Marken verlieren Kontrolle über den User – Social Web wirft altbewährte Kommunikationspraxis über den Haufen
Wien Facebook: Stellt PR-Welt auf den Kopf (Foto: flickr.com, MoneyBlogNewz) – Für werbetreibende Unternehmen und ihre Kommunikationsabteilungen hat sich durch Digitalisierung, Internet und Social Media alles geändert. Ihre nach wie vor tiefgreifende Unsicherheit im Umgang mit Online-Medien ist verständlich – und durchaus begründet, wie Frank Mulhern, Professor und stellvertretender Dekan an der Northwestern University, gegenüber pressetext ausführt. „Marken wollen das Erlebnis kontrollieren, das ein User mit ihnen hat. Was jedoch geschieht ist: Wir verlieren die Kontrolle.“Massen-Werbestrategie funktioniert nicht mehr
Die neue Medien-Infrastruktur hat dem Fachmann zufolge dramatische Auswirkungen auf die bisher gekannte Kommunikationswelt. Zwar sind radikale Veränderungen in rasantem Tempo für Disziplinen wie PR oder Marketing spätestens seit dem Fernsehen keine Unbekannte. Bisher konnten die Kommunikatoren ihre Taktiken in der Regel jedoch anpassen und neue Kanäle einfach ins eigene Portfolio aufnehmen. „In den letzten Jahrzehnten wurde Werbung einfach rausgepusht“, sagt Mulhern. Dies geschah, ohne zu versuchen, den Konsumenten wirklich zu verstehen.
Auf die zunehmende Schwierigkeit, Menschen zu erreichen, reagierten die Werbetreibenden mit noch mehr Einschaltungen. Mit der Digitalisierung fanden die User jedoch Wege, um die Flut zu umgehen. Seither nutzen sie Technologien, um Werbung zu blockieren. Die Massen-Werbestrategie funktioniert damit nicht mehr. Eine Omnipräsenz im Internet ist zudem ohnehin nicht möglich. Die meisten Unternehmen betrachten Digital Media jedoch, als wären sie ein zusätzlicher Kanal für das eigene Portfolio, den sie mit Werbung fluten können – „ist er aber nicht“, meint Mulhern.
Bottom-Up statt Top-Down
Das Kommunikationsmodell „Top-Down zum isolierten Konsumenten“ ist veraltet. Die Verunsicherung von Unternehmen, die es bis zuletzt ausreizten, ist wohl berechtigt. Stattdessen wird es durch das Social Web von einem neuen Modell abgelöst: „Bottom-Up und vom Konsumenten geteilt“. Dabei gibt Technologie den Menschen die Macht, sich ausschließlich mit Dingen zu beschäftigen, die ihnen wichtig sind – so etwa mit sich selbst, Freunden und anderen Personen. Auf Marken oder Unternehmen trifft dies hingegen kaum zu. Menschen teilen Informationen, die für sie relevant sind.
Für die Kommunikatoren geht es darum, eine Marke oder einen Dienst in die Welt des Konsumenten zu integrieren. Mulhern zufolge müssen sie Verbindung aufnehmen, um Menschen mittels „Social Branding“ dazu zu bringen, über die Marke zu reden, und etwa Facebooks Massen zu erreichen. Statt Sender und Rezipienten finden sich darin Teilnehmer. Der Dialog mit den Usern kann zwar nicht zur Gänze geplant werden, aber beeinflusst. Kommunikation im Social Web – obgleich PR, Werber, Direkt-Marketer oder auch Promoter dafür zuständig sind – muss Menschen und ihre Beziehungen untereinander verstehen.