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Auf der Ostsee tickt eine Zeitbombe

DSCN1053_Ostsee_in_Flammen_06Foto: TBF/Harald Rothe – Bis zum Jahr 2030 wird sich der Schiffsverkehr auf der Ostsee nahezu verdoppeln. Damit wächst die Gefahr von Kollisionen und Havarien besonders in den engen Gewässern im Fehmarn Belt und in der Kadetrinne erheblich und erfordert dringend rechtzeitig Maßnahmen, um den Verkehr auch in Zukunft sicher und reibungslos zu gestalten.Darauf hat die Arbeitsgemeinschaft der Nautischen Vereine an der deutschen Ostseeküste am 17. Juni 2015 in
Lübeck vor Vertretern der Landkreise Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns
hingewiesen.
Dazu der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Kapitän Jürgen Schlichting: „Die Ostsee ist
schon heute eines der am meisten befahrenen Gewässer der Welt. Damit steigt das Risiko
schwerer Havarien und Kollisionen dramatisch an. Vor allem steigt das Risiko, dass dabei gro-
ße Mengen Öl ausfließen und eine Umweltkatastrophe auslösen, von der sich die extrem sen-
sible Ostsee erst nach Generationen wieder erholen und Milliardenschäden in der Umwelt
und an der Küste auslösen wird. Es geht jedoch nicht darum, den Verkehr zu verhindern, son-
dern ihn auch in Zukunft sicher zu gestalten – also Vorsorge zu treffen.“

Verdoppelung des Schiffsverkehrs in schwierigem Gewässer

Die Größe der Schiffe nimmt ständig zu. Inzwischen verkehren auf der Ostsee riesige Contai-
nerschiffe der XXL- und Triple E-Größe, sehr große Kreuzfahrtschiffe haben die Ostsee als Tou-
rismusziel entdeckt und die Zahl der Tanker wird sich verdoppeln, da Russland plant, die Hälfte
seines Ölexports über die Ostsee abzuwickeln. Damit steigt das Risiko von Havarien mit erheb-
lichem Austritt von Öl. Schließlich schränken geplante und bereits existierende Windparks
aufgrund ihrer Nähe zum Hauptfahrwasser die Bewegungsfreiheit der Schifffahrt – und beson-
ders der großen Schiffe mit ihrer beschränkten Manövrierfähigkeit – ein.
Temporär wird der Bau der geplanten festen Fehmarn Belt-Querung zusätzliche und erhebli-
che Risiken schaffen. Der Tunnelbau wird sich in Form von Wanderbaustellen entsprechend
dem Baufortschritt vollziehen. Dabei werden die Schiffsführungen ständig mit neuen Verkehrs-
situationen konfrontiert.

Haupt-Unfallursache: „Human Factor“

Während die Schiffe technisch immer sicherer werden, ist die Hauptursache für Havarien der
Mensch an Bord selbst. Die Fachwelt geht davon aus, dass etwa 75% bis 96% aller Unfälle auf
menschliches Versagen zurückzuführen ist. Hinzukommt, dass der Ausbildungsstand der Besat-
zung im internationalen Schiffsverkehr in der Regel nur den IMO- Mindeststandards folgt. Als
Haupt- oder Mitursache für etwa 40% aller Unfälle gilt ungenügendes Risikomanagement. Im
Notfall sind zudem die Sprachbarrieren innerhalb gemischter Crews ein potentielles Risiko.
Und schließlich lenkt eine ausufernde Bürokratie die Schiffsführung von ihren eigentlichen
Aufgaben ab.

Empfehlungen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit

Nicht alle Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft können von Deutschland allein durchge-
setzt werden, da sie internationale Regelungen auf der Ostsee berühren. Soweit sie aber in
nationalen Gewässern umgesetzt werden können, sollte dies geschehen. Darüber hinaus ist
es sinnvoll, sie in die Beratungen im Rahmen von HELCOM oder anderen geeigneten interna-
tionalen Gremien einzubringen.

•  Einrichtung eines Verkehrstrennungsgebietes im Fehmarn Belt über die IMO.
•  Anreize für die freiwillige Annahme von Lotsen in Fehmarn Belt und Kadetrinne geben.
(Staatliche Förderung, Bonus bei Versicherung etc.).
•  Einrichtung einer speziellen Tanker-Route.
•  Einrichtung des mit Dänemark verabredeten VTS nach internationalen und gleichen
Standards.
•  Notfallkonzept für schwere Ölunfälle gemeinsam mit Havariekommando überprüfen
und optimieren. Bessere Ausstattung des Havariekommandos und BSU mit Personal
und Geld. Präventivmaßnahmen entwickeln.
•  Gründung einer Nationalen Küstenwache.
Empfehlungen für die Bauzeit der festen Fehmarn-Belt Querung
Grundsätzlich muss die letzte Verantwortung für die Verkehrsregelung während der Bauzeit
bei den entsprechenden nationalen Behörden und nicht beim Betreiber liegen. Sie haben ei-
ne detaillierte Baustellenregelung des Betreibers zu prüfen, zu genehmigen und die Einhal-
tung zu überwachen.
Geeignete Maßnahmen zur Sicherheit des Verkehrs sind u.a.:
•  Einrichtung von Sicherheitszonen.
•  Vorfahrtsregeln für große Tanker, Container- und Kreuzfahrtschiffe (Free Flow) im Be-
reich der Baustelle.
•  Schlepper-Annahmepflicht oder Eskortierung für großflächige Schiffe entsprechend
Wetterlage.
•  Wach- und Beobachtungsboote bereitstellen.
•  Notfallschlepper in erreichbarer Nähe positionieren.