Dönges sprach mit dem Wetterexperten Jörg Kachelmann
Kachelmann: Es hätte diesen Sommer im Freien keine Brände gegeben, wenn es keine Menschen gäbe. Es gab keine Gewitter, die ganz selten mal Trockenblitze machen am Rande des Gewitters. Alle diese Räubergeschichten von Glasscherben, Glasflaschen, Selbstentzündung, Hitze und Gurkengläsern sind typisch für ein Land, in dem das Schwurbeln eine große Rolle spielt. Wo Homöopathie durch Krankenkassen bezahlt wird und an Hagelflieger oder Mondholz geglaubt wird, ist jede Form von Wahnsinn möglich. Es braucht 250 bis 300 Grad, damit Vegetation brennt. Die Lufttemperatur ist dabei völlig einerlei. Es gibt auch im Winter Waldbrände und Lagerfeuer im Schnee sind keine Animation aus Hollywood.
Selbst unter Feuerwehrleuten hält sich hartnäckig der Glaube, dass herumliegende Glasflaschen und -scherben ein Feuer auslösen können oder es im Wald zu Selbstentzündungen bei hohen Lufttemperaturen kommen kann. Kann man diese Ursachen komplett ausschließen?Kachelmann: Ja. Mögen die verlorenen Seelen, die daran glauben, doch bitte mal mit einer Scherbe oder Flasche Feuer machen. Und nein, es zählt nicht, wie im Internet eine Plastikflasche mit Wasser zu füllen und sie ewig über Papier im richtigen Winkel zur Sonne schweben zu lassen. Im Wald schwebt nichts.
In einigen Regionen der Erde stellen Blitze ein hohes Waldbrandrisiko dar. Warum ist das in Deutschland eher nicht der Fall?
Kachelmann: In borealen Wäldern haben Gewitter oft eine höhere Wolkenbasis, Regen kann verdunsten, bis er unten ankommt und Gewitter sind nicht so oft wie bei uns auch von Starkregen begleitet. Dadurch, dass es anderswo viel weniger Menschen gibt als bei uns und dadurch auch viel weniger Brandstiftung, ist der Anteil von blitzinduzierten Waldbränden automatisch grösser.
In anderen Ländern scheint man schon weiter zu sein. In den USA zum Beispiel weiß Smokey Bear schon seit fast 80 Jahren „Only you can prevent wildfires“ (Nur du kannst Waldbrände verhindern). Glauben Sie, dass auch in Deutschland mehr Aufklärung zum Thema Wald- und Vegetationsbrände die Situation verbessern würde?
Kachelmann: Das wäre gerade bei uns sehr wichtig. Viele Behörden und Medien tun so – bewusst oder unbewusst desinformierend und damit das kollektive Bedürfnis, ein Opfer zu sein – als ob Waldbrände etwas seien, das von selber käme, wenn es heiß oder trocken ist. Das ist gelogen, nochmal: Alle die Vegetationsbrände in diesem Sommer waren fahrlässige oder absichtliche Brandstiftung. Grillen, Kippenschnippen (deshalb die geheimnisvolle Häufung von Böschungsbränden an der Autobahn), nicht korrekt gewartete landwirtschaftliche Geräte, nichts hätte gebrannt ohne unsere menschliche Existenz. Dass das so oft umgelogen wird als unausweichliches „ist ausgebrochen“ und der Unsinn von „Selbstentzündung“ und „Glasscherbe“ sowie „Hitzebrand“ verbreitet wird, hat auch damit zu tun, dass Polizeidienststellen das sehr gerne annehmen: spart lästige Ermittlungen und die unangenehmen Dinge, dass man schon wüsste, wer da aus dem Dorf gegrillt hat, den man aber abends wieder in der Kneipe sieht – da wird eine angeblich rumliegende Glasscherbe gerne genommen, zumal die breite Öffentlichkeit diesem Aberglauben anhängt. Deshalb ja, sehr und nochmal: Aufklärung wäre so wichtig. NUR SIE könnte Waldbrände verhindern. Aber viele Menschen hier würden sich sicher durch so eine direkte Ansprache verletzt fühlen. Dann doch lieber die magische deutsche Glasscherbe.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kachelmann!
Das Interview führte Volker Neumann