12.“Literarische Nacht“ in St.Petri zu Lübeck
Lutz Gallinat – „Generationen“ lautete das Motto der anspruchsvollen und abwechslungsreichen 12.“Literarischen Nacht“ am letzten Samstag in der nahezu vollbesetzten Kirche St.Petri zu Lübeck. Mit „Das Geschenk“ lieferte zunächst der Kultautor Wolf Wondratschek (geb.1943) nach einführenden Worten Antje Peters-Hirts den brillanten Text einer Zeitreise durch verschiedene Generationsbefindlichkeiten. Sein spät geborener Sohn, dessen Mutter der Autor verlassen hat, löst diese Zeitreise der besonderen Art aus. Die Angewiesenheit des Mannes auf die Frau erhält in diesem Text ein unerwartetes Denkmal. Lapidar und lakonisch nimmt der Schriftsteller schwierige Beziehungsprobleme subtil unter die Lupe.
„Das lässt sich ändern“ behauptete danach Birgit Vanderbeke (geb.1956) in ihrem neuen Roman und lässt ihre Protagonistin einen Mann aus einer ganz anderen Schicht kennen- und lieben lernen. Adam wird der Vater ihrer Kinder und sie wechselt das gebildete Haus mit dem alternativen Milieu der achtziger Jahre. Ein Roman, der in den letzten Wochen unerwartete Aktualität gewonnen hat. Der Autorin glücken in ihrem amüsanten und humorvollen Text beachtliche Psychogramme.
Auch Andreas Maiers (geb.1967) kürzlich erschienener neuer Roman „Das Zimmer“ spielt in einfachen Verhältnissen auf dem Land und setzt seine Reflektion über Zeit, Zivilisation und über die Würde des Menschen, die er mit „Wäldchestag“ begonnen hat, fort. Sein Text bestach durch die Genauigkeit der Beschreibung des geliebten Onkels. Hier war alles konkret und das wurde für den Leser sinnlich erfahrbar. „Das Zimmer“ ist der erste Teil einer geplanten Tetralogie. Andreas Maier dekonstruiert in seiner phantasievollen und originellen Prosa u.a. das deutsche Spießbürgertum.
Die Berliner Autorin Gisela von Wysocki (geb.1940) stellte dann ihren ersten großen Prosatext vor. „Wir machen Musik“ zeigt die aufwachsende kleine Heldin in der Welt der Unterhaltungsindustrie der fünfziger Jahre. Die ganze Familie singt, spielt und bewegt sich. Die schwarze Vinyl-Scheibe wird zum Symbol dafür. Von Wysocki gelingt es, den Leser unmittelbar an der Wahrnehmung des Kindes teilhaben zu lassen und die Umwelt sinnlich erfahrbar zu machen. In ihrer phantasmagorischen Prosa gestaltet sie u.a. mit surrealistischen Elementen eine virtuelle Realität.
Vanessa F. Fogel (geb.1981) hat ihren ersten Roman vorgelegt. „Sag es mir“ handelt auch von den Folgen des Nationalsozialismus. Die Protagonistin Fela, in Deutschland geboren, wächst in Israel auf und besucht später mit ihrem Großvater Polen. Neben der Bewältigung der Geschichte findet in dem Buch eine wunderbar beschriebene Kindheit und Jugend in Israel ihren Platz sowie die erste Liebe, die Beziehung zu ihrem Bruder und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Man erfährt, wie und wo Fela ihren Platz im Leben zu finden versucht.
Die kenntnisreiche Moderation der abwechslungsreichen Soiree übernahm der Feuilleton-Redakteur der „ZEIT“ Adam Soboczynski(geb.1975), wobei allerdings kritisch anzumerken ist, dass er noch intensiver mit den Autorinnen und Autoren hätte diskutieren sollen. Soboczynski lebt seit 1981 in Deutschland. Er studierte Literaturwissenschaften in Bonn, Berkeley und St.Andrews und promovierte über Heinrich von Kleist. Einem größeren Publikum wurde er mit seinem 2006 veröffentlichten Roman Polski Tango bekannt. 2010 folgte „Glänzende Zeiten.Fast ein Roman“.
In den regen Diskussionen unter den Motti „Was macht eine Generation aus?“, „Deutsche Generationen und ihre Konflikte“, „Generationen in der Erinnerung“, „Liebe zwischen Generationen“ und „Politik der Generationen“ wurden die Wahrnehmungen der verschiedenen Zeitebenen eindrucksvoll gespiegelt und die vielen Facetten und Nuancen des Generationenproblems hintergründig beleuchtet.
Für die musikalische Umrahmung sorgte das Trio „WirSindJazz“, Gerrit Gippert, Saxophon, Jan-Christoph Mohr, Klavier, und Michael Wölfel, Bass.