjunkturklimaindex der IHK Schleswig-Holstein steigt zwar von 81,7 auf 84,5 Punkte, bleibt damit aber auf einem niedrigen Niveau und liegt weiterhin unter seinem langjährigen Mittel von 108,1 Punkten. „Fachkräftemangel, ein ungünstiges Zinsumfeld und der schwache Konsum erweisen sich weiterhin als herausfordernd für die Wirtschaft. Aber besonders unzufrieden sind die Unternehmen mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Die Warnzeichen werden immer lauter: Hier muss die Politik dringend handeln und Bedingungen schaffen, die die Unternehmen eigenverantwortlich wirtschaften lassen, statt diese zu gängeln“, sagte Hagen Goldbeck, Präsident der IHK Schleswig-Holstein, heute (16. Februar 2024) in Kiel.
Zur aktuellen Situation sind die Einschätzungen ausgeglichen: Knapp 30 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Situation als gut. Fast jeder vierte Betrieb (23 Prozent) spricht von einer schlechten aktuellen Lage. Es sind vor allem die Geschäftserwartungen, die die konjunkturelle Lage eintrüben: 42 Prozent der Befragten erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verschlechterung ihrer Geschäfte. Der Anteil der Betriebe, der mit einer Verbesserung rechnet, liegt bei gerade einmal neun Prozent. „Alles in Allem zeigt sich ein sehr hartnackiger Pessimismus in der norddeutschen Wirtschaft“, so Goldbeck.
Die schwächelnde Konjunktur wirkt sich auf alle Branchen aus. Vor allem betroffen sind der Einzelhandel und das Verkehrsgewerbe. Außer den hohen Kraftstoffkosten ist es die Mautausweitung, die dem Verkehrsgewerbe zu schaffen macht. Aber auch der Fachkräftemangel wird als ein zentrales Problem benannt. Der Einzelhandel konnte sich seit der Corona-Pandemie kaum erholen. In der Phase der hohen Inflation verringerten sich die Realeinkommen, was zu einer spürbaren Konsumschwäche führte. Trotz wieder steigender Realeinkommen verhalten sich die Konsumenten immer noch zurückhaltend: 53 Prozent der befragten Einzelhändler beurteilen die Konsumneigung im vierten Quartal 2023 als schlecht.
Im Durchschnitt der langjährigen Konjunkturbefragung benennen die Betriebe zweieinhalb Geschäftsrisiken, mit denen sie sich konfrontiert sehen. In der aktuellen Befragung gaben die Unternehmen allerdings mehr als drei (3,2) Geschäftsrisiken an. „Aktuell sehen wir deutlich erhöhte Werte in der Risikobewertung. Das zeigt uns, wie tief viele Unternehmen noch immer im Krisenmodus stecken“, sagt Goldbeck. Als größtes Risiko bewerten die Befragten nach wie vor den Fachkräftemangel: 63 Prozent sind vom geringen Arbeitskräfteangebot betroffen. Fast zwei von drei Firmen (62 Prozent) sind darüber hinaus unzufrieden mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und sehen darin einen Wettbewerbsnachteil. Noch nie wurde dieser Faktor von so vielen Unternehmen in Schleswig-Holstein als Risiko eingeschätzt.
Die IHK-Konjunkturbefragung zeigt, dass in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung und den Kurs der Wirtschaftspolitik Unsicherheiten dominieren. Um mit den zukünftigen Herausforderungen umgehen zu können, benötigen die Unternehmen jedoch dringend die richtigen Rahmenbedingungen. Die Politik müsse mit einem kräftigen Aufbruchssignal und langfristig verlässlichen, wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen Vertrauen zurückgewinnen, Zuversicht für eine gelingende Transformation schaffen und endlich wieder Entwicklungschancen ermöglichen. „Wir brauchen: konkurrenzfähige Strompreise, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, Investitionen in Infrastruktur und eine umfassende Entbürokratisierung“, fordert Goldbeck.
Dazu müsste die Politik die im Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung beschlossenen Änderungen konsequent verwirklichen. Nach der vielversprechenden Vereinbarung zwischen Bund und Ländern sei es wichtig, dass den Ankündigungen rasch Taten folgten und die Politik Verbindlichkeit schafft. Goldbeck: „Es braucht einen Befreiungsschlag gegen die Bürokratie – und zwar schnell. Das Bürokratieentlastungsgesetz IV soll die Digitalisierung aller wirtschaftsbezogenen Verwaltungsleistungen und eine Entlastung der Wirtschaft von übermäßigen Pflichten bringen. Gemeinsam mit den Plänen der EU-Kommission zur Reduzierung von Berichtspflichten setzt es die richtigen Signale. Für die Unternehmen zählt aber nur, was sie im betrieblichen Alltag konkret als Entlastung erfahren – und davon kann bislang keine Rede sein.“
Aus diesem Grund fordert die IHK Schleswig-Holstein eine Reform der Unternehmenssteuer, um den Betrieben über eine Beschleunigung steuerlicher Abschreibungen und Verbesserungen bei Verlustverrechnung Liquidität und Freiräume für Investitionen zu verschaffen. „Auch die Gewerbesteuer lässt sich durch eine gewinnabhängige Kommunalsteuer ersetzen“, ergänzt der Präsident. Von großer Bedeutung sei es zudem, die Stromsteuer und -zusatzkosten wie Umlagen und Netzentgelte deutlich zu reduzieren, damit die deutsche Industrie wieder wettbewerbsfähig wird. „Es ist paradox, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, nicht in der Lage ist, zu den Spitzenreitern bei den Standortfaktoren zu zählen. Hier muss endlich etwas passieren, damit wir den Anschluss halten und unseren Wohlstand erhalten können.“
Goldbeck: „Unser Konjunkturbericht spricht eine deutliche Sprache: Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein war seit Aufzeichnungsbeginn noch nie so unzufrieden mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Wir appellieren daher an die politischen Entscheidungsträger, pragmatische und effiziente Lösungen zu schaffen, um die Wirtschaftsentwicklung zu beschleunigen, Bürokratie abzubauen und Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort zu sichern.“
Für die Konjunkturumfrage im dritten Quartal 2023 haben die IHKs Flensburg, Kiel und Lübeck rund 4.100 Unternehmen in ihren Bezirken angesprochen. 986 haben sich an der Umfrage beteiligt und ihre Einschätzungen geteilt. Das entspricht einer Rücklaufquote von 24 Prozent.