Unternehmensnachfolge: „Am Ende muss einer das Sagen haben!“
Unternehmensnachfolge: „Am Ende muss einer das Sagen haben!“ – Ein eigenes Unternehmen gründen und leiten – das Ideal von der Selbstständigkeit ist in den vergangenen Jahren ins Wanken geraten. Auch das Interesse an der Übernahme bestehender, erfolgreicher Unternehmen lasse spürbar nach. „Zu Unrecht“, betonte Helmut Bauer von der Kieler Unternehmerberatung HWB. „Ich bin froh, selbstständig zu sein und meinen Traumjob gefunden zu haben“, sagte er vor rund 30 Studenten in Lübeck. „Schleswig-Holstein sollte bei den Neugründungen oder Unternehmensnachfolgen ganz oben stehen. Die einzigartige und solide Förderkulisse im Land ist ein großer Vorteil im Vergleich zu anderen Ländern“, ergänzte Bauer mit Hinweis auf die öffentlichen Förderinstitute Investitionsbank Schleswig-Holstein, die Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft, die Gründer und Unternehmer gemeinsam mit den Hausbanken finanziell unterstützen. Bauer sprach auf Einladung der IHK zu Lübeck und der Fachhochschule Lübeck über das Thema „Abenteuer Unternehmensnachfolge“.
Ziel der Vortragsveranstaltung auf dem Campus war es, bei den Studenten als zukünftigen Entscheidern und Innovationstreibern das Interesse an der Übernahme eines Unternehmens zu wecken. „Bis 2025 stehen allein in Schleswig-Holstein und Hamburg rund 14.000 Betriebe mit einem Jahresumsatz zwischen einer und 200 Millionen Euro zur Übergabe an. Viele könnten vom Markt verschwinden, wenn sich kein Nachfolger findet“, so Bauer. Noch vor wenigen Jahren war eine Übernahme in der Familie in mehr als zwei Dritteln der Unternehmen selbstverständlich. Heute liegt die Quote nur noch bei rund 45 Prozent. „Die Bereitschaft, ein persönliches Risiko einzugehen, nimmt deutlich ab. Das Interesse am Betrieb der Eltern lässt aber auch nach, weil der Arbeitsmarkt derzeit hoch dotierte Posten und gute Bedingungen hergibt. Viele junge Leute wollen als Unternehmer nicht auf Urlaub verzichten oder sich mit Geldgebern oder Kunden streiten.“ Auch das Image des Unternehmers sei in den vergangenen Jahren immer schlechter geworden, beklagte Bauer.
Interessiert sich ein Familienmitglied oder ein leitender Mitarbeiter für die Übernahme eines Unternehmens, gibt es häufig weitere Schwierigkeiten. Die Finanzierung sei bei der Vorlage eines schlüssigen Konzeptes oder Business Plans in der Regel möglich. Aber der bisherige Inhaber könnte auf die Bremse treten, um weiter mitzubestimmen und Geld zu verdienen. „Viele Übergeber können am Ende nicht loslassen“, sagte Bauer. Das Problem ließe sich aber in den meisten Fällen durch Gespräche oder die Einschaltung professioneller Vermittler lösen.
Eine klare Linie zogen auch die jetzigen Geschäftsführer der H+J Brüggen KG in Lübeck bei der Übernahme. Einer von ihnen ist Konsul Jochen Brüggen, der den Studenten ein Beispiel aus der Praxis aufzeigte. In einer wirtschaftlich schwierigen Zeit nahmen Jochen Brüggen sowie sein Bruder Johannes und sein Cousin Hanno die Geschicke ihres Unternehmens in die Hand. Eine klare Bedingung für die Übernahme war vollständige Handlungsfreiheit. „Als das gelungen war, schlossen wir einen Pakt: Wir verständigten uns darauf, alle wichtigen Entscheidungen einstimmig zu schließen und so auf Streit zu verzichten“, sagte Jochen Brüggen. Damit legte die junge Generation den Grundstein für den großen Erfolg, der bis heute anhält. Brüggen hat sich den Markt für Handelswaren erschlossen und sich in Skandinavien, Polen und Frankreich erfolgreich positioniert. Das Unternehmen gehört zu den größten Cerealien-Herstellern weltweit.
Auf die Frage, wie es denn mit seiner eigenen Nachfolge aussehe, entgegnete der 53-jährige Brüggen: „Die Übergabe steht zwar noch nicht an, ich bereite sie aber vor. Erste Gespräche mit meinen Kindern habe ich geführt, wir haben über ein Studium und mögliche externe Tätigkeiten zum Sammeln von Erfahrung gesprochen.“ Läuft alles nach Plan, begleitet Jochen Brüggen seinen Nachfolger als Geschäftsführer noch eine Zeit lang. „Aber irgendwann muss Schluss sein, am Ende kann nur einer das Sagen haben.“
Rat erhalten Übergebende und Übernahme-Interessenten bei der IHK zu Lübeck. Deren Experten beraten ihre Mitglieder beim Übergabeprozess und stellen Kontakt zu externen Fachleuten her, sofern das erforderlich ist. Zudem unterstützen die IHKs in Schleswig-Holstein Interessenten beider Seiten über eine interne, diskret geführte, landesweite IHK-Nachfolgedatenbank. Unternehmer, die noch auf der Suche nach einem Nachfolger sind und Nachfolge-Interessenten, die ein zur Übergabe stehendes Unternehmen suchen, können sich an Herrn Peer Krellenberg von der IHK zu Lübeck unter der Telefonnummer: (0451) 6006-184 oder per E-Mail an: krellenberg@ihk-luebeck.de wenden. Bundesweit finden Interessanten über die Nachfolgebörse www.nexxt-change.org zusammen. „Vorbereitung und Übergabe können viel Zeit in Anspruch nehmen. Daher sollten sich die Parteien frühzeitig mit dem Thema Nachfolge auseinandersetzen und auf uns zukommen“, riet Peer Krellenberg, der bei der IHK das Thema Unternehmensnachfolge betreut, den Studenten.
Die IHK zu Lübeck engagiert sich regelmäßig gemeinsam mit der Fachhochschule und der Universität zu Lübeck bei der Beratung der Studenten, um diese über die Möglichkeiten einer Selbstständigkeit zur Verwirklichung ihrer Ideen zu informieren. IHK-Referent Robert Semkow ist regelmäßig bei Vortrags- oder Informationsveranstaltungen im „Gründer Cube“ auf dem Campus vertreten. Zudem bietet die IHK in Kooperation mit dem „Gründer Cube“ Beratungen zu spezifischen Themen an, wie am Dienstag, 1. November 2016, mit der Veranstaltung „Existenzgründung im Nebenerwerb“.