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Politik & Wirtschaft

Exklusive IHK-Studie belegt: Lösung des Ausbildungsvertrages führt nicht in die Sackgasse

Die Lage im Ausbildungsmarkt bleibt für die Unternehmen angespannt. Auch in diesem Jahr gehen viele Unternehmen bei der Besetzung offener Lehrstellen leer aus, weil die geeigneten Bewerber fehlen. In der Öffentlichkeit hält sich zudem seit Jahren das Gerücht, dass mehr als 20 Prozent der Jugendlichen ihre Ausbildung abbrechen würden. Diese würden anschließend ohne berufliche Perspektive auf der Straße landen und somit zur weiteren vermeintlichen Verschärfung im Markt beitragen.

Eine exklusive Studie der IHK zu Lübeck widerlegt nun dieses Vorurteil. „Die Lösung des Ausbildungsvertrages ist keine Sackgasse. Viele Jugendliche haben Gründe für den Schritt und finden innerhalb kurzer Zeit etwas Neues“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning.

In einer Masterarbeit wertete eine Studentin der Universität Rostock insgesamt 38.011 bei der IHK zu Lübeck hinterlegte Ausbildungsverträge für 250 Berufe aus, die Unternehmen und Auszubildende zwischen 2004 und 2012 geschlossen hatten. Darunter waren 10.335 vorzeitig gelöste Verträge. „Diese Zahl entspricht zwar auf den ersten Blick der gemeinhin unterstellten Quote von mehr als 20 Prozent. Sie bedeutet jedoch nicht, dass tatsächlich annähernd ein Viertel der Jugendlichen ihre Ausbildung abbrachen. Wir haben auch viele Auszubildende registriert, die mehr als einmal etwas Neues angefangen haben“, betont Schöning. Zudem hat die Rostocker Absolventin auch die Gründe für die Auflösungen untersucht. Schöning: „Diese haben in den bisherigen Debatten überhaupt keine Beachtung gefunden. Eine Beurteilung der reinen Zahlen ohne Kenntnisse der Hintergründe nützt niemandem. Sie schadet dem System und den Partnern der dualen Berufsausbildung.“
Die meisten Lösungen gibt es im ersten Ausbildungsjahr. Betroffen sind vorwiegend der Handel, kaufmännische Berufe und die Gastronomie. Dabei unterscheidet die IHK zwischen einer reinen Abbruchquote, die im ersten Lehrjahr rund 11,2 Prozent beträgt. Hinzu kommt die Wechselquote, die im ersten Jahr etwa 5,8 Prozent ausmacht. „Die Zahl der nachweislich von Unternehmen verschuldeten Auflösungen liegt bei nur 5,4 Prozent“, so Schöning. Rund 30 Prozent der Abbrüche haben Auszubildende zu vertreten, und 26,1 Prozent der Auflösungen erfolgen im gegenseitigen Einvernehmen.
Die Ergebnisse der Untersuchung fließen in die Beratung der IHK für Bewerber und Betriebe ein, um Vertragslösungen zu verhindern, kündigte Schöning an. In diesem Jahr weiten die drei IHKs und die beiden Handwerkskammern in Schleswig-Holstein eine entsprechende Studie auf das ganze Land aus. Die Erkenntnisse sollen der Fachkräfteinitiative helfen, Handlungsempfehlungen für die Landesregierung, die Berufsberatung, die Unternehmen und die Kammern abzuleiten. Auf Landesebene haben sich Partner aus Kammern, Institutionen und Verbände 2013 zur Fachkräfteinitiative „Zukunft im Norden“ zusammengeschlossen und damit ein wirksames Instrumentarium für eine Trendwende bei der Fachkräftegewinnung geschaffen. Das Forschungsinstitut Analytix prognostiziert für Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2030 insgesamt eine Lücke von rund 100.000 Fachkräften. Die 2009 gegründete Initiative „Fachkräfte für den HanseBelt“ ist Teil der Landes-Kampagne.
„Unsere IHK sieht sich innerhalb dieses Verbundes in der Pflicht, einen nachhaltigen Beitrag zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften für die regionale Wirtschaft zu leisten“, sagt IHK-Präses Friederike C. Kühn. Die IHK und die Fachkräfte-Initiative würden Unternehmen beraten und darüber informieren, wie sie auch in einem immer enger werdenden Arbeitsmarkt qualifizierte Mitarbeiter gewinnen können. Ein einfaches, aber wirksames Instrument vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ist die von der Initiative erstellte Arbeitgeber-Broschüre mit dem Titel:  „Ohne Fachkräfte fehlt uns etwas“. In dem Werk zeigen die Experten unterschiedliche Möglichkeiten zur Deckung des Fachkräftebedarfs auf. Die übersichtliche Auflistung von Adressen wichtiger Ansprechpartner ist ein zusätzlicher Service für die Nutzer. „Die Broschüre bündelt alle Informationen“, so Kühn. „Aufgrund ihrer Übersichtlichkeit erspart sie den Unternehmen aufwändige Recherchen im Internet.“
„Im Mittelpunkt stehen sechs potenzielle Gruppen von Fachkräften, um die sich auch kleine Unternehmen mit Erfolg bemühen können“, erläutert Gülten Bockholdt, Sprecherin der Fachkräfte-Initiative und Mitglied der Geschäftsleitung der Lübecker BOCKHOLDT Gebäudedienste KG. „Mit der Broschüre möchten wir den Blick der Unternehmen für die Methoden, Hilfestellungen und Instrumente schärfen, die ihnen bei der Gewinnung und weiteren Qualifizierung von Fachkräften nützlich sein können.“ Die Schwerpunkte liegen bei
 der Weiterentwicklung der Mitarbeiter im eigenen Unternehmen,
 der Ausbildung junger Menschen,
 jungen Akademikern,
 Frauen und Familiengebundenen,
 der Generation Erfahrung/Beschäftigte 50plus und
 internationalen Fachkräften.