Brücke in die Zukunft
Das ist Brückentechnologie im Wortsinn: In Borgstedt bei Rendsburg wurde ein Brückensystem in einer neuen, flexiblen Dimension entwickelt. Es ist innovativ in der Konstruktion. Und höchst variabel im Einsatz. Das einzigartige und patentierte mobile Klappbrückensystem stammt von ICI Crocodile, einer Tochterfirma der Firmengruppe Inter-Commerz. Besonders Regierungen in Dritt- und Schwellenländern signalisieren bereits Interesse.
Dieses Reptil hat endlos erweiterbare Glieder. Es ist von hellem Grün, extrem belastbar und schnell wie kein anderes auf der Welt. Die Rede ist vom „Crocodile”, besser bekannt als das Schwere Mobile Klappbrückensystem SMB 60-10. Mit ihm hat die Inter-Commerz-Firmengruppe aus Borgstedt ein einzigartiges Hightech-Produkt entwickelt. Und liegt damit voll auf der Erfolgsspur.
Es sieht einfacher aus als der Aufbau eines Billy-Regals, wenn SMB 60-10 auseinandergeklappt wird. Kein Wunder bei der geringen Verlegezeit von gut 30 Minuten pro 10-Meter-Element. Das patentierte System aus 100 Prozent Stahl wird nicht nur deutschlandweit vermietet, sondern auf der ganzen Welt verkauft. Die Gliederkonstruktion von Inter-Commerz-Gründer Volker Green lässt sich etwa in Katastrophengebieten als Not- oder Behelfsbrücke bei Hochwasser, Erdbeben oder Erdrutschen für Aufräumarbeiten nutzen. Ebenso kommt sie als Arbeitsplattform im Bau-, Wasser- und Ölgeschäft zum Einsatz.
Extreme Belastbarkeit, mobile Klappkonstruktion
Das Brückensystem ist Volker Greens ganzer Stolz. Der geschäftsführende Gesellschafter der Firmengruppe erläutert die Vorzüge seiner Innovation: „Sie hat neben ihrer extremen Mobilität eine hohe Tragfähigkeit von 60 Tonnen. Man kann die Fahrbahnbreite variieren. Durch ihre mobile Klappkonstruktion spart man zudem Kosten und Zeit. Ein bis zwei Personen können sie hydraulisch verlegen.” Für die Entwicklung benötigte Green rund drei Jahre. Das Land Schleswig-Holstein förderte ihn mit 500.000 Euro. „Ohne das wäre das alles nicht möglich gewesen”, ist sich Green bewusst.
Einsatz im Aufbau von Windparks
Das gut zwei Jahre alte „Crocodile” braucht noch Zeit, um überall am Markt angenommen zu werden. Doch darin sieht Green die Zukunft seiner Firmengruppe. Die Nachfrage steige stetig, betont der Firmenchef. Im Inlandsmarkt sei das Interesse größer als erwartet. Die Brücke könne etwa beim Aufbau von Windparks an der Küste eingesetzt werden. Oder Baustellenfahrzeuge über Flüsse und Auen führen. Und im Ausland? „Wir verfügen über autorisierte Vertriebspartner in Brasilien, Ecuador, Mexiko und Kanada sowie über Kooperationspartner in Afrika und in Asien. Täglich erhalte ich eine Anfrage. Die mexikanische Ölgesellschaft Pemex ist etwa an fünf Kilometern Brücke interessiert. Die brasilianische Petrobras gar an zehn Kilometern.” Die Brücken-Konstruktion lasse sich umweltfreundlich für Probebohrungen einsetzen. Green sagt: „Wir denken, dass die Brücke in drei bis vier Jahren unser umsatzstärkster Exportschlager sein wird.“ Schon jetzt sei das eine Menge, bei der eine Serienproduktion in greifbare Nähe rücke.
Ständige Weiterentwicklung
Innovationstechnik heißt für den 56-jährigen Green jedoch auch, weiterzudenken. Zurzeit erprobt er ein freitragendes Element bis zu einer Länge von 60 Metern. Damit will er die Klappbrücke erweitern und noch flexibler einsetzen können – etwa über Autobahnen oder Gleisen. Noch in diesem Jahr erwartet er die Zulassung. Gut eine Million Euro hat Green in die Weiterentwicklung investiert. 2009 sei sein schlechtestes Jahr mit wenig Umsatz und Entlassungen gewesen, sagt Green. Nach der Wirtschaftskrise blickt er wieder nach vorn. „Wir sind gestärkt daraus hervorgegangen.“ Zurzeit beschäftigt er in seiner Firmengruppe 46 Mitarbeiter in Festanstellung. Zur Absicherung hat er zudem die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) mit ins Boot geholt. Zwei seiner drei Firmen hat er an die FSG verkauft, auch um die Vermarktung seines Brückensystems zu verbessern.
Die Idee hinter dem „Klapp-Krokodil“
Doch wie kam Volker Green überhaupt auf die Idee zum „Krokodil“ aus Stahl? „Das hängt mit meinen beruflichen Reisen in der ganzen Welt zusammen”, berichtet der gelernte Kältetechniker und Maschinenbauer. Nach eigener Aussage hatte er schon immer ein Faible für Technik. Den größten Umsatz seiner Firmengruppe – rund 7 Millionen Euro von insgesamt 11 Millionen pro Jahr – macht er im Fahrzeug-Export. Mit der Inter-Commerz-Handelsgesellschaft vermarktet er seit 1992 Rad- und Spezialfahrzeuge aus Überschuss- und Reservebeständen der Bundeswehr. Jeeps, Kleintransporter, Lkw, Gabelstapler lässt er in seiner eigenen Werkstatt wiederaufbereiten. Anschließend verschifft er sie dann etwa nach Afrika oder Asien – teilweise über den Rendsburger Kreishafen. So lieferte Green 500 Fahrzeuge ins afrikanische Angola und mehr als 400 nach Madagaskar. Abnehmer der ausgemusterten Bundeswehr-Fahrzeuge sind Regierungen, aber auch zivile Kunden.
Im Zuge seines Export-Geschäfts war Volker Green auf Madagaskar. Zur Monsunzeit. „Viele Straßenabschnitte waren weggespült. Es gab riesige Probleme, die Bevölkerung zu versorgen.“ Der Präsident habe Anfragen an die Bundeswehr gestellt – nach Militärbrücken. Doch die verkauft die Bundeswehr nicht. Green fand eine Marktlücke. Und seine Brücke in die Zukunft.









