Das interaktive Online-Magazin seit 1999

Aktuelle Nachrichten, lokale Themen aus Kultur, Wissenschaft, Sport, Politik, Wirtschaft, Rezensionen und Veranstaltungen

Besondere Neuigkeiten

DEHOGA-Hauptgeschäftsführer Stefan Scholtis zieht Jahresbilanz

Unsicherheit bei der Mehrwertsteuerreduzierung für das Gastgewerbe, Sparmaßnahmen der Landesregierung, Bettensteuer und der Smiley für Lebensmittelbetriebe – DEHOGA-Hauptgeschäftsführer Stefan Scholtis wünscht sich im Gespräch mit der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TASH) nach einem bewegten Jahr Verlässlichkeit und Augenmaß von der Politik.

TASH: Herr Scholtis, während wir dieses Gespräch führen, tobt draußen ein Schneesturm durch die Kieler Innenstadt…
Scholtis: … der bei vielen Gastronomen für abgesagte Weihnachtsfeiern sorgen könnte. Ein langer, kalter Winter zu Jahresbeginn, ein kurzer Sommer, ein schlechter Herbst und nun wieder ein sehr früher Wintereinbruch – für die Gastronomie bedeutet das immense Einbußen. Wir hoffen ganz fest auf gutes Wetter!
TASH: Und wie gestaltete sich die politische Wetterlage 2010?
Scholtis: Auch diese war und ist für den DEHOGA turbulent, wir wünschen uns Verlässlichkeit und Augenmaß seitens der Politik – insbesondere für die drei Themen Mehrwertsteuerreduzierung, Bettensteuer und den sogenannten „Smiley“. Die Reduzierung der Mehrwertsteuer hat uns anfangs sehr gefreut, leider hat die nachfolgende Diskussion um die Abschaffung eine große Verunsicherung verursacht. Die Reduzierung war ja unter anderem für Investitionen gedacht. Rund 5.000 Betriebe bundesweit wollen rund 900 Millionen Euro investieren und rund 6.000 neue Stellen schaffen, sechs Prozent der Betrieben haben ihre Preise gesenkt. Eine mögliche Rücknahme behindert natürlich die Gespräche mit Kreditinstituten enorm. Der DEHOGA fordert von der Politik die Verlässlichkeit, dass es bei der Reduzierung bleibt. Wenn in 2011 die Kommission über die Mehrwertsteuer insgesamt entscheidet, hoffen wir auf den Vertrauensschutz, da die Gespräche mit Banken von Investitionswilligen ja bereits laufen.
TASH: Als Ausgleich für den Mehrwertsteuerverlust planen die Kommunen die Erhebung einer Bettensteuer …
Scholtis: Das ist ein unsägliches Thema. Der bundesweite Verlust für die Kommunen durch die Mehrwert- beziehungsweise Umsatzsteuerreduzierung beträgt zwei Prozent. Wenn wir von einer Milliarde Euro ausgehen, entspricht der Verlust bundesweit lediglich 19 Millionen Euro. Die Stadt Köln, die Vorreiter der Betten- oder Kultursteuer ist, will aber 24 Millionen Euro reinholen, obwohl ihr nur rund 500.000 Euro verloren gehen – also weit mehr als das, was ihr eigentlich zusteht. Inzwischen kommen drei Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Bettensteuer verfassungswidrig ist. Eines davon wurde im Auftrag des DEHOGA durch eine renommierte Kanzlei erstellt.
TASH: Aus welchem Grund ist sie verfassungswidrig?
Scholtis: Sie ist verfassungswidrig aus dem Grund, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom Gesetzgeber mit der Intention erlassen wurde, dass Betriebe investieren sollen. Ein nachgeordneter Gesetzgeber, und dies sind die Kommunen, kann dies laut aller drei Gutachten nicht ad absurdum führen.
TASH: Kommen wir zum dritten Thema, das dem DEHOGA derzeit auf der Seele brennt: Der Smiley für Lebensmittelbetriebe – das klingt ja eigentlich ganz harmlos.
Scholtis: Man muss sich beim Smiley vor Augen führen, dass dieser Existenzen vernichten kann. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) möchte nach dänischem Vorbild den Smiley einführen – ein Symbol mit einem lachenden Gesicht, das Verbraucher und Kunden darüber informiert, wenn in einem Betrieb etwas nicht in Ordnung ist. Entscheidendes Manko dieser Aktion sind jedoch die viel zu langen Abstände zwischen den Kontrollen. Wenn ein Betrieb erst einmal gebranntmarkt ist, kann es Monate dauern, bis eine zweite Prüfung ihm bescheinigt, dass er seine Beanstandungsquellen inzwischen behoben hat. Dies kann er auch schon drei Tage nach der Prüfung getan haben, die negative Bewertung bleibt jedoch bestehen. Um hier keine Existenzen aufs Spiel zu setzen, fordern wir kürzere Prüfperioden. Dafür müsste die Anzahl der derzeit rund 2.500 Lebensmittelkontrolleure für 240.000 Betriebe mindestens verdoppelt werden.
TASH: Ist der Smiley aber nicht eine wichtige Aktion zum Schutz der Verbraucher?
Scholtis: In dieser Diskussion gerät leider schnell in Vergessenheit, dass die Ordnungsbehörde bei Beanstandungen zum Schutz der Verbraucher jederzeit Betriebe schließen kann – und dies auch tut.
TASH: Wir sprechen gerade über die Verbraucher – welche Trends und Vorlieben erkennen Sie denn bei Ihren Gästen?
Scholtis: Ich erkenne eine immer kürzere Buchungsfrist mit Aufenthalten von zwei bis vier Tagen. Momentan gewinnen die Städte etwas an Übernachtungen, da diese viel Unterhaltung auf kleinem Raum bieten.
TASH: Momentan sind im wahrsten Sinne des Wortes regionale Produkte in aller Munde…
Scholtis: Da sind wir hier in Schleswig-Holstein ein echter Vorreiter. Wir stellen seit vielen Jahren mit Aktionen wie „Schleswig-Holstein is(s)t lecker“, Ostseegericht, Nordseeteller und vielen weiteren unsere hervorragenden regionalen Produkte in den Mittelpunkt und forcieren dies auch weiterhin. Zahlreiche Betriebe denken um und setzen Regionales auf die Speisekarte. Kulinarisch haben wir Gästen viel zu bieten und konnten uns auch deutlich in der gehobenen Gastronomie etablieren. Gerade hat der Guide Michelin zwei Betriebe mit zwei Sternen gekrönt: Das „Fährhaus“ in Munkmarsch auf Sylt und das „La Belle Epoque“ im Columbia Hotel Casino Travemünde.
TASH: Damit wird Schleswig-Holstein als Urlaubsland auch für die finanzkräftige Zielgruppe der Anspruchsvollen Genießer zunehmend attraktiv.
Scholtis: Der Tourismus ist der entscheidende Wirtschaftsfaktor in Schleswig-Holstein. Die Reduzierung der Fördergelder für die Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TASH) als starke Dachorganisation bereitet uns Bauchschmerzen – insbesondere angesichts der Tatsache, dass unsere Mitbewerber statt Streichungen sogar höhere Fördergelder erhalten. Der DEHOGA ist aber zuversichtlich, dass es mit der TASH weitergehen wird und wir starke Partner in der Wirtschaft finden werden. Wir sind gespannt auf die politische Konstellation nach den Neuwahlen.
TASH: Herr Scholtis, wir danken für dieses Gespräch!
Scholtis: Ich möchte an dieser Stelle unseren Mitgliedern und Partnern alles Gute wünschen. Der DEHOGA tut weiterhin alles Mögliche und Notwendige für seine Mitglieder und bedankt sich für die gute Zusammenarbeit. Unser ganz besonderer Dank gilt insbesondere der Firma CITTI GV-Partner.