Galgenfrist nach 70 Jahren abgelaufen: Sitkafichten am Galgenberg machen Platz für Bergsandglöckchen, Arnika und Heidekraut
Im Stiftungsland Dünen bei Lütjenholm, Kreis Nordfriesland, sorgt schweres Gerät für Unruhe. Harvester – eine Holzernte-Maschine – und Häcksler rücken in den nächsten Wochen den nicht heimischen und nicht standortgerechten 70 Jahre alten amerikanischen Sitkafichten und japanischen Lärchen am Galgenberg und Megelbarg auf den Leib. Mit den Baumfällarbeiten legt die Stiftung Naturschutz den Grundstein dafür, dass sich die dünentypische Vegetation auf den beiden zusammen rund 18 Hektar großen Flächen wieder ausbreiten kann. Noch im 19. Jahrhundert dominierte die Heidelandschaft weite Teile der Flugsand- und Binnendünengebiete in der Vorgeest bis es von Menschen aufgeforstet wurde.
Für Baumschützer hat Antje Walter, Projektmanagerin bei der Stiftung Naturschutz, Beruhigendes im Gepäck: „Wir roden natürlich nur die Nadelbäume, vorhandene heimische Laubbäume bleiben selbstverständlich stehen. Die Fichten und Lärchen wären ohnehin in den nächsten Jahren gefällt worden, da sie erntereif sind.“ Als Ausgleich dafür pflanzt die Stiftung in Tinningstedt, Klingenberg, Pobüll und Bünsdorfer Moor insgesamt 18 Hektar neuen standortgerechten Laubwald. Darüber hinaus werden an den Ränder der freigestellten Flächen standortgerechte Eichen und weitere heimische Gehölze als Windschutz gepflanzt.
Das Fällen der Bäume ist der Auftakt des umfangreichen Artenschutzprojektes: Nach dem die letzten Stubben gerodet und gefräst sind, wird die oberste Humusdecke abgeschoben und auf Maisäckern in der Region eingearbeitet werden. Anschließend wird in den beiden Projektgebieten der naturnahe Wasserhaushalt wiederhergestellt. „“Wir werden deshalb Entwässerungsgräben verblocken und an geeigneten Standorten mehrer Kleingewässer anlegen. Davon profitieren neben Amphibien beim Laichgeschäft auch Libellen“, so Walter weiter. Später werden die Flächen am Galgenberg und Megelbarg eingezäunt und eine Weidelandschaft eingerichtet. Hier werden dann Robustrinder mit ihrem Appetit auf Grünzeug dafür sorgen, dass das Gelände nicht wieder zuwächst.
Das Maßnahmenbündel sieht die Landschaftspflegerin Walter quasi als eine „Anschubfinanzierung“: „Wir sorgen so dafür, dass Bergsandglöckchen, Besenheide und Silbergrasfluren in trockeneren Bereichen sowie Arnika, Erikaheide und Teufelsabbiss in feuchten Senken das Terrain zurückerobern können. Profitieren werden auch seltene Insekten, wie Bläulinge, Feuerfalter, und in einigen Jahren auch der Goldene Scheckenfalter.“
Die Stiftung Naturschutz bereitet mit der Waldumwandlung auch die Rückkehr des Golden Scheckenfalters vor, der in Schleswig-Holstein als verschollen gilt. Das letzte Mal wurde er vor 20 Jahren im Jardelunder Moor an der dänischen Grenze und in der Nordoer Heide südlich von Itzehoe gesichtet. Der europaweit stark gefährdete Schmetterling soll im Rahmen eines von der Europäischen Union kofinanzierten Naturschutzprojektes auch im Stiftungsland „Dünen bei Lütjenholm“ wiederangesiedelt werden. Er steht stellvertretend für eine Vielzahl gefährdeter Arten, deren Lebensräume in unserer intensiv genutzten Kulturlandschaft selten geworden sind. Die Mittel für das Projekt kommen aus dem EU-Förderprogramm LIFE+, den Rest steuern die Stiftung Naturschutz und das Kieler Umweltministerium bei.
Auftrag der Stiftung Naturschutz ist es, die Natur zu schützen und neue Wildnisgebiete einzurichten. Gleichzeitig bemüht sie sich auch darum, historische Kulturlandschaften zu erhalten. Dazu gehört auch die Lütjenholmer Heide und weitere Binnendünenlandschaften in der Umgebung. Sie sind Teil der europäischen Schutzgebietskulisse NATURA 2000 sind. Die EU hat das Land Schleswig-Holstein dazu verpflichtet, auch die Binnendüne am Galgenberg zu schützen. Diesem Auftrag kommt die Stiftung Naturschutz mit der Waldumwandlung nach.