BGH-Entscheidung morgen: Haftet Google als Plattform-Betreiber für beleidigende Worte seiner Nutzer? RA Solmecke kommentiert schon jetzt!
In einem deutschen Blog fallen beleidigende Worte. Der Autor ist nicht festzustellen, stattdessen wird Google als Blog-Betreiber angeklagt. Nun stellen sich viele Fragen. Die wichtigste: Kann Google als Betreiber der Blogger-Plattform überhaupt belangt werden? Und wenn ja, betrifft das auch ähnliche Plattformen wie eBay oder Facebook? Am morgigen Dienstag spricht der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil. Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE analysiert die Lage schon jetzt.Wenn es um die Haftung für Texte im Internet geht und Google als Beklagter involviert ist, dann ist das Interesse an einem Urteil gewaltig. Zurzeit geht es um einen Texteintrag in einem deutschsprachigen Blog, der auf der von Google unterhaltenen Plattform blogspot.com veröffentlicht wurde. Unter anderem wurde hier einem Mann unterstellt, er nutze seine Firmen-Kreditkarte zur Bezahlung von Sexclub-Rechnungen. Das ließ sich der Beschuldigte nicht bieten – und klagte. Da der Verfasser der Zeilen selbst nicht ausfindig gemacht werden konnte, wurde Google verklagt – als Host-Provider der Website.
Das Oberlandgericht Hamburg hat der Klage weitestgehend (VI ZR 93/10) stattgegeben. Nun stellen sich viele Fragen. Die wichtigste: Kann Google als technischer Dienstleister überhaupt für die auf der Plattform veröffentlichten Inhalte belangt werden?
Der Bundesgerichtshof (BGH) nimmt sich der Angelegenheit morgen, am 25. Oktober, an. Das Urteil wird mit großem Interesse erwartet – weil es Google betrifft und weil es ein Referenzurteil für viele ähnlich gelagerte Fälle werden könnte.
Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE schätzt die Lage wie folgt ein:
Das Urteil des Bundesgerichtshofes, das am Dienstag mit Spannung erwartet wird, hat Auswirkungen auf alle Betreiber von Foren und von nutzergenerierten Inhalten. Konkret geht es hier um unwahre Tatsachenbehauptungen, die bei dem Bloganbieter „blogspot“ getätigt worden sind. Es ging darum, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit seiner VlSA-Karte Sex-Rechnungen bezahlt haben sollte. Diese Tatsachen waren nach Ansicht der Vorinstanz des Oberlandesgerichts Hamburg falsch. Jetzt stellt sich die Frage, inwiefern der Betreiber der Bloggingplattform „blogspot“ das ist hier Google für solche unwahren Tatsachen haftet.
Kurios war hier zunächst, dass nicht der Blogger selbst abgemahnt worden ist, sondern die Plattformbetreiberin, also hier Google. Die Plattformbetreiberin hat gesagt, sie könne überhaupt nicht nachvollziehen, inwiefern die Tatsachen hier wahr oder falsch wären und deswegen sei sie auch nicht verpflichtet, hier möglicherweise unwahre Inhalte zu löschen. Das Oberlandesgericht Hamburg hat Google hier teilweise Recht gegeben. Einige Tatsachen sind nicht ausreichend von den Klägern vorgetragen worden, insofern entschied das Oberlandesgericht Hamburg, dass eine Haftung dann nicht gegeben ist, wenn der technische Dienstleister, der die Bloggingplattform zur Verfügung stellt, überhaupt nicht nachvollziehen kann, ob Tatsachen wahr oder falsch sind.
Bezüglich der VISA-Karte, mit der angeblich Sex-Rechnungen bezahlt worden sein sollen, gab es jedoch einen konkreten Vortrag. Dazu hat das Oberlandesgericht Hamburg gesagt, wenn Google nach so einem konkreten Vortrag nicht lösche, dann hafte das Unternehmenauch für diese Inhalte und müssen eine so genannte Unterlassungserklärung abgeben. Der Bundesgerichtshof muss jetzt entscheiden, wie konkret ein Verletzungsvortrag sein muss, damit der Betreiber einer technischen Plattform zum Löschen von unwahren Tatsachenbehauptungen verpflichtet werden kann. Ebenfalls beruft sich Google darauf , dass deutsches Recht hier nicht anwendbar ist, da die Bloggingplattform in den USA gehostet wird. Aus darüber hat der BGH zu entscheiden.
Dieses Problem ergibt sich nicht nur beim Betreiber von Bloggingsoftware. Auch Ebay hat auch sehr häufig das Problem, dass in den Bewertungen manchmal behauptet wird, dass eine Ware nicht pünktlich angekommen ist. Dann stellt sich die Frage, ob Ebay verpflichtet ist, diese negative Tatsachenbehauptung zu löschen oder nicht.
Es ist also eine knifflige Angelegenheit, die der Bundesgerichtshof hier entscheiden muss. Das Urteil hat eine sehr große Tragweite für sämtliche Anbieter von nutzergenerierten Inhalten und sämtliche Anbieter von technischen Infrastrukturen. Es geht auch soweit, dass es zum Beispiel Facebook oder Amazon betreffen kann. Überall da, wo Dritte Inhalte veröffentlichen, kann der Plattformbetreiber selbst in die Haftung kommen, sofern er nicht reagiert.
Ich gehe davon aus, dass der Bundesgerichtshof hier Google verurteilen wird. Der Bundesgerichtshof wird insofern seiner Linie treu bleiben, dass ein Plattformbetreiber zunächst auf einen rechtsmissbräuchlichen oder illegalen Sachverhalt hingewiesen werden muss – so wie jetzt hier die falsche Tatsache bezüglich der VISA-Karte – und wenn er dann nicht handelt, muss er eine Unterlassungserklärung abgeben. Genau das nennt man „notice and take down-Verfahren“. Erst einmal muss man kostenfrei einen Plattformbetreiber über eine Verletzung informieren und erst wenn er dann nicht haftet, kann er kostenpflichtig von einem Anwalt abgemahnt werden und muss eine Unterlassungserklärung abgeben. Die Unterlassungserklärung hat den Nachteil, dass sie einen Vertrag darstellt und bei einem nochmaligen Verstoß – wenn also diese Behauptung nochmals im Forum „blogspot“ auftaucht – Google tatsächlich eine Vertragsstrafe zahlen muss, die sehr empfindlich ist.
Ich gehe davon aus, dass Google hier bezüglich dieser Behauptungen verurteilt wird und künftig auch zusehen muss, dass die Plattform sauber bleibt und diese Behauptung dort nicht noch einmal auftaucht.
Kontaktaufnahme mit RA Christian Solmecke
Christian Solmecke steht den Medien gern unter der Telefonnummer 0221 – 951 563 0 oder per E-Mail an info@wbs-law.de für weiterführende Kommentare oder für Originaltöne zur Verfügung.