Neupräsentation der Mittelaltersammlung und neue Sonderausstellung
Neupräsentation der Mittelaltersammlung und neue Sonderausstellung – Wunderbare Nachwirkungen im Museumsquartier: Im Zuge der kürzlich zu Ende gegangenen, international beachteten Ausstellung Lübeck 1500. Kunstmetropole im Ostseeraum konnten mehrere Werke aus dem Depot restauriert und Exponate aus der Dauerausstellung konservatorisch bearbeitet werden. Das Museum hat dies zum Anlass genommen, die nunmehr um sechs kostbare Stücke erweiterte Mittelalter-Ausstellung teilweise neu zu präsentieren. Der weltberühmte Memling-Altar wird jetzt solitär gezeigt – er ist erstmals von allen Seiten zu betrachten. Und: In den Sonderausstellungsräumen des St. Annen-Museum wird die Schau hautnah – unsere Heiligen unter der Lupe eröffnet. Zu sehen sind 46 spektakuläre Detailfotos von mittelalterlichen Heiligenbildern aus der Sicht der Restauratorin Maire Müller-Andrae. Sie entstanden bei den Vorarbeiten für Lübeck 1500.
Die hinzu gewonnenen Exponate und die beeindruckende neue Sonderausstellung wurden am heutigen Freitag im Rahmen eines Pressetermins der Öffentlichkeit präsentiert.
„Mit der Neupräsentation der Mittelaltersammlung greifen wir den Schwung auf, den die große Jubiläumsausstellung dem Haus verliehen hat. Ich freue mich sehr, dass so eine nachhaltige Wirkung für das St. Annen Museum erreicht werden konnte“, betonte Prof. Dr. Hans Wißkirchen, Leitender Direktor der Lübecker Museen.
Ergänzung der Mittelaltersammlung
Die Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke des St. Annen-Museums ist ein Schatz. Sie ist von überregionaler Bedeutung, von der Fachwelt und Besuchern hoch geschätzt. Die sakralen Bildwerke stammen nahezu alle aus Lübecker Kirchen und Klöstern, wo sie von reformatorischen Bilderstürmen verschont und bis ins 19. Jahrhundert aufgestellt blieben, bevor sie nach und nach ins Museum kamen. In den gotischen Räumen des ehemaligen
St. Annen-Klosters sind viele von ihnen heute der Öffentlichkeit zugänglich. Die Sammlung umfasst 18 geschnitzte Altarretabel, fünf ausschließlich gemalte Retabel, ein Dutzend Madonnenfiguren, drei monumentale Kruzifixe, rund 70 Heiligenstatuen aus Holz und Stein sowie 25 Gemäldetafeln. Ein Teil des Bestandes befindet sich im Depot, weil der Erhaltungszustand eine Präsentation nicht erlaubt. Im Rahmen der großen Lübeck 1500-Schau konnten jetzt einige Werke konservatorisch bearbeitet werden, sechs davon fanden anschließend den Weg aus dem Depot in die Ausstellung. Ein weiteres Exponat wurde aus der Hamburger Kunsthalle zurück geholt, wo es mehrere Jahre als Dauerleihgabe hing.
Neu in der Ausstellung sind nunmehr das Bildnis des Hamburger Bürgermeisters Hermann Langenbeck, Wilm Dedeke zugeschrieben (Hamburg, um 1515, Öltempera auf Eichenholz), ein Schreinrelief mit Gregorsmesse, dem Imperialissima-Meister zugeschrieben (Lübeck, um 1500, Eichenholz, gefasst),ein Relief mit der Ankunft der Heiligen Drei Könige (nördl. Niederlande, um1500, Eichenholz, gefasst), ein Epitaph mit Portrait des Hermann Bonnus (1504-1548 ) auf dem Totenbett, Hans Kemmer zugeschrieben (Lübeck, 1548, Ölfarbe auf Eichenholz), sowie ein Rankenfragment mit Putto, Benedikt Dreyer zugeschrieben (Lübeck, um 1518-20, Eichenholz, gefasst). Einen herausragenden Platz in der Sakristei bekam ein Kruzifix aus der Katharinenkirche, dem Meister der Lübecker Burgkirchensippe zugeschrieben (Lübeck, um 1510-15, Eichenholz, gefasst). Nach vielen Jahrzehnten in der Vorwerker Friedhofskapelle konnte das Kruzifix aus der dort klimatisch schwierigen Situation in das Museum geholt werden.
Neue Präsentation des Memling-Altars
Der Memling-Altar ist das berühmteste und kostbarste Retabel in Lübeck. Im Rahmen der Neupräsentation der Mittelaltersammlung erhielt er einen eigenen Raum und wird nun solitär präsentiert. Vorder- und Rückseiten des Retabels können vom Besucher betrachtet werden. Ein eigener Flyer informiert über die Geschichte des kostbaren Exponats.
Das Retabel wurde von der wohlhabenden Lübecker Kaufmannsfamilie Greverade, die internationale Handelsverbindungen pflegte, für ihre Familienkapelle im Lübecker Dom gestiftet, nachdem der Brügger Maler Hans Memling es 1491 vollendet hatte. Es handelt sich um ein Doppelflügelretabel, auf dem die Passion Christi zu sehen ist, eine der letzten großen Arbeiten Hans Memlings, der 1494 verstarb. Als ein gemaltes Flügelretabel ganz ohne Skulpturen stellte es in Lübeck zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch eine Ausnahme dar. Im Gesamtwerk Hans Memlings ist das Greveraden-Retabel das einzige, das die Kreuzigung als Hauptmotiv übernahm.
Für das außergewöhnliche Werk gab es im Jahr 1929 ein verlockendes Kaufangebot: Ein anonymer nordamerikanischer Kunstsammler bot rund sieben Millionen Reichsmark für den Erwerb des Memling-Altares. Der Verkauf wurde jedoch von höchster Stelle vereitelt: Die Denkmalbehörde untersagte die Ausfuhr des national wertvollen Kulturgutes.
Hautnah – unsere Heiligen unter der Lupe
In den Sonderausstellungsräumen im Obergeschoss des St. Annen-Museums sind bis zum
- Mai spektakuläre Detailfotos von mittelalterlichen Heiligenbildern aus der Sicht der Diplom-Restauratorin Maire Müller-Andrae zu sehen. Mit dieser Schau beschließt das Museum das erfolgreiche Jubiläumsjahr 500 Jahre Kloster – 100 Jahre Museum St. Annen.
Dr. Bettina Zöller-Stock, Leiterin des St. Annen-Museums, ist von der Ausstellung begeistert: „Diese Arbeitsfotos entwickeln eine wundersame eigene Wertigkeit, die mich ästhetisch vollkommen fasziniert. Zudem hat nur der Besucher dieser Fotoausstellung die Chance, diesen privilegierten Blick aus nächster Nähe nachzuvollziehen, denn ausschließlich beauftragte Restauratoren dürfen den Originalen so hautnah kommen.“
Insgesamt 46 großformatige Aufnahmen mit dem Makroobjektiv zeigen Schadensbilder und Alterungszustände von Kunstwerken aus der Sammlung des St. Annen-Museums, die Maire Müller-Andrae für die Jubiläumsausstellung Lübeck 1500 konserviert und restauriert hat. Ihre persönliche Sicht aus nächster Nähe auf die Jahrhunderte alten Oberflächenstrukturen entwickelt in der fotografischen Umsetzung eine eigenständige, fast abstrakte Ästhetik.
Maire Müller-Andrae, geboren 1970 in Lüchow und aufgewachsen in der Lüneburger Heide, schloss ihr Studium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim – Studiengang Restaurierung für Gemälde und Skulptur – mit dem Diplom ab. Nach mehrjähriger Mitarbeit in einer Bremer Restaurierungswerkstatt sowie Praktika im Victoria & Albert Museum und der Wallace Collection in London ist sie seit 2003 für Auftraggeber der Denkmalpflege, Museen, Kirchen und für Privatpersonen im Lübecker Restaurierungsatelier butt-restaurierungen tätig.
Maire Müller-Andrae führt am 2. April und am 24. April, jeweils 15 Uhr, durch die Ausstellung.
Es wird Postkarten mit Motiven aus dieser Sonderausstellung geben.