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„Wir alle dürfen nicht länger verschweigen, verharmlosen oder wegschauen“

Gemeinsames Gedenken an die Opfer der Schoa und des Völkermordes an Sinti und Roma in Auschwitz. Heidelberg / Krakau (ots) – In einem gemeinsamen Gedenkakt und mit Kranzniederlegungen haben Spitzenvertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma heute (2. August) an die Schoa und den Völkermord an Sinti und Roma erinnert. An der Gedenkfeier anlässlich des vom Europäischen Parlament initiierten Europäischen Holocaust-Gedenktages für Sinti und Roma im ehemaligen Vernichtungslager Birkenau sowie einer Begehung des Stammlagers Auschwitz nahmen neben dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, auch die Präses der Synode der EKD, Irmgard Schwaetzer, und der Vorsitzende des Rates der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, teil. „Der Holocaust an den Sinti und Roma wie an den Juden, die Massenmorde der Nazis in Europa, waren ein Zivilisationsbruch, der uns verpflichtet, heute gegen jede Form von Rassismus und Nationalismus unsere Stimme zu erheben“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, bei der Gedenkfeier. „Auschwitz ist das Gewissen der Wertegemeinschaft demokratischer Staaten. Wir alle dürfen nicht länger verschweigen, verharmlosen oder wegschauen, wenn Antiziganismus und Antisemitismus sich kundtun und wenn Nationalisten und rechte Organisationen unsere demokratischen Werte und den Rechtsstaat beseitigen wollen“, so Rose. „Auschwitz steht wie kein anderer Ort für die Schoa und damit für die Ermordung der Juden sowie der Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten“, erinnerte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster. „Als Juden sind wir der Gemeinschaft der Sinti und Roma zutiefst verbunden. Am heutigen Internationalen Gedenktag erinnern wir an die Sinti und Roma, deren Leben von den Nationalsozialisten grausam ausgelöscht wurden. Unter die Erinnerung darf kein Schlussstrich gezogen werden – das schulden wir den Opfern. Es ist Auftrag und Pflicht der gesamten Gesellschaft, Antisemitismus und Antiziganismus in jeglicher Form zu bekämpfen. Gleichzeitig müssen wir gemeinsam einstehen für unsere Demokratie, die nie wieder in die Nähe einer menschenverachtenden Politik rücken darf“, so Schuster. Die Delegationsteilnehmer der EKD unterstrichen die bleibende Verpflichtung, jeglicher Form der Menschenverachtung entschieden entgegenzutreten. „Der Besuch in Auschwitz als dem Ort eines beispiellosen Menschheitsverbrechens hinterlässt Fassungslosigkeit. Es wird nie zu begreifen sein, wie Menschen anderen Menschen so etwas antun können“, sagte Bedford-Strohm. Umso wichtiger sei es, die Wurzeln von Antisemitismus und Antiziganismus, die zu der Ermordung von Juden und Sinti und Roma in Auschwitz geführt haben, zu ergründen. „Auch der jahrhundertealte christliche Antijudaismus – so müssen wir Christen voller Scham feststellen – hat den mörderischen Antisemitismus gefördert. Das gemeinsame Gedenken heute hier ist für mich deswegen ein sehr berührendes Zeichen. Es bedeutet für mich die Verpflichtung, immer beherzt für die Überwindung aller Formen von Menschenfeindlichkeit und Menschenverachtung zu kämpfen und aktiv für Menschenwürde und Humanität einzutreten“, so der EKD-Ratsvorsitzende. „Dieser Besuch wird mein Leben prägen – die Trauer um die Menschen, die hier gequält und ermordet wurden, die Trauer um all die ungelebten Leben“, sagte die Präses der Synode der EKD, Irmgard Schwaetzer. „Angesichts der gesellschaftlichen Situation in Deutschland, in der Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft offen zutage tritt, ist es unsere Verantwortung als Christen, als Menschen die Erinnerung an die Schoa wachzuhalten, Antisemitismus in jeder Form entgegenzutreten. Für diese riesige Aufgabe sind Orte des Gedenkens wie Auschwitz von herausragender Bedeutung. Auschwitz mahnt uns, alles für die Gestaltung einer menschenfreundlichen und respektvollen Gesellschaft in Europa und darüber hinaus zu tun.“ Am Montag setzen die EKD-Delegation und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland ihren Besuch mit einem Treffen mit dem Direktor der Gedenkstätte, Piotr Cywinski, sowie dem Direktor der Internationalen Jugendbegegnungsstätte , Leszek Szuster, fort. Am Dienstag trifft die EKD-Delegation den Leitenden Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in der Republik Polen, Jerzy Samiec, sowie Vertreter des Polnischen Ökumenischen Rates. Eindrücke von der Gedenkfeier sowie zahlreiche Videostatements von Überlebenden, Politikerinnen und Politikern sind unter https://www.roma-sinti-holocaust-memorial-day.eu/ zu sehen. Fotos und Videomaterial zu Ihrer Verwendung finden Sie unter https://kirchencloud.ekd.de/index.php/s/ekrvdNrIikURYk2 Vor Ort erreichen Sie: Annika Lukas, Pressesprecherin Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mobil unter +49 151-43128889 Marius Lüdicke, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma unter +49 1775000769 Weitere Informationen zur Delegationsreise der EKD finden Sie hier: http://www.ekd.de/gedenken-auschwitz Heidelberg / Krakau, 2. August 2020 Hinweis: Diese Pressemitteilung wird zeitgleich von den Pressestellen der EKD, des Zentralrats der Juden in Deutschland und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma versendet. Mehrfachsendungen bitten wir zu entschuldigen. Weitere Zitate von Rednerinnen und Redner zum 02. August für die Medien zur Berichterstattung: Dr. Wolfgang Schäuble, Präsident des Deutschen Bundestages: „Zeitzeugen werden bald nicht mehr unter uns sein, weder Opfer noch Täter. Die Wahrheit bleibt – und sie bleibt eine Zumutung. Jede Generation hat sich ihr aufs Neue zu stellen. Aus der Erfahrung des Holocaust leitet sich die Selbstverpflichtung unseres Staates ab, die Würde jedes Menschen zu wahren und zu schützen. Auf diesem Fundament fußen unsere freiheitliche Rechtsordnung und ihre Werte. Das ist der Grundkonsens unserer Gesellschaft, der immer wieder verteidigt werden muss. Wir neigen dazu, die demokratische Ordnung für selbstverständlich zu halten. Das ist sie nicht – wie der Alltag und extremistische Tendenzen zeigen.“ Rita Prigmore, Zeitzeugin: Der Antiziganismus bleibt eine weit verbreitete Form des Rassismus. Mit der anwachsenden Radikalisierung und der Verbreitung von rechtsradikalen Organisationen hat auch sich auch der Antiziganismus intensiviert. Heute rufen wir alle Regierungen auf, Antiziganismus offiziell anzuerkennen und als eine spezielle Form des gegen die Gemeinschaften der Sinti und Roma gerichteten Rassimus zu bekämpfen. Alexander van der Bellen, Bundespräsident der Republik Österreich: Der heutige Europäische Holocaust Gedenktag ist ein wichtiges Zeichen von Solidarität. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbockdenken, Hass und Gewalt niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden. „Niemals wieder!“ Nur so können wir dieses Versprechen auch wirklich einlösen. Marija Pejcinovic Buric, Generalsekretärin des Europarates: Das Gedenken dieser Menschen ist lebensnotwendig. Nicht nur, weil jedes der Opfer unseren Respekt verdient, so wichtig das auch ist – sondern auch, weil die Erinnerung an den Holocaust eine Schlüsselrolle beim Wachhalten des historischen Gedächtnisses spielt. Damit wir verstehen, was geschehen ist, wozu die Menschheit fähig ist und wie notwendig es ist, dafür zu sorgen, dass es nie wieder geschieht. Deshalb ist das Gedenken des Holocaust an den Roma eines der Hauptziele des strategischen Aktionsplans im Europarat für die Integration der Roma und der Traveller. Helena Dalli, EU-Kommissarin für Gleichheitspolitik: Dieses Jahr war für uns alle eine schwierige Zeit. Das Coronavirus hat gezeigt, wie verwundbar wir alle sind. Aber diejenigen, die bereits besonders leicht verletzlich sind, haben während der Krise am meisten gelitten. Mit tiefer Sorge habe ich beobachtet, wie einige in der Bevölkerung die Roma wahrnehmen. Sie haben die Roma als öffentliche Gefahr dargestellt oder sie als Sündenböcke benutzt, indem sie Angst und Hass gegen sie geschürt haben. Deshalb ist es so wichtig, die Geschichte des Holocaust lebendig zu halten. David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments: Erinnern darf niemals zu einem hohlen Akt werden, sondern erfordert Anstrengung und Willen, auch politischen Willen. Wir alle müssen Antiziganismus bekämpfen, auf jeder Ebene und mit allen Mitteln. Politisch auf europäischer Ebene, aber auch in jedem einzelnen Mitgliedstaat, im Wohnungs-, Beschäftigungs- ,Bildungs- und Gesundheitssektor, in der Sprache der Medien und der Populärkultur, in alltäglichen Gesprächen und im täglichen Leben. Es gibt noch viel zu tun, und es liegt an uns, etwas zu bewegen Michael O’Flaherty, Director for European Union Agency for Fundamental Rights (FRA): Wir müssen die außerordentliche Vielfalt der Gemeinschaften der Roma, Sinti und Traveller – und ihrer Geschichte – anerkennen, feiern und ein Bewusstsein dafür schaffen. Wir müssen den Holocaust an Sinti und Roma in den Lehrplänen unserer Schulen verankern, wir müssen darüber sprechen. Botschafterin Michaela Küchler, Präsidentin der International Holocaust Remembrance Alliance: Erst 37 Jahre nach Kriegsende hat sich die deutsche Bundesregierung zu dem Völkermord an den Sinti und Roma bekannt. Bis heute ist dieses Kapitel der Geschichte unzureichend erforscht und wird weiterhin verharmlost. Wir als Regierungen, aber auch als Bürgerinnen und Bürger, als Demokratinnen und Demokraten, müssen sicherstellen, dass die Geschichte dieses Völkermords und dieses Leidenswegs nicht vergessen werden, und die Ausgrenzung und Vorurteile zu bekämpfen, mit denen Roma noch heute konfrontiert sind. Stevo Pendarovski, Präsident der Republik Nordmazedonien: Wir alle haben die Pflicht, dem Völkermord an Roma und Sinti in Europa während des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Die persönlichen Zeugnisse der Überlebenden, ihr Leid, ihre Verluste und ihre Traumata sollten uns eine Mahnung sein, zu versprechen, dass sich diese schreckliche Periode der Geschichte nie wieder anderswo in der Welt wiederholen darf. Der einzig mögliche Weg zu Entwicklung und Wohlstand unserer Gesellschaften führt über die Förderung von Menschenrechten und Freiheiten, Solidarität, Menschlichkeit und gegenseitigem Respekt. Zuzana Caputová, Präsidentin der Slowakischen Republik: Die Pandemie, durch die das heutige Gedenken an diesem besonderen Tag eingeschränkt wird, hat tatsächlich die ungleichen Lebensbedingungen zahlreicher Roma-Gemeinschaften noch weiter verschärft. Von unzureichendem Zugang zu Trinkwasser bis hin zu enormen Benachteiligungen, denen Roma-Kinder beim Zugang zu Bildung ausgesetzt sind. Diese Umstände sind Spiegelbild unserer Gesellschaft und unserer Bereitschaft, Raum für Integration zu schaffen und sicherzustellen, dass alle in Würde und Gleichheit leben können. Die Krise hat einmal mehr bestätigt, dass mehr getan werden muss. Ronald S. Lauder, Präsident World Jewish Congress: Indem wir die Erinnerung an den Holocaust wachhalten, sorgen wir dafür, dass zukünftige Generationen aus der Vergangenheit lernen, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Und doch müssen wir in diesen Tagen, Wochen und Monaten erleben, wie sich Hass gegen Sinti und Roma, gegen Juden und andere Minderheiten verbreitet, wie sich Rassismus, Antiziganismus und Antisemitismus ihren Weg bahnen und dieser Samen, dessen DNA sich aus Verschwörungsmythen, Geschichtsrelativierung, Gewaltverherrlichung und Hass zusammensetzt auf fruchtbaren Boden trifft. Die Anschläge in Halle im Oktober 2019 und Hanau im Februar 2020 bleiben bitterste Früchte dieses Samens aus der jüngsten Vergangenheit. Dagegen müssen wir unsere Stimme erheben. Denn Rassismus, Judenhass und Hass gegen Sinti und Roma sind nicht ausgerottet. Sie wachsen weiter, weltweit. Stéphane Dion, Botschafter von Kanada in Deutschland: Ich möchte den Sinti und Rom versichern, dass Kanada als Mitglied der International Holocaust Remembrance Alliance, weiterhin das Bewusstsein für den Völkermord an den Sinti und Roma zu stärken. Roman Kwiatkowski, Vorsitzender des Verbands der polnischen Roma: Die dunkle Nacht des Nazi-Rassismus, dessen unschuldige Opfer unsere Brüder und Schwestern waren, lässt uns mit Angst und Sorge auf die heutige Realität blicken. Ethnonationalismus ist um uns herum präsent. Es scheint, als hätte die tragische Geschichtsstunde nie stattgefunden. Das Schlimmste, was in dieser Situation passieren kann, ist Gleichgültigkeit. Die Ignoranz selbst gegenüber kleinsten Erscheinungsformen von Diskriminierung führt zu deren Vermehrung. Piotr Cywinski, Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau: Diskriminierung von Sinti und Roma existiert in fast ganz Europa… Erinnern wir uns: Diskriminierung führt zu Ausgrenzung, die zu Entmenschlichung führt und das wiederum führt in den Völkermord. Pressekontakt: Thomas Baumann Wissenschaftlicher Mitarbeiter Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Bremeneckgasse 2 69117 Heidelberg +49 6221 981126 http://www.sintiundroma.de presse@sintiundroma.de http://www.facebook.com/sintiundroma Follow us on Twitter: @sintiundromaDE Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/128332/4668236 OTS: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma Original-Content von: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, übermittelt durch news aktuell

Quelle: presseportal.de