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Menschlich gesehen

Wie barrierefrei ist der Urlaub in Travemünde? Die Grüne Fraktion Lübeck machte den Check vor Ort

Barrierefreies Reisen wird aufgrund der demografischen Entwicklungen zunehmend wichtiger. Während dies z.B. große Kreuzfahrtkonzerne bereits erkannt haben und ihre Schiffe entsprechend bauen und zertifizieren lassen, hinken viele Badeorte hinterher. Die GRÜNE Fraktion war vor Ort in Travemünde und hat den Test gemacht. Das Ergebnis: mangelhaft.
Helmut Müller-Lornsen, sozialpolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion: “Wir als GRÜNE Fraktion setzen uns für mehr Teilhabe und Inklusion ein, so dass unsere schöne Stadt möglichst für alle Menschen ein lebenswerter Ort ist. Dazu gehört auch der Besuch des Seebads Travemünde. Wir wollten wissen: Wie barrierefrei ist denn der Ort und der Zugang zum Strand?

Dazu haben wir uns mit zwei Rollstuhlfahrern den Weg vom Strandbahnhof bis hinunter zum Wasser angeschaut. Wir wollten wissen, wie sind die Beschilderungen? Wo gibt es barrierefreie Toiletten ? Wie ist der Zugang zum Strand? Kommt man überhaupt an bzw. in das Wasser?

Mandy Siegenbrink, Co-Fraktionsvorsitzende und Mitglied im Sozialausschuss: “Ich habe mich für diesen Test auf das Abenteuer eingelassen und mich im Rollstuhl durch Travemünde bewegt. Erst so bekommt man richtig das Gefühl für die vielen Hindernisse und Beschwerlichkeiten. Und davon gab es so einige.

Das fing direkt nach meiner Ankunft am Bahnhof an, denn die Suche nach barrierefreien Toiletten am Bahnhof blieb ergebnislos. Eigentlich sollten diese an einem Bahnhof mit Regio-Anbindung eine Selbstverständlichkeit sein.

Schwierigkeiten bereitete mir dann auch der Weg hinunter zur Promenade. Hier gab es an zwei Fußgängerüberwegen keine richtig abgesenkten Bordsteine, so dass ich Hilfe benötigte, um diese passieren zu können.

An der Promenade suchten wir weiter nach einem barrierefreien WC, fanden dieses jedoch nur nachdem wir den “normalen” WC Schildern gefolgt waren. Eine spezielle Beschilderung für diese barrierefreie Toilette gab es nicht.

Der Zugang zum Strand ist durch eine lange Rampe möglich. Im vorderen Strandbereich kann man sich im Rollstuhl auf Holzplanken bewegen. Doch auf dem Weg Richtung Wasser kommt auf der Hälfte die Ernüchterung, denn dann hören die Wege auf. Es gibt keine Möglichkeit mit dem Rollstuhl auch nur in die Nähe des Wassers zu kommen.

Bei der Strandkorbvermietung Seipel fanden wir zunächst Hilfe. Als einziger Betreiber hat man sich des Problems angenommen und stellt hier zwei Strandrollstühle zur Verfügung. Allerdings mussten wir in einem Selbsttest feststellen, dass auch mit diesen Strandrolli der Weg durch den Sand äußerst beschwerlich ist. Zudem benötigt man hierfür eine zweite, je nach Gewicht sogar eine dritte Person, um den Rollstuhl durch den Sand zu bewegen. Ein selbstbestimmtes Stranderlebnis sieht anders aus.

Heiner Popken, stv. Mitglied im Sozialausschuss: “Solche Praxistests sind enorm wichtig, da erst vor Ort viele Mängel auffallen. Mich als Rollstuhlfahrer hat es schon seit vielen Jahren nicht mehr nach Travemünde gezogen, und ich wurde bei unserem vor Ort Check in meiner Haltung nur nochmal bestätigt.

Das infrastrukturelle Umfeld des Bahnhofs ist nicht ideal, es fehlt an einer Ausschilderung der barrierefreien Toilette an der Promenade und es gäbe keine Möglichkeit für mich dort an das Wasser zu kommen und zu baden. Dabei gibt es bereits etablierte Systeme wie elektrische Badelifte, die entweder vom Strand oder von einem Pier aus teilweise für die Rollstuhlfahrer*in autark bedienbar, zu nutzen sind.

Es erschließt sich mir nicht, dass bei der Neugestaltung der Promenade für viele Tausend Euro eine Rampe gebaut wurde, ich aber als Rollstuhlfahrer am Strand selbst nichts machen kann. Auch Duschen oder Umkleiden sind nicht für uns ausgelegt.

Hingegen wurde am Brodtener Ufer für 7.000 Euro ein Hundesteg gebaut, der Hunden den Weg ins Wasser ermöglichen soll. Für ganze 25.000 Euro wurde dieser Steg nach Sturmschäden saniert. Hier sind also 32.000 Euro in einen Hundesteg geflossen. Da stellt sich bei mir die Frage nach der Prioritätensetzung bei der Stadt.”

Helmut Müller-Lornsen, resümiert: “Eine barrierefreie Umgebung ist das Fundament für eine inklusive Gesellschaft, in der jeder Mensch die Möglichkeit hat, am sozialen Leben teilzunehmen. Nicht der Mensch (mit einer Behinderung) sollte  sich an die Umgebung anpassen, sondern die Umgebung muss sich an den Menschen anpassen..

Das Seebad Travemünde sollte für alle gleichermaßen erfahrbar sein – dies gilt für Bewohner*innen wie für Besucher*innen. Gerade für so ein beliebtes Reiseziel ist es von zentraler Bedeutung, dass wir allen Menschen, unabhängig von körperlichen Einschränkungen, den Zugang zu unseren Angeboten ermöglichen.

Wirtschaftlich betrachtet verpasst Travemünde die Chance, sich als barrierefreier Urlaubsort für eine wachsende Zielgruppe zu positionieren und attraktiver für Menschen mit Behinderungen und deren Familien zu werden.

Barrierefreiheit ist ein wichtiger Faktor für viele Reisende bei der Auswahl ihres Urlaubsortes. Denn nicht nur Menschen mit Behinderungen und vulnerable Gruppen wie zum Beispiel Senioren, machen Ihre Urlaubswahl von der Infrastruktur vor Ort abhängig. Auch deren Mitreisende wie Freunde und Verwandte müssen sich ja nach den speziellen Anforderungen richten.

Durch die Schaffung eines inklusiven und zugänglichen Umfelds können wir Travemünde für eine breitere Zielgruppe öffnen und so den Tourismus und die lokale Wirtschaft nachhaltig stärken.

Wir werden nun der Verwaltung aufgeben, die kleineren Mängel umgehend zu beheben und längerfristig entsprechende Maßnahmen umzusetzen, die der Barrierefreiheit des Seebads Travemünde zugutekommen.“