Betr.: Abschlußbericht des Sonderausschusses „Geh- und Radweg Travemünde“

Thomas Schalies, FDP-Fraktion: Ich lege auf folgende Feststellungen im Abschlußbericht Wert:
1. Die Führung der Akten ist derart mangelhaft, dass es schwer fällt, überhaupt von „Verwaltungsakten“ zu sprechen. Es handelt sich vielmehr um rudimentäre, nicht paginierte „Loseblattsammlungen“. Eine aktenmäßige Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Entwidmungsverfahrens („keine Verkehrsbedeutung mehr“) fehlt praktisch völlig… Diese wäre jedoch nicht nur deshalb geboten gewesen, weil es sich bei dem Gesetzesmerkmal „keine Verkehrsbedeutung mehr“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, deren Anwendung durch die Verwaltung der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (Kodal/Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl., Seite 264, Rdnr. 9.5). Auch und gerade durch die schriftliche fachliche Einschätzung des Verkehrsministeriums vom 29.07.2002 erscheint es geradezu zwingend geboten, sich dezidiert mit der dort vertretenen Ansicht auseinanderzusetzen, dass der Weg nach den seinerzeit vorgelegten Zahlen nach wie vor eine zwar möglicherweise geringe Verkehrsbedeutung habe, „die aber nicht unter der Schwelle zum Unbedeutenden i.S.d. § 8 Absatz 1 StrWG liegt“.
Die Nutzungshäufigkeit des Weges hatte sich bekanntlich ausweislich der im Jahr 2004 durchgeführten Verkehrszählungen gegenüber dem Jahr 2002 sogar noch moderat erhöht.
Tatsächlich lässt sich weder nach dem Akteninhalt noch nach dem Abschlußbericht der Verwaltung oder den vom Sonderausschuss durchgeführten bzw. veranlassten Befragungen von Mitarbeitern der Verwaltung feststellen, dass bis zur Hereingabe der Beschlussvorlage vom 18.11.2004 in die Bürgerschaft eine sachliche Auseinandersetzung und Beurteilung aller vorliegenden Fakten im Hinblick auf die Frage erfolgt ist, ob der Weg tatsächlich keine Verkehrsbedeutung mehr hat. Im Gegenteil ergibt sich aus dem in der Aktensammlung vorhandenen handschriftlichen Vermerk des Leiters der Abteilung Verkehrsplanung aus Juli 2004, dass dieser die gesetzliche Voraussetzung fehlender Verkehrsbedeutung für nicht gegeben ansah. Auch die für die Durchführung von Entwidmungsverfahren zuständige Leiterin des Sachgebietes „Straßenkataster“ im Bereich Verkehr hat erklärt, dass nach ihrer persönlichen Einschätzung „die Einleitung des Entwidmungsverfahrens im November 2004 eine politisch begründete Entscheidung gewesen“ sei (vgl. Befragung durch Herrn Bürgermeister Saxe vom 02.05.2005 aufgrund des Fragenkataloges der FDP vom 26.04.2005).
Dem Verwaltungsverfahren steht nach allem die Willkür geradezu „auf die Stirn geschrieben“.
Die – erst nachträglich erfolgte – Bewertung des Rechtsamtes, dass
* „im Zusammenhang mit dem Komplex „Entwidmung“ die gesetzmäßigen Voraussetzungen für die Entwidmungsabsicht geprüft wurden, …“ und
* „sachfremde Erwägungen in das Verwaltungsverfahren nicht hineingespielt haben,…“
(Abschlußbericht vom 13.05.2005, Seite 3, 2. Absatz, 2. und 3. Spiegelpunkt)
kann somit nicht nachvollzogen werden, zumal in dem selben Vorlagenentwurf am Schluss festgestellt wird, dass die Verkehrsbedeutung des Weges nunmehr nach Verwaltungsansicht doch noch gegeben sei.
2. Die unmittelbare Verantwortung hierfür trägt der zuständige Dezernent, Herr Bausenator Boden.
* Der Senator hat sich ohne ersichtlichen sachlichen Grund über die fachliche Beurteilung seiner Mitarbeiter hinweggesetzt und das Entwidmungsverfahren durch die Hereingabe der Beschlussvorlage vom 18.11.2004 in die Bürgerschaft vorbereitet.
* Die von ihm unterzeichnete Bürgerschaftsvorlage enthält keinen Hinweis darauf, dass die dort genannten Zählungsergebnisse mit dem Faktor 3 zu multiplizieren sind, um einen Tageswert widerzuspiegeln.
* Sie verschweigt völlig, dass das damals zuständige Verkehrsministerium bei sogar geringfügig niedrigerer Verkehrsfrequenz im Jahr 2002 die Entwidmung aus Rechtsgründen abgelehnt hatte. Die Vorlage suggeriert vielmehr, dass das gesetzliche Merkmal „keine Verkehrsbedeutung mehr“ in Bezug auf den Weg erfüllt sei, obwohl andererseits in der Vorlage ausgeführt wird, „dass seine Verkehrsbedeutung heute nur gering bis unbedeutend“ sei – nach fachlicher Aussage des Verkehrsministeriums muss aber positiv festgestellt werden, dass die Verkehrsbedeutung „unbedeutend“ ist, um ein Entwidmungsverfahren einzuleiten.
Es fällt sehr schwer, diese Mängel als reine Nachlässigkeiten einzustufen, zumal angesichts des aktenkundigen Bestrebens des Senators, „möglichst unauffällig“ (Vermerk Verkehr – Straßenkataster vom 05.11.2004) bzw. „ohne großes Aufsehen“ zu verfahren (Vermerk vom 11.04.2005 über die Befragung der Leiterin des Sachgebietes „Straßenkataster“ vom 08.04.2005).
3. Aber auch Herrn Bürgermeister Bernd Saxe trifft ein erhebliches Leitungsverschulden:
Obwohl er in der Senatssitzung am 01.12.2004 nach eigener Einlassung (Niederschrift über die Sitzung des Sonderausschusses vom 12.04.2005, Seite 13) selbst auf die politische Brisanz der Angelegenheit hingewiesen hatte, hat er es unterlassen, die gebotenen Entscheidungen (z.B. enge fachliche Abstimmung mit dem Rechtsamt oder auch Stopp des Verfahrens) zu treffen. Auch ließ er die Verwaltungsvorlage vom 18.11.2004 „Richtung Bürgerschaft passieren“, obwohl er aufgrund seiner eigenen Kenntnis von dem im Jahr 2002 gescheiterten Entwidmungsbegehren erkannt haben muss, dass in dieser Vorlage die zwingend gebotene Unterrichtung der Bürgerschaft über die abweichende Rechtsauffassung des Verkehrsministeriums fehlt.









