Forscher haben sich bei Pflanzen enorm verschätzt – Internationales Inventar um 600.000 Arten gekürzt
Urwald: Der größte Teil ist immer noch unerforscht (Foto: W. Weitlaner)London/Wien (pte/22.09.2010/06:00) – Das weltweite Inventar an Pflanzen ist um mehr als 600.000 Arten gekürzt worden. Der Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass viele der Gewächse mehrmals gezählt wurden. Damit könnte die Menge an weltweit vorkommenden Samenpflanzen mittlerweile bei rund 300.000 Arten liegen, kommt ein britisch-amerikanisches Forscherteam zum Schluss.Bisher gibt es kein weltweit gültiges Zählsystem für Pflanzen. Forscher kritisieren dies immer wieder, da es dadurch auch zu wenig Informationen über bedrohte Arten gibt. Gemeinsam mit dem Missouri Botanical Gardens arbeiten Wissenschaftler der Kew Gardens http://www.kew.org an der Erstellung einer Liste sämtlicher weltweit vorkommender Pflanzen.Wissenschaftliche Erkenntnisse dringend nötig
„Ohne akkurate Namen, die von Autoritäten bestimmt werden, würde das Verständnis und die wissenschaftliche Kommunikation über Pflanzen in einem heillosen Chaos enden“, so Stephen Hooper, Direktor von den Kew Gardens. Auch der Botaniker Manfred Fischer von der Universität Wien http://www.botanik.univie.ac.at bestätigt im pressetext-Gespräch diese Tatsache. „Die Zahl der Namen macht drei mal so viel aus wie jene der Arten“, erklärt der Experte.
„Die Problematik liegt in der Vergangenheit der Artbeschreibung und ist vor allem in jenen Regionen, in denen die Flora relativ gut erforscht ist, immanent“, so Fischer. Erst Ende des 19. Jahrhunderts haben internationale Nomenklaturregeln einige Verbesserungen gebracht. Durch das wissenschaftliche Grundprinzip, wonach der älteste Name auch der geltende ist, gebe es weiteren Forschungsbedarf.
Neuere Ansätze, die auf genetische Analysen zurückgreifen und damit die genauen Verwandtschaftsverhältnisse klären, bringen zusätzliche Erkenntnisse. Ein weiteres Problem ist die Definition zwischen Arten und Unterarten. „Dieser schwankende Artbegriff kommt erschwerend hinzu“, erklärt der Wissenschaftler.
Massives Problem des Artensterbens
Fischer kritisiert im pressetext-Interview auch das massive Artensterben in den tropischen Regionen der Erde. „Hier verschwinden Pflanzenarten, die beispielsweise Palmöl-Monokulturen zum Opfer fallen. Und das noch bevor sie erforscht wurden.“ Das Artensterben sei eine Analogie zum Klimaproblem.
Auch beim Forschungsprojekt der beiden großen botanischen Anstalten geht es um die Erfassung der Pflanzen weltweit. Die Forscher, die an der neuen Inventurliste arbeiten, sind sich im Klaren darüber, dass ihr Vorhaben nicht ohne Probleme möglich ist. „Das Projekt ist wie eine Hochschaubahn und die Resultate werden sicherlich weit von einer Perfektion entfernt sein“, so Projekt-Koordinator Eimear Nic Lughadha von den Kew Gardens. Dennoch werde das die bisher beste Liste sein.