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Besondere Neuigkeiten

Nicht Tarzan auf dem Baum, sondern ein Architekturprojekt der THL Lübeck

Text und Fotos: Wolfgang Freywald, Titelfoto von Anne Kleiber · Irgendwie war es gestern ein ungewöhnlicher Tag. Es war der 1. Mai, eigentlich der Feiertag für die Arbeiter, doch niemand feierte, kein Umzug, nichts und die Innenstadt von Lübeck war fast menschenleer! Das sah traurig aus, so empfand ich es beim Flyer verteilen für meinen Verein in der Breiten Straße. Hin und wieder nahm ein Passant einen Zettel, dann war wieder „Sendepause!“
Gegen 12 Uhr allerdings bahnte sich in der Fußgängerzone etwas an. 2 junge Leute mit Fahrrädern schoben ihren Drahtesel in die Nähe des Brunnens, stellten ihn gegenüber ab und die Beiden musterten die etwas ärmlich aussehenden, kargen Bäume, die die Breite Straße runter zur Kirche gepflanzt sind. Der junge Mann schlenderte auf einen Baum zu und musterte ihn sehr genau. Seine Begleiterin hatte ein Handy in der Hand und eine kleine Kamera um den Hals und wartete.
„Hm, was haben die vor,“ fragte ich mich und blieb interessiert stehen. Und flugs, ich konnte kaum so schnell mit meinen Augen folgen, war Hannes (24) auf den Baum geklettert. Er suchte sich die beste Stelle auf dem Baum aus und probierte da die verschiedensten Positionen aus und seine Begleiterin Anne (20), Mitkommulitonin, begann ein Bild nach dem anderen zu schießen.
Meine journalistische Neugier war geweckt: „Hi, moin, was soll das werden da oben,“ fragte ich. Er rief runter: „Ein Projekt der THL, wir sollen eine „Entwerfen-Aufgabe“ – alle Kommilitonen in einer bestimmten Zeit – darstellen. Und mich zogen die Bäume mit den kahlen, wirr geschwungenen Ästen und den knolligen Enden in ihren Bann.“
„Das hört sich verwirrend an, was versteht man darunter,“ fragte ich, „denn ich sehe eher einen Tarzan auf dem Baum balancieren.“
„Nein, nein,“ sagte er, „durch eine neutrale Betrachtung, sollten wir in dem Fremden etwas Neues sehen, um daraus ein neues Verhältnis zu den Dingen aufbauen zu können.“
„Das ist mir zu viel fachchinesisch,“ sagte ich, was willst du darstellen??“  Ich hatte das Bedürfnis, den Neugestaltungsanspruch der Aufgabe, auf das Geäst eines dieser Bäume zu projizieren. Ich habe die Absurdität des Kontrastes aus Baum und Boden, mit meiner nötigen Unbekümmertheit in der Körpersprache eingefangen.“
„Also funktionierst du dieses vier Meter hohe Stück Natur, umgeben von unbelebter Stadtbebauung, in eine Sitzgelegenheit auf der Fußgängerzone um, richtig?“

„Ja, so kann man es auch sagen. Aber es sollte niemand nachmachen. Auf dem Baum zu verweilen,“ und ihn als Sitzgelegenheit zu nutzen, war wirklich eine Ausnahme für das Projekt.“

„Hannes danke, ich habe was von Architektur-Betrachtung dazu gelernt, fand diese Aktion kreativ und sie gefällt mir. Ich hoffe, euer Dozent wird diese Idee zu schätzen wissen.“

Anm. der Redaktion: Das Titelfoto wurde von (tbf) mit Photoshop bearbeitet und stammt von Anne Kleiber.