Erhöhte Belastung auf Atemhöhe von Kleinkindern – Deutsche Umwelthilfe ermittelt die NO2-Belastung an weiteren 583 Orten
Berlin (ots) – Citizen Science-Aktion der Deutschen Umwelthilfe (DUH) „Decke auf, wo Atmen krank macht“ geht vom 1. Juni bis 1. Juli in die zweite Runde – Neue Messungen sollen die erhöhte Belastung von Kindergarten und Schulkindern verdeutlichen, die in Auspuffhöhe das Dieselabgasgift einatmen – Nachmessungen im Mai an besonders belasteten Orten identifizierten 15 weitere Überschreitungen des Grenzwertes von 40 µg NO2/m3 – DUH-Bundesgeschäftsführer Resch bezeichnet das heute in Hamburg in Kraft getretene Diesel-Fahrverbot als ‚kleinen aber wichtigen Schritt für die Saubere Luft‘ in Deutschland – DUH erwartet am 8. Juni Entscheidungen in der Luftreinhalteklage Aachen und am 28. Juni in der Zwangsvollstreckungsklage Stuttgart Kinder im Kindergartenalter sind den Auspuffrohren von Straßenfahrzeugen besonders nah und daher den giftigen Stickstoffdioxid-Abgasen von Dieselfahrzeugen in besonders hohem Maße ausgesetzt. Zudem konzentrieren sich die für Kleinkinder besonders giftigen Dieselabgase in Bodennähe. Dies wird bislang bei offiziellen Messungen nicht berücksichtigt. Deshalb wird die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bei ihrer zweiten Messreihe vom 1. Juni bis 1. Juli 2018 mit Passivsammlern an insgesamt 583 Messorten die Belastung der Atemluft mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) auch auf Atemhöhe von Kindergartenkindern messen. Mehr als 2.000 Vorschläge für Messpunkte gingen bei der DUH für die nun zweite Runde der Citizen Science-Aktion „Decke auf, wo Atmen krank macht“ ein. Mit dieser möchte die DUH nicht nur weitere Hot Spots der Luftverschmutzung identifizieren, sondern auch aufzeigen, dass Deutschland ein flächendeckendes Problem mit NO2 hat. Offizielle Luftqualitätsmessungen finden wie gesetzlich vorgeschrieben in einer Höhe von zwei bis vier Metern statt. Der überwiegende Teil der neuen Messpunkte wird sich auch in dieser amtlichen Messhöhe befinden. Da aber insbesondere Kleinkinder den giftigen Dieselabgasen in besonderem Maße ausgesetzt sind, finden an insgesamt fünf Orten spezielle Messungen rund um Kindergärten oder Grundschulen zusätzlich in einem Meter Höhe statt. Die WHO wie auch andere von der Automobilindustrie nicht finanzierte Forschungseinrichtungen weisen seit Jahren auf die besondere Belastung und Gefahr dauerhafter gesundheitlicher Schäden gerade bei Kleinkindern hin. Hauptverursacher der hohen NO2-Belastung in weit über 100 deutschen Städten sind Diesel-Pkw. Als am schmutzigsten haben sich die Euro 5 Diesel herausgestellt. Die spezifischen NO2-Emissionen eines Euro 5 Diesel-Pkw sind sogar im Durchschnitt sechsmal höher als 20 Jahre alte Euro 1 Diesel. Zwischenzeitlich sind praktisch alle Hersteller von Diesel-Pkw des Einsatzes illegaler Abschalteinrichtungen überführt. Die Anzahl der von den Behörden als illegal bewerteten Mercedes Diesel-Pkw ist nach Informationen der DUH auf 748.000 angestiegen, liegt aber tatsächlich in siebenstelliger Höhe. Seit Monaten verzögert das Bundesverkehrsministerium auch bei hunderttausenden Diesel-Pkw von Opel und Audi die rechtlich zwingenden Rückrufbescheide. Das heute in Kraft getretene Dieselfahrverbot in Hamburg und die Folgen kommentiert Jürgen Resch als ‚kleinen aber wichtigen Schritt für die Saubere Luft‘. Die symbolische Sperrung von zwei Straßenabschnitten in Hamburg zeige sowohl die rechtliche Machbarkeit von Dieselfahrverboten auch für Euro 5 Diesel-Pkw wie auch deren Wirksamkeit zur Erreichung der gesetzlich vorgeschriebenen Luftqualitätswerte. Außerdem haben ab heute Millionen geschädigte Diesel-Halter deutlich verbesserte Argumente für ihre zivilrechtlichen Klagen auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. Dennoch kritisiert die DUH die Ausgestaltung des Hamburger Fahrverbots als eindeutig rechtswidrig: „Der Hamburger Senat muss die Dieselfahrverbote noch in diesem Sommer auf alle Straßen ausdehnen, die eine Überschreitung der NO2-Grenzwerte zeigen. Hierzu hat die DUH im Februar eine Schwerpunktmessung gemeinsam mit Hamburger Bürgern und Umweltverbänden durchgeführt und aufgezeigt, dass die Hansestadt ein flächendeckendes Problem mit dem Dieselabgasgift NO2 hat. Und Hamburg missachtet die höchstrichterliche Entscheidung, wonach nicht nur die Umgebung der amtlichen Messpunkte geschont werden soll: Fahrverbote müssen so ausgestaltet werden, dass die Grenzwerte überall unterschritten werden“, so Resch weiter. Die DUH rechnet noch in diesem Jahr mit weiteren Dieselfahrverboten in allen größeren Städten. Derzeit betreibt die DUH 28 Klageverfahren. Nach der höchstrichterlichen Bestätigung der Dieselfahrverbot-Entscheidungen von Düsseldorf und Stuttgart durch das Bundesverwaltungsgericht Leipzig geht die DUH nun von schnell ergehenden Urteilen aus. Im Juni stehen Aachen (8.6.) sowie die Zwangsvollstreckung in Stuttgart (28.6.) auf dem Gerichtskalender. Bislang beschränkt sich die Luftreinhaltepolitik der Bundesrepublik auf 90 behördlich bestätigte Problemstädte. Das verkennt die wahre Problematik der innerstädtischen Belastung in weitaus mehr Städten. „Die nur 250 amtlichen verkehrsnahen Messstellen für NO2 in nur 154 Orten bilden die Belastung der Luft nicht hinreichend ab. Dass keine Messwerte vorliegen, bedeutet nicht, dass die Luft sauber ist. Gemeinsam mit vielen Menschen, die über die Qualität ihrer Atemluft mehr wissen wollen, messen wir also, um die blinden Flecken auf der Karte zu verringern und zu zeigen, dass auch an bisher unbeachteten Orten eine Gesundheitsgefahr in der Luft liegt“, sagt Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH. Die DUH erwartet, dass weitere Hot-Spots der Luftverschmutzung identifiziert werden. Ausgewählt wurden für die neue Messaktion Standorte in 139 Kleinstädten, 104 Mittelstädten und 255 Großstädten. Unter anderem auch in Hamburg: An der nun von Fahrverboten für Diesel-Pkw betroffenen Julius-Leber-Straße/Max-Brauer-Allee bis Holstenstraße/Max-Brauer sowie Ausweichstraßen wird die DUH mit Passivsammlern die NO2-Belastung ermitteln. Auch an besonders vom Verkehr betroffenen Orten wie Busbahnhöfen werden Passivsammler angebracht. Das akkreditierte schweizerische Labor Passam AG wertet die Messungen erneut aus. Mit den Ergebnissen rechnet die DUH Anfang August. Hintergrund: Untersucht werden bei der neuen DUH-Messaktion 135 neue, zusätzliche Städte und Gemeinden gegenüber der ersten Messaktion im Februar 2018. Die Ergebnisse der ersten DUH-Messungen zeigten an 89 Prozent der 559 Messstellen eine gesundheitlich bedenkliche NO2-Belastung der Atemluft von 20 µg NO2/m³ und mehr. Dass massive Gesundheitsschäden auch bei Konzentrationen unterhalb des EU-weit geltenden Jahresmittelwertes von 40 µg NO2/m³ auftreten, hatte Anfang März 2018 das Umweltbundesamt in einer neuen Studie unterstrichen. 67 Orte wiesen bei der DUH-Messung eine Überschreitung des derzeitigen EU-Grenzwerts für NO2 von 40 µg /m³ auf. Wegen der durch die tiefen Temperaturen im Februar vermutlich zu niedrig ausgefallenen Messergebnisse hat die DUH an den Messorten, bei denen die erste Messreihe Werte zwischen 35 und 39,9 µg NO2/m³ ergaben, im Mai erneut vier Wochen lang nachgemessen. Dabei zeigen 15 weitere Orte eine Grenzwertüberschreitung auf: Berlin (3 Messstellen), Dortmund, Freiburg, Herzogenrath, Düsseldorf, Ratingen, Lüneburg, Fürth, Hamburg, Kassel, Köln, Mannheim und Datteln (zu den Ergebnissen der Nachmessung: http://l.duh.de/p180531). Die Messdaten der Februarreihe, der Nachmessungen im Mai sowie Nachreichungen ergeben insgesamt 85 Messorte mit 40 µg NO2/m³ und mehr (alle Ergebnisse im Überblick und interaktive Karte: https://www.duh.de/abgasalarm/). Messungen mit Passivsammlern sind ein international anerkanntes Messverfahren, das auch von zuständigen Landesämtern ergänzend angewandt wird. Die DUH arbeitet für ihre Messaktion mit dem akkreditierten schweizerischen Analyselabor Passam AG zusammen. Passivsammler sind kleine Röhrchen, in denen sich eine chemische Substanz befindet, die die Messkomponente – in Fall der DUH-Messung Stickstoffdioxid (NO2) – bindet. Sobald das Röhrchen geöffnet wird, wird der Messprozess in Gang gesetzt. Der Wert der NO2-Konzentration in der Luft wird durch eine chemische Analyse nach Ablauf des Messzeitraumes ermittelt. Links: Alle Messergebnisse (auch nach Bundesland sortiert), interaktive Karte und weitere Informationen: https://www.duh.de/abgasalarm/ Ergebnisse der Nachmessung und Gesamtübersicht: http://l.duh.de/p180531 Fragen und Antworten zum Abgasalarm: https://www.duh.de/abgasalarm/faqs-abgasalarm/ Kontakt: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer 0171 3649170, resch@duh.de Dorothee Saar, Leiterin Verkehr & Lufteinhaltung 030 240086772, saar@duh.de DUH-Pressestelle: Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf 030 2400867-20, presse@duh.de www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
Quelle: presseportal.de