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Politik & Wirtschaft

Abbau der Kalten Progression nicht ohne Gegenfinanzierung

Wenn wir über Steuerpolitik und im konkreten Fall über den Abbau der Kalten Progression beraten, kommt es aus Grüner Sicht auf zwei zentrale Komponenten an:

  1. die Verteilungswirkung und
  2. die Effekte für die öffentlichen Haushalte.

Es ist richtig, dass die Kalte Progression zu merkwürdigen Effekten im Steuersystem führt. Ohne ergänzende Maßnahmen führt der Abbau der Kalten Progression in unserem Steuersystem zu einer Verteilung von niedrigen und mittleren Einkommen hin zu Höheren.Das Durchschnittsbruttoeinkommen liegt laut Bundesfinanzministerium in diesem Jahr ziemlich genau bei 30.000 Euro. Die Entlastung beim Abbau der Kalten Progression würde für alleinstehende ArbeitnehmerInnen mit einem Jahresbruttolohn von 30.000 Euro bei ca. 150 Euro liegen, bei GutverdienerInnen mit einem Lohn von 60.000 Euro allerdings bei ca. 365 Euro.

Die resultierenden Mindereinnahmen der Länder kämen zu einem großen Teil Besserverdienenden zugute und gerade nicht den kleinen und mittleren Einkommen, wie es die FDP gerne vorgibt. Ginge es der FDP tatsächlich um einen Inflationsausgleich, dann müsste sie mit gleicher Vehemenz beispielsweise die Anpassung des Bafög-Satzes oder des Hartz 4 Regelsatzes fordern. Davon würden Menschen profitieren, die das Geld besonders nötig haben. Aber mit dieser Position standen wir Grüne leider meistens alleine da.

Aus Grüner Sicht gehören die Verteilungswirkungen des Steuersystems insgesamt auf den Prüfstand. Für echte Verteilungseffekte und eine Konjunktur ankurbelnde Steuerpolitik muss vor allem beim Niedriglohnsektor nachgebessert werden. Der Abbau der Kalten Progression kann für uns dazu gehören, jedoch nicht isoliert und ohne Gegenfinanzierung.

Der Abbau der Kalten Progression würde allein bis zum Ende unserer Legislaturperiode 2017 nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums bundesweit über 17 Mrd. Euro Mindereinnahmen für den Staat bedeuten. Herunter gerechnet auf Schleswig-Holstein würde gemäß Steuerschätzung ein Betrag in dreistelliger Millionenhöhe fehlen. Die FDP kümmert sich einen feuchten Kehricht um die Gegenfinanzierung.

Leiden tun im Endeffekt die Menschen, die am meisten von einem starken Staat profitieren, und Länder und Kommunen, die beim Schuldenabbau vor neue Hürden gestellt werden. Der Vorschlag der FDP stellt mitnichten nachhaltige Finanzpolitik dar.

Das Thema ist indes nicht neu. Im Rahmen des Landtagswahlkampfes 2012 hat sich Herr Kubicki für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes ausgesprochen, um Entlastungen bei der kalten Progression zu finanzieren. Grundsätzlich ist das zu begrüßen: Wenn Ungerechtigkeiten in der Einkommenssteuer beseitigt werden sollen, braucht der Staat zur Kompensation an anderer Stelle einen Ausgleich.

Doch was bedeutet der Vorschlag der FDP eigentlich konkret? Wie hoch müsste der Spitzensteuersatz dann sein? Das Finanzministerium hat mir auf einen Abgeordnetenbrief geantwortet, dass der Spitzensteuersatz für einen regelmäßigen Abbau der Kalten Progression in diesem Jahr auf 47% und nächstes Jahr bereits auf 53% ansteigen müsste!

Ist das die Steuerpolitik der FDP? Ein Spitzensteuersatz von 53%? Das wäre in der Tat eine interessante Schlagzeile!

Es kann aber im Steuersystem auch Alternativen geben, beispielsweise bei Erbschafts- und Vermögensbesteuerung oder Subventionsabbau bei Ausnahmebeständen bei der Umsatzsteuer. Dies wäre eine interessante Diskussion, die die FDP aber nicht führen will.

Bei beiden zentralen Kriterien fällt ihr Antrag durch. Es profitieren überproportional hohe Einkommen, die kleinen Taschen sind der FDP wie immer egal. Gleichzeitig sind die Forderungen nicht gegenfinanziert, die FDP nimmt damit weitere Schulden in Kauf.

Unser Steuersystem ist zu vielfältig, um es populistischen Schnellschüssen zu überlassen. Wir können dem FDP Antrag deshalb nicht zustimmen.