Politik & Wirtschaft

Brexit für die IHK kein Anlass für kurzfristiges Krisenszenario

Brexit für die IHK kein Anlass für kurzfristiges Krisenszenario – „Die außenwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Schleswig-Holstein und dem Vereinten Königreich würden auch im Fall eines Austritts der Briten aus der Europäischen Union nicht grundsätzlich an Kraft verlieren“, meint Werner Koopmann, Leiter des Geschäftsbereichs International der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Kiel.

Das Vereinigte Königreich rangiert mit einem jährlichen Aufnahmevolumen von 1,1 bis 1,3 Milliarden Euro regelmäßig auf den Plätzen drei bis fünf der Liste der wichtigsten Bestimmungsländer der Ausfuhr Schleswig-Holsteins. Gefragt sind vorrangig Produkte der chemischen und pharmazeutischen Industrie gefolgt von Maschinen und elektrischen Ausrüstungen. Ein anderer bedeutender Zweig sind Agrarprodukte sowie Nahrungs- und Futtermittel. Einfuhrseitig ergibt sich bei einem knapp unter der Milliarden-Euro-Grenze liegenden Volumen ein eher ausgewogenes Branchenbild, wobei allenfalls wiederum die Sektoren Chemie und Pharma sowie ergänzend Erdöl und Gas herausragen.

Ein Austritt würde zunächst die Briten selbst treffen, deren Ausfuhrvolumen knapp zur Hälfte von den EU-Nachbarn aufgenommen wird. Umgekehrt fließen etwa sechs Prozent der EU-Exporte auf die Insel. So wundert es nicht, dass nach einer jüngsten Mitgliederbefragung des britischen Industrieverbandes EEF nur fünf Prozent einen Brexit unterstützen. Der Verband fürchtet die ungewissen Konsequenzen eines EU-Austritts sowohl mit Blick auf den gegenseitigen Marktzugang, den Handelsaustausch, bestehende Handelsabkommen oder auch Normungsfragen. Immerhin ist das Land der mit Abstand größte Empfänger von Direktinvestitionen in der EU – mit positiven Folgewirkungen für den Arbeitsmarkt.

Koopmann erwartet rund um den 23. Juni, dem Tag der Abstimmung, einige Turbulenzen – nicht zuletzt an den Börsen. Aber selbst im Fall eines britischen NEIN für Europa erlebte der Kontinent keine Erschütterung. Ändern würde sich erst einmal gar nichts. Nur ganz wenige Optimisten in den Brüsseler Büros setzten darauf, dass die Entwicklung eines Ausstiegsszenarios binnen zwei Jahren zu bewerkstelligen sei. Zu klären wäre beispielsweise, welche Mittelzusagen der EU das Vereinte Königreich noch bekäme oder ob es bis zur Scheidung weiterhin Sitz und Stimme in den EU-Gremien behielte. Und danach, meint Koopmann, müssten Verhandlungen über das künftige Miteinander beginnen. Gäbe es einen Brexit, müssten sich die Briten mit der EU auf nichts weniger als einen neuen politischen wie ökonomischen Handlungsrahmen verständigen, wofür mindestens noch einmal fünf bis acht Jahre veranschlagt werden. Jahre, in denen der Wirtschaftsaustausch mit dem Wirtschaftsnachbar Großbritannien zweifellos mit Unsicherheiten belastet sein dürfte.

Tatsächlich jedoch sind die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen eines Brexit aus Sicht der IHK für den Moment nicht vorhersehbar. „Viel hängt ab vom Verhalten der Wirtschaftsakteure vor Ort. Bleiben die britischen Geschäftspartner und deren Investitionen im Land, dürften auch die Außenwirtschaftsrelationen mit Schleswig-Holstein keinen nennenswerten Schaden nehmen.“

Die IHK hofft auf ein klares Votum der Briten zum Verbleib in der Gemeinschaft. Ein Austritt würde die wirtschaftsliberalen Positionen der Union ebenso schwächen wie die langfristigen Perspektiven eines engeren Miteinanders der heute 28 EU-Mitglieder. „Der Binnenmarkt hat insbesondere den kleineren Ländern eine größere Teilhabe an der internationalen Arbeitsteilung ermöglicht. Er hat für mehr Wettbewerb, mehr Innovation, günstige Verbraucherpreise und Freizügigkeit gesorgt und damit auch die Absatzchancen für Produkte deutscher Unternehmen in Europa erheblich befördert. Ein Austritt der Briten aus diesem Verbund wäre das falsche Signal zu einer Zeit, in der es mehr denn je darauf ankommt, europäische Interessen zu bündeln und kraftvoll vorzutragen“, fasst Koopmann zusammen.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte direkt an Werner Koopmann unter 0431 5194-209 oder unter 0171-9792552.