Ostern verstehen: 1. Was an Ostern wirklich geschah
Über den Karfreitag gibt es keinen Zweifel. Wie viele andere Menschen ist Jesus von Nazareth zum Tod verurteilt worden. Das Urteil hat ein römisches Gericht gesprochen, Ankläger war die oberste jüdische Instanz, der Hohe Rat mit den Hohenpriestern an der Spitze. Volksmassen hatten lauthals den Tod des Rabbi aus Nazareth gefordert. Jesus ist zu der härtesten Strafe verurteilt worden, die ein römisches Gericht verhängen konnte. Der Tod wurde durch einen Lanzenstich ins Herz festgestellt. Dann wurde Jesus von einem Mitglied des Hohen Rates, Josef aus Arimathäa und den Frauen, die beim Kreuz ausgeharrt hatten, begraben.Die Menschen, die die politischen Prozesse der Diktaturen des 20. Jahrhunderts im Gedächtnis haben, wissen, daß diese in der Regel mit dem Tod Unschuldiger endeten. Die Hinrichtung Jesu hat nichts Überraschendes an sich. Das war in der Zeit der Ausbreitung des Christentums anders. Paulus sieht im Kreuzestod das Haupthindernis für die Botschaft, daß Jesus der von Gott gesandte Messias sei. Im 1.Korinterbrief schreibt er: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit.“ (Kap. 1,23) Wer am Schandpfahl hingerichtet wurde, kann nicht der Erlöser der Menschen sein. Deshalb ist die Predigt von der Auferstehung des Gekreuzigten das, was Generationen überzeugt hat. Gott hat diesen unschuldig Hingerichteten nicht im Tod gelassen. Als die Germanen das Christentum annahmen, scheint die Botschaft vom Sieg über den Tod ausschlaggebend gewesen zu sein. Das Weltbild der Germanen war vom Kampf zwischen Gut und Böse geprägt. Dabei war es für unsere Vorfahren in keiner Weise sicher, daß das Gute am Ende gewinnen wird. Man rechnete damit, daß sich das Böse endgültig als stärker erweisen würde. Die Botschaft von der Auferstehung des Gekreuzigten gab eine andere Antwort auf die Daseinsangst der Menschen, die aus der Vorstellungswelt der germanischen Religion herkamen. Die Kreuzigungsdarstellungen der Romanik, die einen souverän blickenden, fast triumphierenden Jesus am Kreuz zeigen, lassen uns verstehen, warum die Germanen sich zu diesem Jesus bekannt haben.
Hätte die germanische Vorstellung von Gut und Böse Geltung behalten, sähen Spielfilme aus Hollywood anders aus. Wir sind von diesen Filmen gewohnt, daß das Gute siegt. Nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts und den vielen Kriegen, die im 21. Jahrhundert weiter schwelen, sind wir uns dessen aber nicht mehr so sicher. Vielleicht fällt es uns deshalb schwer, an die Auferstehung eines Toten zu glauben. Glauben müssen wir es, denn beweisen könnte man im heutigen wissenschaftlichen Sinn die Auferstehung nur, wenn Jesus in diese Welt zurückgekehrt wäre, so wie es das Johannesevangelium von Lazarus erzählt, den Jesus in dieses Leben zurückgeholt hat. Aber selbst heutige Esoteriker behaupten von Jesus keine Wiedergeburt, als würde er in jeder Generation neu geboren. Jesus braucht auch keine Wiedergeburt, denn seine Auferstehung ist einmal geschehen und damit eine Tatsache, die gegenwärtig bleibt. Ein Hinweis auf die Wirklichkeit ist der Glaube vieler Menschen, daß Jesus sie in ihrem Leben begleitet, daß sie zu ihm beten können. Entscheidend für diesen Glauben ist nicht, daß Jesus vielleicht in Visionen erscheinen mag, daß er vielleicht Menschen heilt, sie aus einer Notlage befreit, sondern daß er jeden Menschen zu Gott führt. Die Auferstehung von den Toten bedeutet nicht, daß Jesus wie der Geist von Verstorbenen noch wirksam wäre, sondern daß er mit Gott lebt. Entscheidend ist, daß er nicht nur mit seiner Seele bei Gott ist, sondern leiblich. Die Jünger haben bei den Erscheinungen im Abendmahlssaal seine Wundmale gesehen. Wie Jesus in seiner Leiblichkeit ewig bei Gott ist, so werden auch wir mit Leib und Seele im Himmel sein. Es geht also um eine von Gott gewirkte Wirklichkeit, wenn von Auferstehung die Rede ist. Das Wahrnehmungsorgan für diese Wirklichkeit ist der Glaube. Ist diese Wirklichkeit wirklich? Genau so wirklich, wie die Tatsache, daß Jesus wie viele andere unschuldig zum Tod verurteilt wurde. Denn Schuld oder Unschuld kann man genauso wenig durch physikalische Meßgeräte registrieren. Noch weniger läßt sich messen, ob es eine Erlösung, die Vergebung von Schuld gibt, weil Jesus „für die Sünden der Menschen gestorben ist“, und von Gott nicht im Tod gelassen wurde. Jesus ist deshalb nicht in der Weise in unserer Zeit gegenwärtig wie z.B. ein großer Künstler. Wenn die Matthäuspassion aufgeführt wird, ist Johann Sebastian Bach gegenwärtig, aber nur in seinem Werk. Jesus ist gegenwärtig, weil er durch die Auferstehung in einer neuen Daseinsform gegenwärtig ist. Das wird auch daran deutlich, daß man sich nicht zur Musik eines Bach wirklich bekehren kann, wohl aber zu Jesus. Menschen ändern ihr Leben total, verzichten auf Besitz und können Stunden im Gebet verbringen. Sie nehmen so Beziehung zu einem lebendigen, wirklichen Jesus auf. Diese Wirklichkeit ist von allergrößter Bedeutung, weil sie die zukünftige Existenz des Menschen betrifft. Um sie geht es an Ostern.
Autor: Eckhard Bieger SJ
Dokument erstellt am 09.04.2006
Erscheinungsdatum 14.04.2006