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„Der Mut zur Demut ist die eigentliche Entdeckerkraft“

„Der Mut zur Demut ist die eigentliche Entdeckerkraft“ – Glaube und Wissenschaft sind keine Gegensätze, sondern sie gehören zusammen“, erklärte  Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), am 21. April in seiner Theaterpredigt im Großen Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin. „Gott will, dass der Mensch Wissen schafft. Das ist eine Gabe, die Gott schenkt: Schöpfungsgabe. Neugier und das Staunen über die Schöpfung sollten Grundlagen naturwissenschaftlichen Forschens sein.“

Anhand des Psalms 104 (Lob Gottes angesichts der Schöpfung) setzte Ulrich sich mit dem Brecht-Stück „Leben des Galilei“ in einer Inszenierung von Schauspieldirektor Martin Nimz auseinander. Die astronomischen Beobachtungen Galileo Galileis (1564 – 1642) hatten die Lehre des Kopernikus unterstützt: Die Erde bewegt sich um die Sonne – und nicht andersherum. Somit war das Weltbild von der Erde als göttlichem Mittelpunkt auf den Kopf gestellt und forderte Mächtige in der Kirche damals heraus. „Brecht setzt einen Konflikt in Szene, der zugleich ein unrühmliches Stück Kirchengeschichte ist“, sagte Ulrich.

Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Forschung stellen

Mit der Gottesgabe, Wissen zu erlangen, sei aber auch die Verantwortung der Wissenschaftler für Mensch und Schöpfung verbunden. Angesichts der Quantensprünge in der Forschungsentwicklung stelle sich die Frage nach den Grenzen der Forschung heute ganz neu, so Ulrich: „Darf man alles machen, was möglich ist?“ Die Freiheit der Wissenschaft allein als Freiheit von Reglementierung zu verstehen, wäre zu wenig, mahnte er. „Freiheit ist immer Freiheit von Unterdrückung, Knechtschaft und Leid, sie ist immer Freiheit für das Leben. Wenn die Wissenschaft Leben bedroht, hat das mit Freiheit nichts mehr zu tun!“

Wissenschaft und die daraus gewonnene Weisheit könnten Grundlagen für ein Leben in Fülle schaffen, an dem alle teilhaben, so Ulrich weiter. „Damit jeder hat, was wir alle brauchen: Brot und Gemeinschaft, Liebe und Zukunft. Und Frieden.“

Dazu gehöre auch das Wissen um die eigenen Grenzen. „Der Mut zur Demut – das ist die eigentliche Stärke, die eigentliche Entdeckerkraft: Da ist eine Kraft, die stärker ist als meine Kraft; eine Macht, die höher ist als meine Vernunft; eine Vernunft, die aus Liebe mich und alles trägt, erträgt, voranbringt, hält. Da haben auch die Entdecker und Forscher Raum.“

Die Theaterpredigt zu Brechts Stück „Leben des Galilei“ ist die inzwischen sechste Veranstaltung in der Reihe „Dialog Kirche und Bühne“, ein Gemeinschafsprojekt des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin mit der evangelischen und katholischen Kirche. Unter dem Motto „Predigt am anderen Ort“ hatte Gerhard Ulrich 2015 die erste Theaterpredigt in Schwerin gehalten, damals zu Shakespeares „Kaufmann von Venedig“.

Shakespeare-Tage 2017 in Weimar mit Podiumsgast Gerhard Ulrich

Morgen (22. April) wird Landesbischof Gerhard Ulrich auf Einladung der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft im Rahmen der internationalen Shakespeare-Tage 2017 „Shakespeare und die Reformation“ in Weimar an einem Podiumsgespräch zum Thema „Theater – Kirche – Politik“ teilnehmen.

Der in Hamburg geborene Gerhard Ulrich studierte zunächst Germanistik, Theaterwissenschaften und Schauspielkunst, bevor er 1974 zum Studium der Evangelischen Theologie wechselte. 2013 wurde er von der Landessynode der Nordkirche zum Landesbischof gewählt. Seine Predigtstätten sind die Dome zu Schwerin und Lübeck. Ulrich ist zugleich Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands.

Weitere Vorstellungen des Stückes „Leben des Galilei“ im Großen Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin finden am Sonntag, 14. Mai (18 Uhr), Montag, 15. Mai (10 Uhr), Mittwoch, 21. Juni (19.30 Uhr) und am Sonntag, 25. Juni (15 Uhr) statt (www.mecklenburgisches-staatstheater.de).