Trojaner auch auf Rathaus-Rechnern?
Wählerinitiative Lübecker BUNT erhebt gegen Bürgermeister Saxe Vorwürfe wegen Datenmißbrauchs und Ausspähens von Mitarbeitern und Rathausfraktionen – Die unabhängige Bürgervereinigung Lübecker BUNT will Untersuchungen über die Frage, ob auch in Lübecks Verwaltung Bespitzelungsmethoden angewandt werden, wie sie derzeit im Zusammenhang mit der „Trojaner“-Software von Landes- und Bundesbehörden diskutiert werden. „Wir können belegen, dass auf Veranlassung des Bürgermeisters im städtischen IT-Netz Strukturen geschaffen wurden, um alle am Netz angeschlossenen Mitarbeiter und die im Rathaus angesiedelten Fraktionsbüros umfassend ausspähen zu können. Davon wird und wurde auch schon Gebrauch gemacht!“, sagt Bürgerschaftsmitglied Dr. Hildegund Stamm. Diese ungeheuerlichen Vorgänge müssten jetzt dringend abgestellt und untersucht werden.Die BUNT-Vorsitzende, die schon einmal im Februar 2009 auf die Missstände im Rathaus hingewiesen hat, zeigt sich enttäuscht über den mangelnden Eifer der Lübecker Ermittlungsbehörden und die mangelnde Sensibilität in Lübecks Politik. „Schon damals habe ich erwartet, dass sich die Bürgerschaft der Angelegenheit annimmt. Geschehen ist jedoch nichts.“
Stamm wird unterstützt vom unabhängigen Bürgermeisterkandidaten Matthias Erz, der bis Ende 2009 als Pressesprecher im Rathaus arbeitete und die Vorwürfe von Stamm voll bestätigt. „Es gab zu meiner Zeit – auch heute ist das nicht anders – keinen unabhängigen und fachkundigen Datenschutzbeauftragen, der derartige Vorgänge hätte eigenständig untersuchen können“, sagt Erz. Aus der Praxis der Verwaltung wisse er, dass unzulässige Eingriffe in die Privatsphäre von Mitarbeitern vorgenommen wurden und das städtische Netz sogar fürs Mobbing und Ausspähen von unliebsamen Mitarbeitern benutzt wurde – und zwar stets im Auftrag und mit Billigung des Bürgermeisters.
Dies geschehe zumeist mit Hilfe von engen Mitarbeitern, die „zufällig“ auch der gleichen Partei (SPD) wie Saxe angehörten oder sich selbst als „SPD-afin“ bezeichneten. Diese hätten im Rathaus wichtige Funktionen inne, wie der aktuelle IT-Chef, der nach einer „kometenhaften“ Karriere unter Saxe es vom einfachen Sachbearbeiter bis in die oberste Etage der Technikabteilung geschafft habe, ohne über die notwendige Qualifikation zu verfügen – „wenn man vom richtigen Parteibuch einmal absieht“, so Erz. Dieser Mann sei zugleich Schatzmeister der Landes-SPD und verdanke seine Position der stromlinienförmigen Anpassung an die fragwürdigen Bedürfnisse seines Chefs.
Dies treffe auch auf den persönlichen Referenten Saxes zu, der zwar von der Stadt bezahlt werde, jetzt aber beispielsweise den Wahlkampf seines Herrn organisiere und begleite und allgemein als Mann fürs Grobe betrachte werde, sagt Erz. „Ich weiß schon lange und kann auch beweisen, dass diese ,Rechte Hand Saxes’ an vielen rechtswidrigen und moralisch verwerflichen Aktionen beteiligt war, die sich für einen öffentlich Bediensteten verbieten und zur sofortigen Entlassung führen müssten.“
Im Rathaus hätten unter Saxe „kriminelle Machenschaften“ Einzug gehalten, führt Erz weiter aus. Aktenfälschung, Aktenunterdrückung, falsche eidesstaatliche Erklärungen und gerichtliche Falschaussagen von juristisch ausgebildeten Mitarbeitern Saxes – das alles habe er erlebt und nicht verhindern können. „Dies ist letztlich der Grund, warum ich als begeisterter Lübecker und engagierter Amtsleiter nach 15 Jahren im Rathaus Ende 2009 gekündigt habe!“, sagt Erz. „Diesem Sumpf von Intrigen, Bösartigkeiten, Machenschaften und menschenverachtendem Umgang des Verwaltungschefs wollte und konnte ich – geknebelt durch das Dienstgeheimnis – nicht länger zuschauen.“
Daher habe er sich auch gerne bereit erklärt, jetzt mit seiner Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters, beim „Ausmisten“ des zweifellos „verotteten“ Rathauses mitzuwirken. Ein Neuanfang sei in der Hansestadt dringend nötig. Der Lübecker BUNT und er würden jeden unterstützen, der bei diesem wichtigen Selbstreinigungsprozess mitwirken wolle.
BUNT sieht eine Reihe von Rechtsvorschriften im Rathaus „dauerhaft, systematisch und mit Absicht“ verletzt. Betroffenen seien das Post- und Fernmeldegeheimnis im §206 des Strafgesetzbuches (StGB), das Bundesdatenschutzgesetz § 43 und 44 (unerlaubte Weitergabe von Daten an Dritte), StGB § 202a zum unerlaubten Ausspähen von Daten und das Telekommunikationsgesetz § 91, das die Speicherung von Daten nur zu Verbindungs- und Abrechnungszwecken erlaube.
Der Lübecker BUNT begrüßt daher die jetzt breit geführte öffentliche Debatte über die Bespitzelungspraktiken durch den „Bundestrojaner“ in Land und Bund und hofft, dass dies dabei helfe, die „himmelschreienden Verhältnisse im Lübecker Rathaus“ abzustellen und Verwaltungsabläufe der aktuellen Gesetzeslage anzupassen. „Wir wollen jetzt endlich die ganze Wahrheit wissen und schrecken auch nicht davor zurück, den vorzeitigen Abgang des Verantwortlichen noch vor dem Mai 2012 zu fordern“, sagt Stamm. [textende] +++
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