Rechtssicherheit beim Fotografieren in der Öffentlichkeit erhalten
Rede von Innenminister Hans-Joachim Grote, Antrag der Fraktion der SPD, Rechtssicherheit beim Fotografieren in der Öffentlichkeit erhalten, Drs. 19/723, TOP 18. Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren. Gemäß Art. 85 Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind nationale Regelungen für Datenverarbeitungen zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken weiterhin möglich. Geht es darum, zu diesen Zwecken angefertigtes Bildmaterial zu veröffentlichen und zu verbreiten, haben auch unter der DSGVO nationale Gesetzgeber einen eigenen Regelungsspielraum. Diesen Spielraum hat die Landesregierung vorausschauend genutzt. Damit das sogenannte „Medienprivileg“ bestehen bleibt, haben wir die Rundfunkstaatsverträge sowie das Landespressegesetz vor Inkrafttreten der DSGVO geändert.Die Verkündung erfolgte im Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein, ebenfalls vor Inkrafttreten der DSGVO . Damit ist es möglich, für die genannten Zwecke Bildmaterial auch ohne Einwilligung von betroffenen Personen zu erstellen und zu veröffentlichen. Dank dieser Neuregelung des § 10 Landespressegesetzes ist die grundrechtlich verankerte Pressefreiheit in Schleswig-Holstein weiterhin sichergestellt.
Auch für Bürgerinnen und Bürger ändert sich im privaten Bereich der Fotografie nach dem Inkrafttreten der DSGVO nichts. Denn die DSGVO findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die durch natürliche Personen, zur Ausübung persönlicher und familiärer Tätigkeiten hergestellt werden. Für gewerbliche Fotografen oder Fotokünstler gilt weiterhin das Kunsturhebergesetz (KUG), ohne dass es einer weiteren Klarstellung bedürfte. Diese Auffassung vertreten sowohl das Bundesministerium des Innern (BMI) als auch unser Justizministerium (MJEVG).
Beide begründen dies überzeugend damit, dass sich das Kunsturhebergesetz auf Art. 85 Abs. 1 DSGVO stützt. Dieser Artikel eröffnet den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume beim Ausgleich zwischen Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit. Das Kunsturhebergesetz enthält Regelungen, um zwischen dem Recht der fotografierten Personen einerseits und anderen Interessen, wie zum Beispiel dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, eine Balance herzustellen. Es steht daher nicht im Widerspruch zur DSGVO, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DSGVO ein.
Eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes ist somit nicht erforderlich. Was jedoch im Kunsturhebergesetz fehlt, ist eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Datenerhebung, also das Anfertigen von Digitalfotos. Sondern wir haben lediglich eine für die Verbreitung und Veröffentlichung der Bilder. Für den Bereich des Anfertigens von Digitalfotos für gewerbliche oder künstlerische Zwecke wird daher teilweise eine Regelungslücke gesehen.
Allerdings sieht das BMI das anders. Ich zitiere aus einer Stellungnahme zum Fotografieren in der Öffentlichkeit, die das BMI veröffentlicht hat: „Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen stützen können. Diese Erlaubnistatbestände decken seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeiten von Fotografen ab und werden in Art. 6 DSGVO fortgeführt“.
So sind z. B. Veranstalter der künstlerischen Branche dazu übergegangen, auf die Erstellung von Fotografien hinzuweisen – beispielsweise auf der Einladungskarte. Um so die Regelungen der DSGVO einzuhalten. Manche Umstände lassen es jedoch nicht zu, die Einwilligung einzuholen. Nur ein pragmatisches Beispiel: Aufnahmen auf der Kieler Woche. In diesem Falle dürfte die Interessenabwägung des KUG zur Veröffentlichung und Verbreitung von Bildern auch das Anfertigen von Bildern umfassen. Jedenfalls insoweit, als Personen lediglich „Beiwerk“ der Aufnahme sind und nicht das bestimmende Motiv des Bildes darstellen.
Die neuen Regelungen der DSGVO sowie deren Umsetzung werden zukünftig weitere rechtliche Fragen aufwerfen. Davon ist auszugehen. Derzeit sehe ich in Bezug auf das Fotografieren in der Öffentlichkeit aus den dargelegten Gründen jedoch keinen Handlungsbedarf. Selbstverständlich wird mein Haus sich mit weiteren Fragen auseinandersetzen, die sich in Zusammenhang mit der DSGVO ergeben und auch zukünftig erforderlichen Schritte ggf. einleiten.