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Kultur & Wissenschaft

Tastennacht zu Liszt in der Lübecker Musikhochschule

Es war eine faszinierende und anspruchsvolle Soiree im Rahmen der „Festwoche 100 Jahre Musikhochschule Lübeck“. Am letzten Samstag wurden im reichlich gefüllten Großen Saal der Musikhochschule Lübeck unter dem Motto „Tastennacht in drei Akten- Franz Liszt zum 200.Geburtstag“ Präsentationen aus dem Bereich Tasteninstrumente geboten. Im I.Akt erklangen das Präludium nach Johann Sebastian Bach „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ von Franz Liszt (1811-1886), mit Franz Danksagmüller, Orgel, das gehaltvolle und originelle Konzert für drei Klaviere und Streicher d-Moll BWV 1063 von Johann Sebastian Bach (1685-1750) mit Konstanze Eickhorst, Konrad Elser und Inge-Susann Römhild, Klavier, und einem Streichensemble der Musikhochschule Lübeck und die Fantasie und Fuge über BACH von Franz Liszt mit Lukas Mosur, Orgel.
Wir haben von Liszt zahlreiche kleinere Orgelstücke, die entweder liturgischen Aufgaben dienen oder aber privaten Charakter tragen. Die liturgischen Werke stehen im Spannungsfeld von Autonomie und Funktionalität ganz auf der „dienenden“ Seite und markieren den tiefen Bruch zwischen gottesdienstlich gebundener und autonomer Orgelmusik. Andere kleine Stücke sind kompositionsgeschichtlich interessant.
„Mein Klavier ist für mich, was dem Seemann seine Fregatte, dem Araber sein Pferd-mehr noch…meine Sprache, mein Leben…“. Wie Chopin ging auch Liszt in der Zeit zwischen den Revolutionen von 1831 und 1848 vom Pariser Salon aus – als intimem Konzertsaal und Ort der Geschmacksbildung. Doch im Unterschied zu Chopin suchte er schon früh eine breitere Hörerschar- spielte etwa in der Pariser Oper- und einen tieferen Erlebniskreis, drängte zu sinfonischer Dramaturgie und Schlagkraft. Dafür fand er neue, die Klaviertechnik bereichernde Satzlösungen, denen dann erst im 20.Jahrhundert etwa durch Debussy und Prokofjew Entscheidendes hunzugefügt wurde.
Das unglaublich umfangreiche Oeuvre dieses rastlosen Schöpfers ist längst noch nicht abgeschritten; in ihm verbirgt sich eine enorme Zukunftsträchtigkeit. Bela Bartok stellte ihn als Initiator sogar noch über Richard Wagner: „Die großen, vorwärtsweisenden, damals zum allererstenmal gewagten Kühnheiten …sind es, die Franz Liszt als Komponisten in die Reige der Großen erheben. Er brachte…so viele neuartige Möglichkeiten in Anschlag, ohne sie selbst bis aufs letzte zu erschöpfen, dass er uns unvergleichlich mehr Anregungen bieten konnte als Wagner.“
Liszts vielgeschmähte und schier zahllose Bearbeitungen und Paraphrasen hatten dennoch ein unbestreitbares historisches Verdienst- sie halfen, Werke früherer und zeitgenössischer Komponisten zu propagieren, und hüllten sie in ein zeitgemäßes Gewand. Man sollte ihre Meriten für das 19.Jahrhundert nicht unterschätzen wie die künstlerischen Qualitäten der besten unter ihnen übersehen.
Bertan Balli,Klavier, bot dann zu Beginn des II.Aktes „Vallee d`Obermann“ aus: „Annees de Pelerinage“, Premiere Annee: Suisse, dann präsentierten Chika Matsuhisa eine Paraphrase über Verdis Oper „Rigoletto“, Jong-Yeol Choi „Harmonies du soir“ aus: „Etudes d`execution transcendante“, Mami Shindo Transkriptionen nach Liedern von Franz Schubert, Natali Shibukawa den Mephisto-Walzer Nr.1 „Der Tanz in der Dorfschenke“, Rafal Michalski „Funerailles“ aus: „Harmonies poetiques et religieuses“ und Violetta Khachikyan die Ungarische Rhapsodie Nr.12.
Im III.Akt erklangen dann die Stücke „Improvisation“ mit Matthias Flierl, Orgel, „Ein Märchen“ für Klavier und Orgel als Uraufführung von Katharina Roth (geb.1990) mit Anne Michael, Orgel, und Susanna Amirkhanyan, Klavier, und die Suite für vier Klaviere op.284 „Paris“ von Darius Milhaud (1892-1974) mit Manfred Aust, Marion Cinget, Nathalie Glinka und Alfred Sugiri, Klavier.
Alle Akteure wurden schließlich mit sehr viel Beifall bedacht.
Lutz Gallinat