Familienpolitik muss Demografie abbilden
2,6 Millionen Menschen sind gegenwärtig pflegebedürftig, von denen 1,25 Millionen ausschließlich von Angehörigen im privaten Umfeld betreut werden. Weitere 600.000 erhalten ambulante Unterstützung. In etwa zwei Drittel der Fälle von Pflegebedürftigkeit sind damit Angehörige involviert. Nach Ansicht des BDH Bundesverband Rehabilitation entwickelt sich die Pflege Angehöriger zu einem integrativen Bestandteil zukünftiger Familienpolitik. Allerdings werde auch die Wirtschaftspolitik ihren Beitrag leisten müssen, den passenden Rahmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu ermöglichen, so Ilse Müller, Vorsitzende des Sozialverbands. Bislang seien zwar erste Schritte in die richtige Richtung unternommen worden, doch seien dies lediglich Trippelschritte gewesen, denen jetzt die raumgreifenden zu folgen hätten: „Eine zeitgemäße Familienpolitik muss die demografische Veränderung der Bevölkerung unseres Landes adäquat berücksichtigen. Es ist allerhöchste Zeit, die Familien zu entlasten und nicht länger darauf zu setzen, dass sich das Land durch das Problem des wachsenden Pflegebedarfs schon noch durchwursteln werde. Pflege bedeutet psychische und physische Höchstleistung, dies häufig neben dem Beruf. Da sind ortsnahe und transparente Beratungsangebote zur Klärung der Tagespflege sehr wichtig. Hier besteht erhebliches Verbesserungspotenzial.“
Der AOK-Bundesverband schätzt die Pflegeleistung der Familien „zurückhaltend gerechnet auf rund 29 Milliarden Euro pro Jahr.“ Daraus ergebe sich nach Ansicht der Verbandsvorsitzenden eine Pflicht, Pflegende stärker zu unterstützen. Die Anhebung des Pflegbeitrags um 0,5 Prozentpunkte reiche einfach nicht aus, Familien auch finanziell bei der Pflege ausreichend unter die Arme zu greifen. „Fiskalisch und wirtschaftlich gesehen, steht unser Land stabil dar. Die Finanzlage lässt es zu, Tagespflegeeinrichtungen und längere Familienpflegezeiten zu finanzieren. Pflegende Angehörige dürfen unter keinen Umständen durch ihren Einsatz finanziell oder beruflich schlechter gestellt werden“, so Müller. Als kurzsichtig bezeichnete die Verbandsvorsitzende den Umgang mit Fragen medizinischer Prävention und Rehabilitation. Sollte die Bereitschaft da sein, Präventivmaßnahmen zur Vermeidung dauerhafter Pflegebedürftigkeit auch gesetzlich stärker zu verankern, werde das auf lange Sicht Druck vom Kessel in der Pflegeversicherung nehmen, so Müller weiter.