Urheberrecht ist wichtig, aber Schnüffelsoftware ist keine Lösung
Der Rahmenvertrag für die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke in Schulen, den die Kultusministerkonferenz mit den Schulbuchverlagen im Dezember 2010 geschlossen hatte, ist seit Januar 2011 in Kraft.
Der Text steht im Netz und wäre nicht so interessant, wenn da nur nicht Paragraph sechs, Absatz vier wäre. Dort wird vertraglich vereinbart, dass jährlich ein Prozent der Schulrechner mit Hilfe eines so genannten Schultrojaners auf digitale Kopien urheberrechtlich geschützter Werke untersucht werden sollen. Schulen sollen AnsprechpartnerInnen nennen und die Bundesländer verpflichten sich „bei Bekannt werden von Verstößen (…) gegen die betreffenden staatlichen Schulleiter und Lehrkräfte disziplinarische Maßnahmen einzuleiten”.
Wir halten es für falsch und gefährlich, dass Schleswig-Holstein zugestimmt hat, solche Software auf Schulcomputern zuzulassen. Damit fühlen sich alle Lehrkräfte unter Generalverdacht gestellt.
Während beispielsweise der Einsatz von Spähsoftware durch die Polizei sehr hohen rechtlichen Hürden unterliegt, soll die Plagiatssoftware eingesetzt werden, ohne dass überhaupt ein Verdacht vorliegt. Das sehen wir extrem kritisch.
Ob Lehrerinnen und Lehrer disziplinarisch belangt werden, steht normalerweise im Ermessen. In diesem Fall eine Verpflichtung zu Disziplinarmaßnahmen festzuschreiben, ist völlig verfehlt.
Man muss bedenken: Es handelt sich nicht um Kriminelle, die sich am Download illegaler Musik- und Videodateien bereichern wollen, sondern um Lehrerinnen und Lehrer, die sich bemühen, ihren SchülerInnen etwas beizubringen.
Wir begrüßen die Ankündigung der Kultusministerkonferenz vom 13. Dezember, die in Paragraf sechs Absatz vier des Vertrages beschriebene „Scansoftware“ bis auf weiteres nicht, jedenfalls nicht im Jahr 2012, zum Einsatz kommen zu lassen. In der gleichen Pressemitteilung wird angekündigt, im ersten Quartal 2012 ein weiteres Gespräch zu führen, um mögliche Alternativen zu diskutieren. Dieses Quartal endet in wenigen Tagen.
Minister Klug, hat dieses Gespräch stattgefunden? Wir wären sehr neugierig zu erfahren, was dort besprochen wurde und hoffen, Sie berichten uns heute darüber.
Dabei wäre es auch interessant zu erfahren, inwieweit andere offene Fragen inzwischen geklärt wurden: Warum werden die Datenschutzbeauftragen nicht schon bei der Entwicklung der Software hinzugezogen, anstatt später nur das fertige Produkt beurteilen zu müssen?
Werden die 16 Datenschutzbeauftragen der Länder separat konsultiert? Wer soll eigentlich die Installation und den technischen Support für die Plagiatssoftware bezahlen? Das kostet schließlich Personal, und ist bekanntermaßen nicht umsonst zu haben. Die Schulbuchverlage bezahlen es jedenfalls nicht. Und die Lehrerinnen und Lehrer freuen sich auch nicht über eine weitere administrative Aufgabe, die sie davon abhält, ihre Zeit den SchülerInnen zu widmen. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, welche zukunftsweisenden Konzepte der freien Nutzung von Lehrmaterialien für die Schulen sinnvoll wäre? Wir hoffen, dass Sie uns zu all dem Erhellendes zu sagen haben.
Minister Klug, ich glaube, Sie haben gar nicht genau gewusst, was da im Vertrag steht, das Ganze ist Ihnen durchgerutscht. Und nun fliegt es Ihnen und Ihren Bildungsministerkollegen um die Ohren. Das kann ja mal passieren. Aber jetzt begrenzen Sie den Schaden und setzen Sie sich für eine Änderung des Vertrags ein. Urheberrecht ist richtig und wichtig, aber Schnüffelsoftware ist keine Lösung.
Wir unterstützen den Antrag der Linken. Der identische Antrag ist bereits im Berliner Abgeordnetenhaus von Grünen, Linken und Piraten gemeinsam gestellt worden. Vertrauen Sie Ihren Lehrerinnen und Lehrern. Verhindern sie den Einsatz des Schultrojaners an unseren Schulen.
Autor: Jörg Nickel