Der Mensch hinter dem Antrag – Auszubildende der Barmer GEK Kiel als Pflegekräfte auf Zeit bei der AWO im Einsatz
„Welche Auswirkungen hat es für die Pflegebedürftigen, wenn wir nach Sachlage entscheiden, zum Beispiel bei einem Antrag auf Hilfsmittel?“ Um Antworten auf diese Frage zu erhalten, wechselten der 23-jährige Björn Bartsch und zwei weitere Auszubildende vergangene Woche ihren Arbeitsplatz bei der Kieler Barmer GEK in die Kieler Servicehäuser der AWO, um als Auszubildende zur/zum Sozialversicherungs-fachangestellten (SoFas) im Rahmen der gemeinsamen Aktion „SoFas in die Pflege“ zwei Tage lang in die praktische Altenpflege hineinzuschnuppern. Sein Fazit: „Durch diesen Einsatz habe ich den menschlichen Bezug zu meiner Arbeit bekommen: Ich weiß jetzt, was das für Menschen und Situationen sind, die hinter den Anträgen stecken, die auf meinem Schreibtisch landen.“„Die Themen Alter und Pflege gewinnen für die Krankenkassen immer mehr an Bedeutung“, erklärt Michael Janowski, Regionalgeschäftsführer der Barmer GEK in Kiel. „Laut Pflegereport 2012 der Barmer BEK ist die Zahl der Pflegebedürftigen zwischen 1998 und 2010 um etwa 30 Prozent gestiegen. Die Kurzzeitpflegefälle haben sich zwischen 1998 und 2011 verdreifacht, und immer öfter schließt sich daran eine vollstationäre Dauerpflege an. Umso wichtiger ist es aus unserer Sicht, dass sich schon die Auszubildenden unserer Kassen intensiv mit den Thema Alter und Pflege auseinandersetzen, und zwar nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch“, so Michael Janowski.
Schon im Oktober hatten Björn Bartsch, Kathrin Claßen und Kristof Petersen einen halben Tag lang die Möglichkeit auszuprobieren, wie es sich anfühlt, alt und gebrechlich zu sein oder Wasserbeine zu haben. Möglich gemacht hatten dies Werkzeuge aus dem so genannten „Age Simulator“ und Erzählungen von Auszubildenden zur Altenpflegefachkraft der AWO Pflege Schleswig-Holstein.
Am 12. und 13. Dezember nun unterstützte Bartsch ganz praktisch die Pflegekräfte in der ambulanten Pflege des Servicehauses Ellerbek. „Ich war die dritte und vierte Hand, das heißt ich habe geholfen, wo ich konnte, zum Beispiel beim Anziehen der Kompressionsstrümpfe“, erzählt der Ascheberger. Seine Kollegen Kathrin Claßen und Kristof Petersen kamen in der Tagespflege Am Wohld und im Servicehaus Wellingdorf zum Einsatz. Dafür traten die Drei jeden Morgen um 6 Uhr ihren „Dienst“ an – freiwillig.
„Wir waren angenehm überrascht, dass sich alle Auszubildenden nicht nur freiwillig auf diese neue Erfahrung eingelassen haben, sondern auch wenig Berührungsängste hatte“, berichtet Susanne Weber, stellvertretende Leiterin der Kieler Servicehäuser der AWO. Bartsch selbst wurde gleich zweifach überrascht: „Zum einen, weil die Pflegebedürftigen viel besser kommunizieren konnten als befürchtet. Erschrocken war ich dagegen, wie vielen demenziell erkrankten Menschen ich begegnet bin.“Umso größer ist sein Respekt vor der Leistung der Pflegekräfte geworden: „Man merkt, dass der Zeitfaktor eine große Rolle spielt und sehr darauf geachtet wird, wer wann gepflegt wird. Gerade die demenziell erkrankten Menschen brauchen ja einen klaren Tagesablauf. Da kommt es auf Minuten an, sonst werden sie unruhig. Ich finde es beachtlich, wie die Mitarbeiterinnen das managen und trotzdem alle gut versorgt werden.“
„Dass die jungen Menschen auf diese Weise ihr theoretisches Wissen mit der Praxis in Einklang bringen und erfahren konnten, was Zeit und Qualität in der Pflege wirklich bedeuten, hat uns bestätigt, dass diese Form des Austausches und des Über-den-Tellerrand-Hinausschauens der richtige Weg ist, um gemeinsam den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen“, so Susanne Weber.
Im kommenden Jahr werden deshalb auch die Auszubildenden aus der Pflege die Möglichkeit erhalten, in der Barmer GEK Regionaldirektion zu hospitieren.
Hintergrund
„Wer hat an der Uhr gedreht? Pflege braucht Zeit!“ Unter diesem Motto hat die AWO Pflege Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Sozialverband Deutschland – Landesverband Schleswig-Holstein eine neue Jahreskampagne gestartet. „Mit der Kampagne möchten wir auf die vielfältigen ‚Zeit-Nöte‘ in der Pflege aufmerksam machen – die der Pflegebedürftigen, aber auch derjenigen, die pflegen – und gleichzeitig etwas dagegen tun“, erklärte Uwe Braun, Leiter des Unternehmensbereichs Pflege der AWO Schleswig-Holstein.
Gemeinsam mit dem SoVD, den Ortsvereinen, den Ausbildungsstätten für Altenpflege, den Diensten und Einrichtungen der Pflege und vielen ehrenamtlichen Helfern sammelt die AWO Schleswig-Holstein in den kommenden zwölf Monaten Zeit, um sie anschließend der Pflege zur Verfügung zu stellen. „Dafür, aber auch um die Zeit symbolisch wieder selbst in die Hand zu nehmen, haben wir in allen Diensten und Betrieben „Zeitsammelstellen“ eingerichtet, um Zeitspenden und Uhren zu sammeln“, so Braun. „Am Ende des Jahres wollen wir so viele zusätzliche Stunden für die Pflege gesammelt und Menschen gewonnen haben, die sich auch zukünftig mit ihrer Zeit für die Pflege einsetzen. Denn die Bewältigung der demografischen Veränderung muss eine gesellschaftliche Aufgabe sein und darf nicht allein als Aufgabe der Pflegenden gesehen werden!“
Nähere Informationen zur Kampagne gibt es unter http://www.awo-pflege-sh.de/zeit
Das Kampagnen Logo und weitere Informationen stehen im Downloadbereich zur Verfügung.
http://www.awo-pflege-sh.de/kampagnen/hast-du-etwas-zeit-fuer-mich/downloadbereich/
Die AWO Pflege ist ein Unternehmensbereich der AWO Schleswig-Holstein gGmbH. Rund 1.400 MitarbeiterInnen pflegen, beraten und begleiten alte und pflegebedürftige Menschen an mehr als 40 Standorten in Schleswig-Holstein: in ambulanten Pflegediensten, Servicehäusern und Hausgemeinschaften, in Einrichtungen der WOHNpflege, mit Angeboten zur Urlaubs-, Tages- und Kurzzeitpflege und dem Sozialruf. Sie helfen bei den alltäglichen Verrichtungen, unterstützen, wenn Fähigkeiten eingeschränkt sind, und sorgen für Selbständigkeit, wo das Leben durch Krankheit und Alter beeinträchtigt ist. Gemeinsam mit mehr als 20.000 AWO-Mitgliedern in Schleswig-Holstein engagieren sie sich für eine sozial gerechte Gesellschaft. Im Internet unter www.awo-pflege-sh.de