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Menschlich gesehen

Bischof Ulrich bittet bei Aufklärung von Missbrauchsfällen um Geduld

Rendsburg (tk). Bischof Gerhard Ulrich hat sich bei einem Bericht vor der Nordelbischen Synode erschüttert über die Missbrauchsfälle in der Kirchengemeinde Ahrensburg gezeigt. „Ich bin zutiefst traurig und fassungslos, dass so etwas geschehen ist“, sagte der Vorsitzende der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche am Donnerstag (23. September) vor der Synode in Rendsburg. Die Fälle aus den siebziger und achtziger Jahren seien „furchtbar und ein Trauma für die, die davon betroffen sind.“ Die Kirche habe an ihrer Schuld zu tragen und müsse Buße dafür tun, „dass das Leid der Opfer nicht recht wahrgenommen oder nicht verhindert wurde. Der offene Umgang mit den Ereignissen ist für die Opfer, aber natürlich auch für unsere Kirche dringend nötig.“ Die Ermittlungen zu den Missbrauchsfällen in der Kirchengemeinde Ahrensburg werden laut Bischof Ulrich vom Nordelbischen Kirchenamt konsequent vorangetrieben. Im Ermittlungsverfahren gegen den hauptbeschuldigten Ruhestandsgeistlichen wird jetzt dem Anwalt des Beschuldigten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Anschließend werde zu prüfen sein, ob weitere Ermittlungen nötig sind. Sei dies nicht der Fall, werde ein abschließender Bericht gefertigt und entschieden, ob das förmliche Verfahren vor der Disziplinarkammer mit dem Antrag einer Entfernung aus dem Dienst eingeleitet wird.

„Ich habe Verständnis für die Ungeduld und auch für das Misstrauen der Opfer“, sagte Bischof Ulrich. Die Vorgänge in Ahrensburg müssten so umfassend wie möglich aufgeklärt werden. Es führe jedoch kein Weg daran vorbei, die Verfahren gründlich und geordnet durchzuführen. „Auch gegen den Anschein wird gearbeitet, nicht blockiert und nicht verschleiert“. Allerdings könne ein disziplinarrechtliches Verfahren der Kirche die staatliche Strafverfolgung nicht ersetzen. „Die Erwartung der Betroffenen wie der Öffentlichkeit nach Vergeltung, Strafe und Sühne kann durch disziplinarrechtliche Verfahren aus deren Natur heraus nicht erfüllt werden.“

Neben den Disziplinarverfahren würden laut Bischof Ulrich Beratungsangebote an die Opfer gerichtet sowie therapeutische Hilfe angeboten. Den Pastoren und Mitarbeitenden der Kirchengemeinde Ahrensburg wurden Supervisionsmöglichkeiten eröffnet. Daneben habe die Nordelbische Kirche mit Ursula Schele für Schleswig-Holstein und Ulrike Stapelfeldt für Hamburg zwei ehrenamtliche Ombudsfrauen eingesetzt, an die sich Opfer sexuellen Missbrauchs künftig wenden können. Verdachtsfällen werde konsequent nachgegangen. „Dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird, ist selbstverständlich – abgesehen von den Fällen, in denen die Opfer selbst das ausdrücklich nicht wünschen“, sagte der Bischof.

Um die Vorgänge rund um das Jahr 1999 zu prüfen, als Vorwürfe sexualisierter Gewalt in Ahrensburg keine disziplinarrechtlichen Konsequenzen hatten, wurde laut Bischof Ulrich eine unabhängige Anwaltskanzlei beauftragt. Deren Ausführungen sollten „neben der Beurteilung der Vorgänge auch Vorschläge enthalten, wie in Zukunft Informationslücken vermieden werden können und welche Schritte erforderlich und wünschenswert sind, um die Aufklärung von Fällen sexualisierter Gewalt weiter zu verbessern.“ Ergebnisse würden zu gegebener Zeit in dem Rahmen veröffentlicht, in dem dies von den Gutachtern für zulässig erachtet werde.

Der Vorsitzende der Kirchenleitung hob hervor, dass sexueller Missbrauch in der  Nordelbischen Kirche eine absolute Ausnahme sei. Dennoch gelte es, sorgfältig den Ursachen nachzugehen. So dürfe es keine Idealisierung von Pastoren und Mitarbeitern geben. Diese wiederum müssten in ihrer Arbeit das richtige Verhältnis von Nähe und Distanz beachten. Auch dürfe vermutetes oder erkanntes Unrecht aufgrund falsch verstandener Loyalität nicht verschwiegen werden, so Bischof Ulrich.